Industrie 4.0, Smart Grids und Sicherheit
Die Hannover Messe vom 8. bis 12. April 2013 bot vielfältige Eindrücke aus dem umfangreichen Angebot der Industrie. Die Einflüsse auf die Technische Gebäudeausrüstung sind meist unübersehbar. Manche davon betreffen Gebäude schon heute, andere werden erst in abgewandelter Form für Gebäude nutzbar werden.
Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 als ein Beispiel für diese Trends ist Teil der Hightech-Strategie 2020 der deutschen Bundesregierung (www.bmbf.de/de/19955.php). Die Diskussion um Industrie 4.0 oder Integrated Industry ist geprägt durch steigende Anforderungen an Produktivität, Flexibilität sowie Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, braucht die Industrie Maschinen und Anlagen, mit denen sie ressourcenschonend und effizient individuelle Produkte produzieren kann. Mit dem Einsatz von Internettechnologien werden die Produktions- und Logistikprozesse in den Fabriken „intelligenter“, aber auch komplexer. In der Produktion entstehen sogenannte Cyber-Physical Production Systems (CPPS) mit „intelligenten“ Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln, die eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig steuern. Sie können industrielle Prozesse in der Produktion, dem Engineering, der Materialverwendung sowie im Lieferketten- und Lebenszyklusmanagement verbessern.
Mit der Weiterentwicklung der Automatisierungslandschaft zur Industrie 4.0 kommen neue Sicherheitsherausforderungen auf Unternehmen zu: Bei den angestrebten Produktionssystemen handelt es sich um hochgradig vernetzte Strukturen mit einer Vielzahl von beteiligten Menschen, IT-Systemen, Automatisierungskomponenten und Maschinen. Zwischen den teilweise autonom agierenden technischen Systemkomponenten findet ein reger und oft zeitkritischer Daten- und Informationsaustausch statt, zugleich sind wesentlich mehr Akteure entlang der Wertschöpfungskette beteiligt. Mit zunehmender Vernetzung von Maschinen treffen in Bezug auf das Thema Sicherheit zwei Welten aufeinander: Die Welt der Automatisierung verschmilzt mit der IT-Welt. Die jeweiligen Sichtweisen auf das Thema Sicherheit unterscheiden sich deutlich: Die international verwendeten Begriffe „Safety“ für Maschinensicherheit und „Security“ für IT-und Datensicherheit helfen zunächst bei der grundlegenden Differenzierung. Die Herausforderung liegt aber darin, die Anforderungen beider Welten zu passenden und praktikablen Lösungen zu standardisieren. Die neuen Schutzziele umfassen beispielsweise den Schutz von Produktionsdaten, Produkt- und Plagiatsschutz, Schutz des Know-hows, Zugangsschutz, Integritätsschutz, Fernwartung.
Dezentrale Lösungen
Auf der „Energy“, eine der Fachmessen der Hannover Messe, waren dezentrale Brennstoffzellengeräte und die Kraft-Wärme-Kopplung Themen, bei denen es um die Energiewende ging. Zahlreiche Fachforen boten Vorträge zu Erneuerbaren Energien, „Smart Grids“ und weiteren Themen, die die Industrie genauso betreffen wie die Gebäude von morgen.
Brennstoffzellen-Heizgeräte (BZH) könnten eine Kraft-Wärme-Kopplungstechnik zur zukünfitgen Energieversorgung von Einfamilienhäusern sein. In einer Forumsdiskussion wurden die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Markteinstieg formuliert. „Die Brennstoffzelle im Heizgerätemarkt wird zudem volkswirtschaftlich wichtig sein und der europäischen sowie heimischen Industrie Innovationskraft verleihen“, äußerte sich etwa Guido Gummert, Geschäftsführer von Baxi Innotech. Was er fordert ist Planungssicherheit zum Aufbau der Serienfertigung. Auf diesem Weg sind von der EU geförderte Projekte wie „ene.field“ sinnvoll. Rund 53 Mio. € sollen in den kommenden fünf Jahren investiert werden, um etwa 1000 Brennstoffzellen-Mikro-KWK-Geräte in Wohngebäuden in zwölf Ländern der EU einzubringen. „In Deutschland ließe sich der KWK-Anteil in den kommenden zehn Jahren leicht auf über 25 % anheben. Damit wäre ein erheblicher Schritt in Richtung Versorgungssicherheit und CO2-Einsparungen getan“, ist sich Berthold Müller-Urlaub, Präsident des B.KWK Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V., sicher. Doch dazu müsste die ins Stocken geratene Energiewende neuen Schwung erhalten. „Es wird immer deutlicher, dass traditionelles Denken in Energiefragen nicht mehr weiterhilft. Es ist sinnvoller, sich ernsthaft mit einem neuen Marktdesign zu beschäftigen, das auf dezentrale Versorgung setzt, eingebettet in intelligente Netze“, lautete sein Kommentar. Der B.KWK führte gemeinsam mit dem ESCO-Forum im ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. den Gemeinschaftsstand „Dezentrale Energieversorgung“ mit seinen 60 Ausstellern an, um Einsparpotentiale und Effizienzsteigerungen durch dezentrale Energieversorgungslösungen bei den Entscheidern in Industrie, Gewerbe und Kommunen noch besser zu verankern. Dr. Jobst Klien, Vorsitzender des ESCO-Forums im ZVEI, will den „schlafenden Riesen Energieeffizienz“ erwecken und fordert dafür die Beseitigung von politischen Hemmnissen für eine breite Marktdurchdringung von Energiedienstleistungen (EDL) und Contracting: „Für eine smarte Energieversorgung brauchen wir viel mehr Marktakteure als nur wenige Großverbraucher. Es ist nicht zielführend, wenn die neue Abschaltverordnung nur den industriellen Großverbrauchern eine wirtschaftlich attraktive Anpassung der Stromnachfrage an die Stromnetzanforderungen eröffnet.“
Insellösungen in der Energieversorgung sind angesichts eines gut strukturierten europäischen Verbundsystems für Strom, Öl und Gas für den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien keine zukunftsfähige Lösung. Es geht darum einen Großteil der benötigten Energie vor Ort bereitzustellen und zu nutzen und so die Netze zu entlasten, die als Speicher und Verteiler auch in Zukunft benötigt werden.
Dass Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur im Kleinen funktioniert, zeigt z. B. ein neues BHKW von 2G Energy. Das „avus 500 plus“ mit 550 kWel ist für Erd- und Biogasanwendungen ausgelegt, kann aber auch mit wasserstoffhaltigem Synthesegas betrieben werden. Die Kopplung an ein virtuelles Kraftwerk kann direkt umgesetzt werden, da die Steuerung über die notwendigen Kommunikationsmodule und Softwarelösungen verfügt. Auch hier wachsen IT-, Kommunikations- und Anlagensoftware zusammen.
Verstädterung im
21. Jahrhundert
Das 21. Jahrhundert ist das „Jahrhundert der Städte“. 2005 lebten 50 % der Weltbevölkerung in Städten. Bis 2030 wird der Grad der Urbanisierung auf 60 % steigen, was einer Stadtbevölkerung von 5 Mrd. entspricht. In den kommenden Jahren muss die Welt also rund 1,8 Mrd. neue Stadtbewohner aufnehmen und versorgen: Neben den notwendigen energetischen Sanierungen müssen Lösungen für eine nachhaltige Mobilität gefunden sowie der Ausbau „intelligenter“ Energienetze und das synergetische Zusammenspiel von Architektur, Bautechnik, TGA und Stadtplanung konsequent vorangetrieben werden. Dieser Thematik nimmt sich die „Metropolitan Solutions“ an, die von einer Sonderschau zu einer Messe in der Messe heranwächst. In Halle 1 wurden die Themen Energie, Transport und Wasser präsentiert und intensiv diskutiert. Gefragt sind Lösungen für die Planung, Realisierung und Umsetzung nachhaltiger Siedlungsstrukturen der Zukunft. Davon sind sowohl einzelne Gebäude, Stadtviertel als auch komplexe Megacities betroffen.
Fazit
Das Verbinden von Kommunikationstechnologien sowie Standard- und Anlagensoftware zu integrierten Produktionsprozessen waren ein Kernthema der Hannover Messe 2013. Wenn man den Begriff „integrierte Produktionsprozesse“ durch den Begriff „effizient funktionierenden Gebäudebetrieb“ ersetzt, wird deutlich, wohin sich die TGA in den nächsten Jahren entwickeln werden muss.