Mit Urteil vom 22. Februar 2018 hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Az.: VII ZR 46/17) seine bisherige Rechtsprechung, wonach der Besteller, der ein Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, nach seiner Wahl Zahlung in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten fordern konnte, aufgegeben.
In dem zuvor erwähnten Urteil vom 22. Februar 2018 hat der BGH zunächst im Ausgangspunkt bestätigt, dass der Ingenieur dem Besteller gem. § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen von ihm zu vertretender Planungs- und Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, haftet.
Allerdings kann für die Bemessung des dem Besteller durch das mangelhafte Ingenieurwerk entstandenen Schadens – wie beim Anspruch gegen den mangelhaft leistenden Unternehmer auch – nicht auf die fiktiven Mangelbeseitigungskosten zurückgegriffen werden.
Die Bemessung des Schadensausgleiches hängt im Hinblick auf die Vermeidung einer Überkompensation davon ab, welche Dispositionen der Besteller zur Schadensbeseitigung tatsächlich getroffen hat.
Dazu kurz Folgendes:
Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, kann er hierfür Schadensersatz gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB in Höhe der aufgewandten Kosten verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann er zudem Befreiung von den angegangenen Verbindlichkeiten verlangen.
Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden im Wege einer Vermögensbilanz anhand des Minderwertes des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerkes bei mangelfreier Ingenieurleistung berechnen. Bei Veräußerung des Bauwerks kann der Besteller den konkreten Mindererlös darlegen. Hat der durch die mangelhafte Ingenieurleistung verursachte Bauwerksmangel zur Folge, dass ebenfalls eine Störung des Äquivalenzinteresses des Bauvertrages vorliegt, kann der Besteller seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werkes des Bauunternehmers ermittelt. Diesen Vermögensschaden hat der Ingenieur, vermittelt durch den Mangel des Werkes des Bauunternehmers, durch seine mangelhafte Ingenieurleistung verursacht und deshalb zu ersetzen.
Plant der Besteller jedoch die Behebung der Mängel des Bauwerkes, so soll er von den Nachteilen und Risiken einer Vorfinanzierung der Mangelbeseitigung geschützt werden.
Der Besteller kann dann diese Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags im Wege des Schadensersatzes auf den Ingenieur abwälzen.
Dies entspricht einer in §§ 634 Nr. 2, 637 BGB getroffenen Wertung des Gesetzgebers für Ansprüche des Bestellers gegen den mangelhaft leistenden Bauunternehmer und ist auch bei einem Schadensersatzanspruch wegen Planungs- und Überwachungsfehler des Ingenieurs, die sich bereits im Bauwerk verwirklicht haben, zu berücksichtigen.
Im Ergebnis würde also ein „Kostenvorschussanspruch“ ausgeurteilt werden, so dass der Besteller nach der Durchführung der Mangelbeseitigungsarbeiten eine Abrechnung des erhaltenen Betrages vorzunehmen hat und hier ggf. bei einer Überzahlung eine Erstattung vorzunehmen hat. Umgekehrt kann selbstverständlich dann auch eine „Nachschusspflicht“ für den auf Schadensersatz haftenden Ingenieur erfolgen.
Die früher nicht selten anzutreffende Praxis, der Vereinnahmung des Schadensersatzbetrages auf der Grundlage fiktiver Mangelbeseitigungskosten durch den Besteller, ohne dass der Besteller die vorhandenen Schäden beseitigt hätte, ist damit ausgeschlossen.
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