Kommentar

Keine unverhältnismäßigen Sanktionen für Unternehmen

Bereits Marcus Tullius Cicero wusste, „dass die Strafe nicht größer sei als die Schuld“. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei der Verhängung von Sanktionen zu berücksichtigen. 

Mit dem Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ plant die Bundesregierung nach eigener Aussage, einen angemessenen Rechtsrahmen zur Ahndung von Unternehmenskriminalität zu schaffen. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz sieht u. a. vor, dass insbesondere gegenüber finanzkräftigen multinationalen Konzernen empfindliche Sanktionen verhängt werden können. Zu diesem Zweck soll der Strafrahmen erheblich erhöht werden und für große Konzerne sollen Sanktionen in Höhe von bis zu 10 % des Jahresumsatzes möglich sein.

Die Sanktionierung eines Unternehmens ist beispielsweise in dem Fall vorgesehen, wenn eine Leitungsperson eine unternehmensbezogene Straftat begeht. Die Verantwortlichkeit der Unternehmen ist jedoch nicht auf Leitungspersonen begrenzt: Sie soll auch dann greifen, wenn eine unternehmensbezogene Straftat von einem Mitarbeiter begangen worden ist und das Unternehmen keine angemessene Compliance-Organisation geschaffen hat.

Selbstverständlich ist das Ziel einer wirksamen Bekämpfung der Unternehmenskriminalität berechtigt. Der Gesetzentwurf offenbart jedoch, dass das Gesetz insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung führen würde. Diese Unternehmen verfügen im Regelfall nicht über die Ressourcen, um eine zeitaufwendige und kostenintensive Compliance-Organisation zu schaffen. 

Darüber hinaus droht das Gesetz, zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit gerade auch für rechtstreue Unternehmen zu führen, da in dem Entwurf viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet wurden. Außerdem ist der durch das Gesetz zu erwartende hohe Bürokratiezuwachs unverhältnismäßig – gerade in einer Zeit, in der zahlreiche Unternehmen infolge der Covid-19-Pandemie um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen.

Unverhältnismäßig ist außerdem die in dem Gesetzesentwurf vorgesehene Einführung eines so genannten Verbandssanktionenregisters. In diesem Register soll öffentlich bekannt gemacht werden, wenn ein Unternehmen verurteilt wurde. Sanktionen, mit denen Unternehmen „öffentlich an den Pranger gestellt werden“, stellen jedoch keine sinnvollen Besserungsmaßnahmen dar. Sie schädigen lediglich die Unternehmen zulasten aller Beteiligten, insbesondere der Mitarbeiter, Anteilseigner und Gläubiger. 


Sorgfaltspflichtengesetz belastet zusätzlich

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung auch ein so genanntes Sorgfaltspflichtengesetz einführen will. Damit sollen Unternehmen verpflichtet werden, angemessene Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe zu ergreifen und zu prüfen, ob sich ihre Aktivitäten nachteilig auf Menschenrechte auswirken. Beide Gesetzesvorhaben würden, gerade in ihrer Gesamtschau, viele Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat mögen daher im weiteren Gesetzgebungsprozess das eingangs angeführte Cicero-Zitat beherzigen.

 

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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