Populäre Rechtsirrtümer am Bau - Teil 2
Immer Unsicherheiten mit den Sicherheiten
Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften sind am Bau gang und gäbe und werden meist über vorformulierte Vertragsbedingungen vereinbart. Ist die vereinbarte Klausel jedoch unwirksam, kann das schmerzhafte Folgen für den Auftraggeber haben.
Fakten
Die klagende ARGE führt einen Klinikneubau aus. Mit den Leistungen für raumlufttechnische Anlagen beauftragt die ARGE einen Nachunternehmer. In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen ist bestimmt, dass der Nachunternehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft von 10 % der Auftragssumme bis zur Abnahme der Leistungen stellen muss. Außerdem ist geregelt, dass Abschlagszahlungen in Höhe von 90 % des Werts der nachgewiesenen Leistungen vom Nachunternehmer beansprucht werden können.
Der Nachunternehmer stellt auch die Vertragserfüllungsbürgschaft über gut 400 000 €, gerät aber während der Ausführung in Insolvenz. Die resultierenden Schadensersatzforderungen macht die ARGE beim Bürgen geltend. Die bürgende Bank wehrt sich.
Entscheidung
In letzter Instanz mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof weist die Klage ab. Der Bürger kann die Einwendungen des Hauptschuldners geltend machen, also des Nachunternehmers. Dieser war zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft nicht verpflichtet, weil die zugrundeliegende Sicherungsabrede unwirksam ist. Die ARGE als Auftraggeber hatte also gar keinen Anspruch auf die Bürgschaft und muss diese wieder herausgeben.
Eine Vertragserfüllungsbürgschaft von 10 % der Auftragssumme kann zwar wirksam vereinbart werden, denn das Sicherungsinteresse des Auftraggebers ist legitim. Wenn aber durch die Abschlagszahlungsregelung eine weitere, im Verlauf des Bauvorhabens im Volumen ansteigende Sicherheit hinzutritt, hat der Auftraggeber eine einseitige Regelung getroffen, mit welcher der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt wird. Diese doppelte Sicherheit macht die Klausel in den ZVB unwirksam.
Kommentar
So schnell kann´s gehen. Wer in den Vertragsbedingungen die Schraube zu fest anzieht, kann später das Nachsehen haben. Die beliebte Methode, die Vertragsbedingungen nach dem Motto „viel hilft viel“ zu entwerfen, ist keine gute Idee. Das zeigt sich besonders deutlich bei den Bürgschaften als gebräuchlichsten Sicherheiten. In den letzten zehn Jahren sind zahlreiche typische Klauseln über die Stellung von Bürgschaften höchstrichterlich für unwirksam erklärt worden. Angefangen von Klauseln, die Bürgschaften auf erstes Anfordern verlangten, über Klauseln, die etwaige Einwendungsmöglichkeiten des Bürgen einschränken sollten, bis hin zur hier vorliegenden Konstellation. Als Auftraggeber ist man gut beraten, die eigenen Vertragsformulare auf dem neuesten Stand zu halten. Gerade bei der Sicherheitsleistung ist eine wirksame Vertragsgestaltung extrem wichtig, denn es gibt hierfür keine gesetzliche Regelung als Netz, auf das man zurückfallen könnte. Es gilt also: Kippt die Klausel insgesamt, dann ist die Bürgschaft weg. Weil man die Bürgschaft meist nur braucht, wenn der Vertragspartner nicht mehr leistungsfähig ist, muss man die gesicherte Forderung dann wohl ausbuchen. Unser Rat ist in gerade diesem Bereich daher, die Sicherheitsabrede, also beispielsweise die verlangte Ausgestaltung einer Vertragserfüllungs- oder Gewährleistungsbürgschaft, gemäßigt zu formulieren und im Blick zu behalten, dass auch der Auftragnehmer berechtigte Interessen hat (Bezug: BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – VII ZR 7/10).