Preisanpassung nach Mengenmehrungen
Keine vorkalkulatorische Preisfortschreibung!Die Rechtsprechung der Obergerichte zur Preisbildung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B, bei einer über 10 v. H. hinausgehenden Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen einen neuen Einheitspreis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu bilden, wurde häufig mit der Formel „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ beschrieben. Vom BGH gibt es nun eine anderslautende Entscheidung, die auf die Abrechnungspraxis eine deutliche Auswirkung haben könnte.
Problemdarstellung
Bei einem Bauvertrag in der Form eines Einheitspreisvertrages, bei dem die Regelungen der VOB/B wirksam einbezogen sind, wird die Vergütung gem. § 2 Abs. 2 VOB/B (2016) nach den vertraglichen Einheitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet, wenn keine andere Berechnungsart (z.B. durch Pauschalsumme, nach Stundenlohnsätzen, nach Selbstkosten) vereinbart ist.
Weicht nun die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung um nicht mehr als 10 v.H. von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang ab, so gilt gem. § 2 Abs. 3 Ziff. 1 VOB/B der vertragliche Einheitspreis. Problematisch wird es, wenn eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes vorliegt.
Die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass für eine über 10 v.H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes eines Einheitspreisvertrages auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden muss.
Wie diese Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung – und dies ist regelmäßig der Fall – über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis die „Mehr- oder Minderkosten“ zu berücksichtigen sind. Können sich die Parteien also nicht auf einen neuen Einheitspreis verständigen, so entscheidet im Streitfall das angerufene Gericht. Es hat dann zu prüfen, ob der in Ansatz gebrachte Preis gerechtfertigt ist.
Nach herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur war bei der Preisbildung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die ursprüngliche Kalkulation des Auftragnehmers zu berücksichtigen und die Einzelbestandteile unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten fortzuschreiben (sogenannte „vorkalkulatorische Preisfortschreibung“), wodurch das Vertragspreisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises beibehalten werden sollte.
Diese Rechtsprechung der Obergerichte wurde mit der Formel „Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ beschrieben.
Diese vorkalkulatorische Preisfortschreibung war dabei in Einzelfragen, etwa hinsichtlich des Umgangs mit nicht herkömmlichen bzw. überhöhten oder spekulativen Einheitspreisen oder mit Kalkulationsirrtümern, äußerst problematisch und hat häufig zu unbilligen Ergebnissen geführt.
Zudem hat es Gerichten die Möglichkeit eröffnet, Klagen mit dem Hinweis auf die fehlende bzw. nicht ausreichende Darlegung der Vertragskalkulation abzuweisen.
Zur Entscheidung des BGH vom 8. August 2019 – VII ZR 34/18 –
Der Bundesgerichtshof hat nun in seiner Entscheidung vom 8. August 2009 entschieden, dass die Mehr- und Minderkosten nach Mengenmehrungen in einem VOB/B-Vertrag nicht auf Grundlage der Vertragskalkulation fortgeschrieben werden. Der Wettbewerbspreis und die ihm zugrundeliegende Kalkulation spielten für die Vergütung der relevanten Mehrmengen keine Rolle.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.
Ausblick
Da der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Ziffer 2 („neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten“) mit dem Wortlaut der Regelung des § 2 Abs. 5 VOB/B (Leistungsänderungsfälle) und den Regelungen in § 2 Abs. 7 oder § 2 Abs. 8 VOB/B übereinstimmt, steht zu erwarten, dass von der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8. August 2019 eben auch die Vergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 für Leistungsänderungsfälle bzw. aus § 2 Abs. 7 oder § 2 Abs. 8 VOB/B betroffen sein werden. Es ist insoweit nur schwer vorstellbar, dass die in diesen Regelungen enthaltene Formulierung („neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten“) anders auszulegen sein könnte.
Damit würde vorkalkulatorische Preisfortschreibung auch für diese Vergütungsregeln entfallen. Insoweit wäre es auch nur wenig vorstellbar, dass die besonderen Kosten einer zusätzlichen Leistung gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B nicht ebenfalls nach den tatsächlich erforderlichen Kosten abzurechnen sind.
Damit würde eine jahrzehntelange Abrechnungspraxis maßgeblich geändert.
Freilich bleibt insoweit festzuhalten, dass noch keine Entscheidung des BGH zu den vorbenannten Tatbeständen des § 2 Abs. 5, § 2 Abs. 7, § 2 Abs. 8 und schließlich § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B vorliegt.
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