Schlechter Preis wird guter Preis – das Ende der „Preisfortschreibung“?
„Guter Preis bleibt gut, schlechter Preis bleibt schlecht“, dieser Satz hat jahrzehntelang als Dogma die Preisfindung für Nachträge wegen Leistungsänderungen i.S.v. § 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B geprägt. Während die (noch) herrschende Meinung hieran weiter festhält, haben jüngst gewichtige Stimmen dieses Postulat deutlich in Frage gestellt.
Ausgangspunkt dieser Diskussion ist, dass bei einem VOB-Vertrag der Auftraggeber (AG) Änderungen des Bauentwurfs anordnen kann und der Auftragnehmer (AN) diese Änderungen auch ausführen muss. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Weise die Vergütung für solche Leistungsänderungen zu berechnen ist. § 2 Abs. 5
S. 1 VOB/B trifft zur Preisfindung keine konkrete Aussage, regelt indes nur, dass „ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren“ sei.
Die bislang herrschende Meinung geht – in Anlehnung an § 2 Abs. 6 Nr. 2 VOB/B, der jedoch einen völlig anderen Wortlaut hat – davon aus, dass der AN die Preise für die geänderten Leistungen in Fortschreibung der ursprünglichen Kalkulation ermitteln muss.
Diese Auffassung ist problematisch. Ordnet der AG nämlich Änderungen an, die nicht auskömmlich kalkulierte Leistungspositionen betreffen, so hat der AN keine Möglichkeit, sich hiergegen zu widersetzen, sondern muss die Leistungen ausführen und nach dieser Ansicht einen dabei entstehenden Verlust hinnehmen, ohne dass er hierauf Einfluss hat.
Abgesehen davon, dass sich dogmatisch eine derart weitreichende Bindung an die Kalkulationsgrundlagen des AN nicht begründen lässt, gibt es eine Fülle spezifischer Berechnungsprobleme bei der „Preisfortschreibung“, ganz zu schweigen davon, dass zahlreichen kleineren Bauvorhaben gar keine oder jedenfalls nur eine unzureichende Kalkulation zu Grunde liegt.
Die im Vordringen befindliche Gegenauffassung will daher die Vergütung bei Leistungsänderungen nicht mittels „Preisfortschreibung“ der Urkalkulation berechnen, sondern die tatsächlichen Kosten zur Preisfindung heranziehen. Nach diesem Ansatz wären von den tatsächlichen Kosten einschließlich geänderter Leistung die (hypothetischen) tatsächlichen Kosten des ursprünglichen Bauvorhabens abzuziehen; die Differenz wäre die angemessene Vergütung für die Leistungsänderung. So bliebe der ursprüngliche Preis erhalten und nur die Mehrleistung würde nach dem Maßstab der tatsächlichen Kosten vergütet.
Der BGH hat im Urteil vom 14. März 2013 (VIII ZR 142/12) erkennen lassen, dass für ihn die „Preisfortschreibung“ kein Dogma ist. Ob sich der BGH künftig der letztgenannten Ansicht anschließen wird, bleibt allerdings weiterhin eine spannende Frage. Möglicherweise spielt für die zögerliche BGH-Rechtsprechung eine Rolle, dass der „Differenzkostenansatz“ zwar richtig erscheint, die Kosten des Bauvorhabens unter Hinwegdenken des Nachtrags allerdings oft nur schwer nachzuweisen sind.
Für die Praxis bedeutet diese Entwicklung, dass AN im Falle einer Änderungsanordnung des AG betreffend unauskömmlich kalkulierte Positionen nicht davor zurückschrecken sollten, in Abweichung von der Urkalkulation eine an den tatsächlichen Kosten orientierte – höhere – Nachtragsvergütung zu verlangen.