Vom Vermeiden und Optimieren in der TGA
tab: Die Gebäudetechnik gilt als ein wesentlicher Verursacher von CO2-Emissionen. Wo sollte man vor dem Hintergrund des von der Europäischen Union ausgerufenen „Green Deal“ am besten ansetzen, um diese in der Heizung, Lüftung und Klimatisierung zu reduzieren.
Marco Henning: Der Bereich Heizung, Lüftung und Klimatisierung wird in der Tat bis 2030 für 25 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sein. Daher steht für uns bei der Beratung auch das Thema der Vermeidung an erster Stelle. Erst danach geht es darum, die Effizienz zu erhöhen. Wir fokussieren uns dabei in erster Linie auf die Dinge, die wir selbst beeinflussen können.
Unsere Lösungen werden in der Regel im Zusammenspiel mit Planern und Anlagenbauern erarbeitet. Es ist wichtig erst einmal so zu bauen, dass möglichst wenig aktive Komponenten benötigt werden. Dafür sollten die Hersteller, die ihre Maschinen und Systeme grundsätzlich ja am besten kennen, da sie diese selbst entwickeln und bauen, frühzeitig in die Planung einbezogen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Regelungstechnik. Eine 100-%-ige Automatisierung in den Energiezentralen bietet die besten Möglichkeiten. Daher bieten wir unseren Kunden auch an, die Regelungstechnik direkt mit zu übernehmen.
Ein weiterer Punkt sind integrierte Systeme. Dazu sollten Wärme- und Kühlbedarf gemeinsam gedacht werden, und das bereits frühzeitig in der Projektplanung. Dies gilt übrigens auch bei der Erneuerung einer Anlage.
Wenn wir über Kälte- und Wärme nachdenken, brauchen wir Mehrleiter- oder Wärmepumpen-Systeme. Der elektrische Strom zum Betrieb dieser Systeme sollte aus regenerativen Quellen stammen. Auch Speicher spielen eine wichtige Rolle. Wir können uns vorstellen, dass thermische Speicher, insbesondere Eisspeicher, als passive Komponenten, künftig wieder eine größere Bedeutung haben werden, auch wenn sie aktuell nicht so gefragt sind.
Um die Antwort abzurunden, sollte auch „Predictive Maintenance“, also die vorausschauende Wartung, beim Betrieb der technischen Anlagen berücksichtigt werden.
tab: Wenn ich hier gleich einmal einhaken darf. Wie sind Sie beim Thema „Predictive Maintenance“ aufgestellt?
Marco Henning: In den USA sind wir zu diesem Thema bereits sehr gut aufgestellt. In Europa sind wir aktuell dabei, das Thema voranzutreiben. Die Herausforderung besteht u.a. darin, dass insbesondere industrielle Kunden über die Erfassung der Betriebsdaten der technischen Anlagen häufig befürchten, dass unter Umständen auf die Produktion Rückschlüsse gezogen werden können. Hier haben manche Kunden noch Bedenken. Daher hat „Predictive Maintenance“ durchaus noch ungenutzte Potenziale. Zudem müssen die Maschinen und Anlagen auch die Voraussetzungen dafür mitbringen. Über die Automatisierung und die Regelungstechnik kann eine Verschlechterung des Wirkungsgrads einer Maschine mithilfe entsprechender Sensorik und Algorithmen frühzeitig für uns als Hersteller erkennbar werden. Hierzu bauen wir „Predictive Maintenance“ als Dienstleistung für unsere Kunden aus. Dadurch kann die Betriebssicherheit erhöht werden, und die Effizienz besser im Blick behalten werden. Zudem ist dies ein Ansatz, um mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen bzw. zu bleiben. Denn häufig werden die Anlagen nach ihrer Installation immer noch vernachlässigt. Sie funktionieren und werden „vergessen“.
Mit „Trane Building Advantage“ (TBA) bieten wir daher Dienstleistungen an, um die Energiezentrale für Kunden zu optimieren. Dies gilt insbesondere für Bestandsanlagen. Wir rüsten Maschinen, z.B. mit Frequenzumrichtern bei den Verdichtern nach, machen Rohranalysen und können frühzeitig erkennen, wenn die Lamellen eines Wärmetauschers verschmutzen. Durch Vibrationsanalyse der Verdichter können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, damit es erst gar nicht zu Schäden kommt. Hierin sehen wir einen strategischen Wachstumsbereich. Denn am Ende des Tages kennt jeder Hersteller seine Anlage trotz gut ausgebildeter Fachleute im Facility Management immer noch am besten.
tab: Welche Einsparpotentiale sind bei einer breiten Umsetzung Ihrer Vorschläge in der Sanierung im Gebäudesektor denkbar?
Marco Henning: Wir sehen allein bei der Kälte gegenüber beispielsweise Anlagen von vor 15 bis 30 Jahren eine Effizienzsteigerung um bis zu 30 % ausgedrückt in CO2-Äquivalenten. Wichtig ist eine dazu optimal angepasste Regelungstechnik.
Die größten Einsparpotentiale ergeben sich aber in der gemeinsamen Betrachtung von Heizen und Kühlen. Die Abwärme von Kälte nicht zu nutzen, ist verlorene Energie. Daher sind uns integrierte Systeme wichtig – mit regenerativen Energiequellen im Hintergrund, um das CO2-Äquivalent beinah gegen Null zu senken.
Mietanlagen sind ein weiteres spannendes Thema. In vielen Fällen können Kunden die Anlagen erst einmal testen, um zu sehen, ob der gewünschte Effekt erzielt wird. Mietanlagen sind auch eine Lösung, wenn Kälte nur bei hohen Temperaturen im Sommer und damit nur wenige Wochen im Jahr benötigt wird.
tab: Wo sehen Sie noch besondere Hindernisse?
Marco Henning: In vielen Betrachtungen startet man immer noch mit der Auslegung der Heizung. Im zweiten Schritt denkt man separat an die Kälte. Für beide Anforderungen werden dann die Anlagen ausgelegt. Bei einer integrierten Betrachtung können die Anlagen kleiner ausfallen und die Energie genutzt, statt in die Umwelt abgeleitet zu werden. Wir nennen das ‚Freies Heizen‘. Es wäre wichtig, erst einmal Gespräche zu führen, um technische Möglichkeiten auszuloten, bevor es an eine Planung geht.
tab: Welche sind die Entscheider, die die größten Hebel zur CO2-Einsparung zur Verfügung haben?
Marco Henning: Die politischen Entscheidungen von oben müssen in der Breite getragen werden. Konkret heißt das: Es ist begrüßenswert, dass durch die Europäische Union alle Mitgliedsstaaten ihre Maßnahmenkataloge anpassen müssen. Wenn dann noch die passenden Fördermöglichkeiten und die fachliche Aufklärung kommen, kann in der Fläche viel bewegt werden. Es werden ja auch bereits viele Wartungen und Optimierungen im Kälteanlagenbauerhandwerk durchgeführt.
tab: Eine zunehmende Rolle bei der Digitalisierung spielt das Thema „Building Information Modeling“ (BIM). Wie weit sind Sie bei diesem Thema?
Marco Henning: Wir sind an diesem Thema dran, allerdings gestaltet sich dies sehr komplex. Obwohl wir Maschinen in Serie bauen, ist dennoch fast jede aufgrund ihrer vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten ein Unikat. Und es reicht beim Thema BIM ja nicht aus, die Zeichnung einer Maschine digital zur Verfügung zu stellen.
tab: Trane hat das Ziel einer CO2-neutralen Produktion. Bis 2030 sollen alle Fabriken ohne unverwertbaren Müll auskommen und Karbon-neutral werden. Wo sind die am schnellsten umsetzbaren Punkte?
Marco Henning: Wir sehen und nutzen viele Möglichkeiten, um unser Ziel zu erreichen. Dabei arbeiten wir mit allen Beteiligten eng zusammen.
Bei der Müllvermeidung zum Beispiel binden wir unsere Lieferanten ein. Sie liefern z.B. Ventilatoren in wiederverwertbaren Transportrahmen: Die Transportrahmen gehen wieder an den Hersteller zurück und werden wieder genutzt. Das spart Verpackung.
Ein wichtiger Punkt ist die Energie, die wir nutzen. Wir vermeiden fossile Energieträger und sparen Strom, wo es nur geht.
Dazu stellen wir unsere Standorte nach und nach auf den Prüfstand, damit wir beurteilen können, an welchen Stellen wie viel Energie eingespart werden kann. Meist führen viele kleine Einzelschritte zu einer erheblichen Einsparung. So wird beispielsweise die Beleuchtung auf LED-Technik umgestellt. Auch eine sensorgesteuerte Beleuchtung am Arbeitsplatz ist eine schnell umsetzbare Maßnahme. Generell setzen wir auf erneuerbare Energien. Wenn es standortbedingt nicht möglich ist, eigene Anlagen zu betreiben, können wir regenerativ erzeugten Strom beziehen, was immer möglich ist.
tab: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Marco Henning: Ja, wir haben zwar mit Trane in Deutschland keine Produktion vor Ort, planen aber eine neue Hauptverwaltung in Oberhausen. Die Liegenschaft verfügt über Büroräume, Lagerhallen für Mietmaschinen, Entwicklungslabore sowie Test- und Reparaturplätze. Prüfkapazitäten bis zu 2,5 MW Kälteleistung sind auch ein geplant. In Verbindung mit einem Mehrleitersystem und einer Wärmepumpe werden wir den thermischen Energiebedarf der Liegenschaft sinnvoll erzeugen und nutzen. Außerdem werden wir Regenwasser nutzen und elektrischen Strom aus regenerativen Energiequellen beziehen. Die neue Hauptverwaltung soll bis Sommer 2022 bezogen werden.
tab: Trane will mit der „Gigaton Challenge“ bis 2030 eine Gigatonne, also 1 Mrd. t, CO2 einsparen. Welche Maßnahmen sind geplant?
Marco Henning: Wir denken umfassend. Das fängt bereits bei der Haltung an: Wir, das heißt auch alle unsere Mitarbeiter, sind angehalten, in allen Bereichen stetig Möglichkeiten für Verbesserungen zu suchen und umzusetzen. Die Verantwortung für die „Gigaton Challenge“ liegt bei uns allen. Letztlich geht es um die zwei Punkte vermeiden und optimieren.
Unsere Produktentwicklungs- und Angebots-Strategien sind ebenso darauf ausgerichtet. Beispielsweise haben wir aktuell unsere neue Generation wassergekühlter Flüssigkeitskühler mit Schraubenverdichtern aus der „XStream“-Serie vorgestellt. Wir erreichen eine Teillasteffizienz (SEER) von bis zu 8,91, also bis zu 36 % über dem Ecodesign 2021-Grenzwert. Mit unseren TBA Energie-Dienstleistungen in Kombination mit neuerster Regelungstechnik helfen wir Betreibern ihre Energieverbräuche nachhaltig zu senken, das Potential in Bestandsanlagen ist enorm.
Es ist aber auch die Kreativität und das Mitgestalten unserer Mitarbeiter gefragt. Es findet sich immer etwas. Wir optimieren unsere Liegenschaften und Fahrzeugflotten hinsichtlich unseres CO2-Fußabdrucks und reduzieren damit Energieverbrauch und entlasten so die Umwelt. So wollen wir zum Beispiel auch mobiles Arbeiten noch einfacher ermöglichen. Wenn Mitarbeiter ein bis zwei Tage pro Woche seltener ins Büro fahren müssen, vermeidet dies Emissionen und spart Reisezeit.
Darüber hinaus haben wir noch viele weitere Ideen, die Aspekte wie Mitarbeiter, Technologie, Produktlebenszyklus und reduzierte Treibhausgasemissionen betreffen. Die Umstellung von Bestandsanlagen auf neue Kältemittel ist ebenfalls ein weiterer möglicher Weg zur Umweltentlastung, den wir bereits aktiv umsetzen.
tab: Das ist ein gutes Stichwort. Welche Kältemittelstrategie streben Sie bei Ihren Kälteerzeugern an?
Marco Henning: Wir setzen zu 100 % auf HFO-Kältemittel wie beispielsweise R1234ze oder R1233zd. Ein wichtiger Aspekt sind für uns dabei kompakte Systeme mit geringen Kältemittel-Füllmengen. Im Vordergrund stehen Umweltschutz, Effizienz und Serviceverfügbarkeit. Wir vermeiden so negative Umwelteinflüsse und Folgekosten im Falle von Leckagen und reduzieren durch die minimalen GWP-Werte den Einfluss auf den Treibhauseffekt dramatisch. Und nicht zu vergessen, HFO’s sind weder sehr toxisch noch hoch explosiv. Daher setzen wir auch nicht auf Kältemittel wie Propan oder Ammoniak (NH3). NH3 wird laut Umweltbundesamt ohnehin als gefährlicher Luftschadstoff eingestuft, den es deutlich zu reduzieren gilt.
Kunden müssen sich auch bewusst darüber sein, dass es immer schwieriger wird sehr gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden, die komplexe Kältesysteme im Störungs- und Reparaturfall beherrschen. Kältemittel und -systeme müssen umfassend bewertet werden, bevor eine Entscheidung dafür oder dagegen fällt.
tab: Was können TGA-Ingenieure tun, um aktiv an einer CO2-Einsparung bei ihren Projekten mitzuwirken?
Marco Henning: Um aktiv an einer CO2-Einsparung bei ihren Projekten mitzuwirken, sollten sie sehr frühzeitig über integrierte Systeme nachdenken und nicht das eine Gewerk vom anderen trennen. Das gilt von der ersten Planungsstunde an.
tab: Herr Henning, danke für das passende Schlusswort und das interessante Gespräch.
Trane Deutschland GmbH
Trane Technologies ist ein globaler Hersteller von mobiler und immobiler Kälte- und Klimatechnik mit Konzernsitz in Dublin, Irland. Bis 2020 war das Unternehmen eine Tochtergesellschaft von Ingersroll Rand. Mit seinen strategischen Marken Trane und Thermo King und dem Portfolio an umweltverantwortlichen Produkten und Dienstleistungen bietet Trane Technologies energieeffiziente und nachhaltige Klimalösungen für Branchen wie Lebensmittel, Logistik und Gebäudeausrüstung. Das Unternehmen versteht sich als globaler Innovator für den Klimaschutz und setzt im Zuge dessen auf effiziente und nachhaltige Produkte sowie Produktionsprozesse, um CO2-Emissionen einzusparen. Weltweit beschäftigt das Unternehmen ca. 35.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet mit seinen weltweiten Produktionen einen Jahresumsatz von rund 13 Mrd. US-Dollar.