Zertifizierungen

Platin, Gold – und die juristischen Folgen?

Platin, Gold – und die juristischen Folgen?

Werfen wir zunächst einen Blick auf die die Gebäudezertifizierung betreffenden Fakten: Weltweit existieren knapp 60 nationale Zertifizierungssysteme.

Der beachtlichen Anzahl von immerhin rund 185 000 Gebäuden wurde das älteste aller Labels verliehen, nämlich das Label der „Building Research Establishment Environmental Assessment Mattered“ (BREEAM). Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Zertifizierungssysteme erscheint es mehr als verständlich, dass international tä­tige Immobilienunternehmen immer wieder deren Unübersichtlichkeit und Vielzahl beklagen. Sie stehen vor der kaum zu bewäl­tigenden Aufgabe, in nahezu jedem Land einem anderen Anforderungskatalog von Zertifizie­rungskriterien Rechnung tragen zu müssen.

Nicht zu Unrecht fordern diese Immobilienunter­nehmen deshalb einen einheitlichen europäischen Standard. Doch hier scheint der Zug leider schon abgefahren zu sein. Nach einhelliger Auffassung der Experten dürfte die Anzahl der nationalen Systeme vermutlich noch weiter zunehmen – selbst das Emirat Katar entwickelt ein eigenes Bewer­tungssystem. Eine Anmerkung am Rande: Der Internationalisierung der Bewertungssysteme dürfte auf Grund so mancher länderspezifischen Eigenheit Grenzen gesetzt sein.

Nehmen wir Brasilien: Dort führt an einem Nachhaltigkeitszertifikat für First-Class-Büroimmobilien kein Weg vorbei. Das begehrte Zertifikat gibt es allerdings nur dann, wenn die Immobilie auf Grund der häufigen Staus beispielsweise in São Paulo mit einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach aus­gestattet ist.

Doch zurück zur nationalen Situation: Es war und ist nicht anders zu erwarten, als dass unter den Immobilienfonds-Managern die Nachfrage nach „grünen Gebäuden“ deutlich zulegt. Mehr als die Hälfte der Manager hält nach einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds (DGI) Nachhaltigkeit in­zwischen für ein „wichtiges“ bis „sehr wichtiges“ Kriterium beim Erwerb neuer Immobilien­objekte.

Mehr als 70 % erwarten einen steigenden Anteil „grüner Gebäude“ in ihren Fonds in den nächsten Jahren. Der Grund liegt auf der Hand: Am Markt lassen sich grün-gelabelte Gebäude besser vermieten und vermarkten, haben geringere Nebenkosten und eine höhere Wertstabilität. Zwei aktuelle Studien weisen einen Mietpreisaufschlag von 3 bis nahezu 12 % nach. Die Verkaufspreise, so die Studien, liegen 11 bis 16 % über den Gebäu­den, die ihr Da­sein ohne Zertifikat fristen müssen. Auch das international tätige Beratungs­unternehmen URS erwartet, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden stark zunehmen wird.

Die Beratungsexperten gehen deshalb davon aus, dass Investoren künftig bereit seien, für zertifizierte Objekte höhere Preise zu bezahlen. Umgekehrt müssten Eigentümer nicht nachhaltiger Gebäude mit einem Preisabschlag rechnen.

Doch nun kommt die Krux: Wie wird, insbesondere beim Energieaufwand, der Nachweis der Nachhaltigkeit und der Effizienz des jeweiligen Gebäudes geführt? Wer legt wofür die Hand ins Feuer?

Ziehen wir eine Untersuchung eines bekann­ten Planungsbüros zu Rate. Fünf verschiedene Computerpro­gramme, die den Nachweis nach DIN V 18 599 zu führen in der Lage sind, errechneten jeweils den Endenergieverbrauch des Kongresszentrums der Messe Stuttgart. Die Ergebnisse zeigen erstaunliche Abweichungen von bis zu 30 %. So kommt es nicht von ungefähr, dass der in Energiefragen versierte Rechtsanwalt Werner Dorß zu folgender Bewertung kommt: „Ich rechne Ihnen ein Gebäude, das energetisch totaler Schrott ist, auf Leed-Gold. Ein in Deutsch­land rechtmäßig erbauter Neubau liegt automatisch auf dem Leed-Silber-Niveau.“

Was passiert nun, wenn ein Mieter einen – sagen wir – 10 %igen Aufschlag für Leed-Gold bezahlt und hinterher ein findiger Anwalt das Gebäude auf Leed-Silber herunterrechnet?

Da die Ergebnisse der unterschiedlichen Computerprogramme, mit denen die Energieeffizienz eines Gebäudes errechnet wird, wie gesagt um bis zu 40 % voneinander abweichen, ist also die Wahl der „richtigen“ Software entscheidend für die Güte des Zertifikates. Und das kann und darf nicht sein.

Was die das Gebäudeenergie-Kompetenzfeld anführende TGA-Branche braucht, ist ein verlässliches, handhabbares und insbesondere bezahlbares Werkzeug für den Nachweis der Energieeffizienz eines Gebäudes. Dies dürfte im Übrigen auch im Interesse der Förderein­richtungen, wie beispielsweise der KfW, liegen. Auch die für die TGA-Branche aus ökonomi­schen Gesichtspunkten enorm wichtige energetische Sanierung braucht für den Nachweis der Effizienzsteigerung ein verlässliches Werkzeug.

Wer haftet für „falsch oder richtig hinge­rechnete“ Energiesparmaßnahmen?

Schon gibt es die ersten Vermögensschaden-Haftpflicht­versicherungen für Gebäudeenergieberater. Denn Haftungs- und Bußgeldfallen lauern allent­halben, und auch das darf nicht sein.

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