Zum § 9 der Heizkostenverordnung – Teil 1
Der § 9 der HeizkostenV in der Fassung vom 10. Dezember 2008, S. 2375 BGBl. I, Nr. 56 beinhaltet die „Verteilung der Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser bei verbundenen Anlagen“. Somit ist er ein zentrales Element bei der Berechnung von Heizkosten. Allerdings wird es in der praktischen Anwendung wegen des Fehlens ergänzender Hinweise von wärmetechnischen und energie-ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zu Differenzen kommen.
Zuordnung der Heizkosten
Die Heizkostenberechnung wird formalrechtlich dem Mietrecht zugeordnet, weil sie die verursachungsgemäße Verteilung der entstandenen warmen Betriebskosten regelt. Im allgemeinen Teil A der Begründung zum „Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Heizkosten“ vom 18. April 2008 wird Bezug auf Maßnahmen zur Minderung der CO2-Emissionen genommen, daher ist die Heizkostenberechnung dem Energierecht zuzuordnen. Der Regelungsinhalt der HeizkostenV hat die Minderung der CO2-Emissionen in Gebäuden zum Ziel. Ein weiterer Grund ist die energierechtliche Zuordnung der Heizkosten nach der Ermächtigung der HeizkostenV n. F. im § 3a EnEG [1].
Geltungsbereich des § 9
Der Begriff „verbundene Anlagen“ im Titel des § 9 beinhaltet Wärmeversorgungssysteme in einem Gebäude, bestehend aus den Teilsystemen
Heizung (Raumwärme) und
Warmwasserversorgung (Warmwasserbereitung).
„Verbundenen Anlagen“ lassen sich weitere wärmetechnische Anlagensysteme in einem Gebäude zuordnen, z. B. verbundene Anlagen mit eingekoppelter solarer Energie. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf „den Betrieb zentraler Heizungsanlagen und zentraler Warmwasserversorgungsanlagen“ § 1 Abs. 1, Punkt 1 HeizkostenV. Mit dem genannten Begriff „zentrale Wärmeversorgungsanlagen“ ist die Wärmeerzeugung durch Heizkessel gemeint. Unter dem Begriff „der eigenständigen gewerblichen Lieferung von Wärme und Warmwasser“ § 1 Abs. 1 Punkt 2 HeizkostenV ist der Bezug von Fernwärme zur Wärmeversorgung eines Gebäudes gemeint. Aus hygienischen Gründen ist ein Bezug von Warmwasser über lange Entfernungen als Fernwarmwasser nicht zulässig.
Verpflichtung zur Energiebilanzierung
In der alten HeizkostenV war die Kostenzusammensetzung der verbrauchten Wärmeenergiemengen bei unterschiedlichen Wärmeversorgungssystemen zur Gebäudeheizung und zur Trinkwarmwasserbereitung für einen definierten Zustand geregelt. Der im § 9 Abs. 1 Satz 2 genannte Grundsatz aus der a. F. wurde mit einer Erweiterung in die n. F. übernommen. „Die Anteile aus den einheitlich entstandenen Kosten sind bei Anlagen mit Heizkesseln nach den Anteilen am Brennstoffverbrauch oder am Energieverbrauch, bei eigenständiger gewerblicher Wärmelieferung nach den Anteilen am Wärmeverbrauch zu bestimmen“. Satz 2 bildet mit § 3 a Punkt 1 EnEG die Grundlage einer Energiebilanzierung auf der Grundlage des 1. und 2. Hauptsatzes der Wärmelehre.
Eigentumsrechtliche Gründe
Aus der Verpflichtung zur Energiebilanzierung ergeben sich folgende zu beachtende eigentumsrechtliche Regelungen:
Festlegungen zu den Übergabepunkten zu den eingespeisten und den verbrauchten Energiemengen im Gebäude,
Festlegungen zu den eigentumsrechtlichen Regelungen bei den Anlagen zur Wärmeerzeugung oder zu den Übergabestationen (Hausanschlussstationen).
Die Nichtbeachtung von eigentumsrechtlichen Regelungen oder Bestimmungen führt zu fehlerhaften Heizkostenberechnungen.
Energetischer Bilanzansatz
a) Allgemein gültiger Ansatz
Zur Bestimmung des Energieverbrauches bei verbundenen Anlagen in einem Gebäude sind folgende (alle messbaren) Energiemengen zu erfassen:
die Wärmeenergiemenge zur Beheizung von Räumlichkeiten,
die Wärmeenergiemenge zur Aufheizung von Kalt- (Frisch-) zu Warmwasser,
die Wärmeenergiemenge zur Aufheizung von Außen- (Frisch-) luft zu Warmluft zum Zwecke einer Beheizung von Räumen (Warmluftheizung), diese Form der Beheizung ist selten anzutreffen,
der Elektroenergieverbrauch.
Der Elektroenergieverbrauch einer Wärmeversorgung, als Hilfs-energie, ist nach dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre, mit in den Bilanzansatz von (1) aufzunehmen. Nach der HeizkostenV wird der Elektroenergieverbrauch den Nebenkosten zugeordnet. Der gewählte Ansatz in der HeizkostenV entspricht nicht dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre. Folgender Bilanzansatz muss gelten:
E = QH + QWW + EELT(1)
Aus der Bilanzgleichung ergibt sich die Notwendigkeit einer Nachrüstung von wärmetechnischen Messsystemen in den einzelnen Teilsystemen eines Gebäudes.
b) Bedingungen für eine objektive Energiebilanzierung
Eine objektive Energiebilanzierung ist nur möglich, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:
quantitative Erfassung aller Energieverbrauchswerte
Entsprechend dem § 3 Abs. 1 EnEG sind für die heizungs-, raumlufttechnische und Warmwasserversorgungsanlagen alle Energiemengen als Input- und Outputmenge für die verschiedenartigen verbundenen Anlagensysteme messtechnisch zu erfassen. Die im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz Gas NZV [2] zu bildenden Bilanzzonen innerhalb eines Gebäudes bilden die Grundlage bei der Berechnung der Heizkosten. Sie bilden gleichzeitig die Abrechnungseinheiten bei der Kostenermittlung. Eine Bilanzzone umfasst mindestens ein Teilsystem (Heizkreis).
quantitative Erfassung der Hilfsenergie Elektroenergie,
quantitative rechnerische Bestimmung der Energieverluste.
Für den Verbraucher (Mieter) müssen die erforderlichen Daten nachvollziehbar (Transparenzgebot) auf der Abrechnung dargestellt sein.
c) Anwendung
In der Praxis wird die Formulierung des § 9 HeizkostenV Abs. 1 Satz 2 n. F., der die Grundlage der Energiebilanzierung bildet, erhebliche Probleme bereiten, da
z. B. folgende energierechtliche und energie-ökonomische Zusammenhänge fehlen:
kein Verweis, dass die beiden Hauptsätze der Wärmedynamik bei der Kostenermittlung verbindlich anzuwenden sind,
keine Hinweise, dass die energierechtliche Vorschrift § 3a EnEG die Grundlage der Kostenermittlung sein muss,
keine Aussagen über die Größe der nicht vermeidbaren Energieverluste eines Wärmeversorgungssystems,
keine Aussagen, wie die ins Wärmeversorgungssystem eingekoppelte regenerative Energien und Abwärme energetisch und fiskalisch zu bewerten sind.
Energieverluste
a) Allgemein
Nach § 3 Abs. 2 EnEG müssen Energieverluste von Wärmeversorgungssystemen im Gebäude bei der Energiebilanzierung und somit auch bei der Berechnung der Energie- bzw. Heizkosten berücksichtigt werden. Aussagen zur Ermittlung und Begrenzung fehlen in der HeizkostenV 2009. Die im § 3 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz EnEG genannte Formulierung „damit vermeidbare Energieverluste unterbleiben“ beinhaltet nur einen pauschalen Grenzwert.
Energieverluste lassen sich nur rechnerisch nach (2) ermitteln.
EV = E – EN(2)
EN Nutzwärmeenergiemenge Heizung
EV Energieverluste
E Energiemenge
Die Energieverluste in einem Gebäude lassen sich in nicht vermeidbare und vermeidbare Verluste einteilen. Als vorläufiger Grenzwert für die nicht vermeidbaren Energieverluste gelten 15 % vom Gesamtenergieverbrauch. Dieser Wert wurde aus Heizkostenauswertungen ermittelt. Aus § 3 Abs. 2 Satz 2 EnEG ergibt sich die Verpflichtung des Betreibers der Wärmeversorgung auf ständige Kontrolle und Einhaltung des Grenzwertes.
b) Anwendung bei verbundenen Anlagen nach § 9 HeizkostenV
Bei verbundenen Anlagensystemen treten in den beiden Teilsystemen Heizung und Warmwasser unterschiedliche Energieverluste auf. Der Begriff „vermeidbare Energieverluste“ § 3 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz EnEG gilt für beide Teilsysteme. Der Satz 2 Abs. 1 des § 9 HeizkostenV beinhaltet ein MUSS zur Energiebilanzierung, denn zu einer Heizkostenberechnung gehört die richtige Ausweisung, also die genaue messtechnische Erfassung von Nutzenergieverbrauchen der einzelnen Teilsysteme und somit die Ausweisung der Energieverluste.
Der Satz 2 Abs 1 des § 9 HeizkostenV entspricht den Aussagen der beiden Hauptsätze der Wärmedynamik sowie dem Inhalt des § 3a EnEG und bezieht sich auf die gesamte Wärmeversorgungsanlage eines Gebäudes.
Die Kosten der jährlichen Energieverluste sind für alle Verbraucher (Mieter) im Sinne § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB zu berechnen und gleichmäßig zu verteilen. § 9 Abs 1 Satz 5 HeizkostenV enthält eine Öffnungsklausel, womit andere Verfahren zur Energiebilanzierung und somit zur Bestimmung der Energieverluste angewendet werden können. Die Öffnungsklausel ist nur anzuwenden, wenn aus technischen Gründen keine Bestimmung der Energieverluste mittels einer Energiebilanzierung möglich ist.
Warmwasserversorgung
Die Messung der Wärmeenergieverbrauches Warmwasser hat nach § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV mittels Wärmezähler für jedes Warmwasserversorgungssystem einzeln zu erfolgen und ist entsprechend in den Heizkostenabrechnungen auszuweisen. Einbauort des Wärmezählers ist die warmgehende Anschlussleitung zum Warmwasserbereiter.
§ 9 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV enthält eine Ausnahmeregelung zur Ermittlung der Wärmeenergiemenge Warmwarmwasser, „wenn die Wärmemenge nur mit einem unzumutbaren Aufwand gemessen werden kann“. In diesen Fällen darf die Kostenrechnung nach dem Hilfsverfahren vorgenommen werden. Dieses ist der Fall, wenn die Anbringung von Wärmemessgeräten aus baulichen und technischen Gründen unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde. Die Gleichungen (3) und (4) im § 9 Abs. 2 gelten als Hilfsverfahren:
Q = 2,5 x V x (tw – 10)(3)
Q = 32 x AWoh(4)
Bezugsgröße der beiden Faktoren:
Faktor 2,5: volumenbezogener Wert in der Dimension (kWh/m3 K)
Faktor 32: wohnflächenbezogener Wert in der Dimension (kWh/m2AWoh)
Die beiden Faktoren 2,5 und 32 sind unrealistisch.
Gleichung (3) wurde aus der alten Fassung des § 9 HeizkostenV übernommen. In Kreuzberg/
Wien [3] wird erläutert, wie der Faktor 2,5 bzw. 2,0 in der alten Fassung zustande gekommen ist. Das Grundproblem besteht darin, dass der Wirkungsgrad in Gleichung (5) geschätzt wurde.
c x ρ / η = 2,5 bzw. 2,0 (kWh/m3 K)(5)
c spezifische Wärmekapazität (kWh/h K kg)
ρ Dichte Warmwasser (kg/m3)
η energetischer Verlustfaktor (-)
Vom Gesetzgeber wurde ein mittlerer energetischer Verlustfaktor von 0,46 angenommen. Da keine messtechnische Überprüfung dieses Verlustfaktors erfolgte, dürfte dieser fehlerbehaftet sein. Anzusetzen sind je nach Anlagensystem die jährlich messtechnisch ermittelten energetischen Verlustfaktoren. Jedes Warmwasserversorgungssystem weist auf Grund seiner Bauweise und Nutzung unterschiedliche Energieverluste auf. Der Wirkungsgrad η entspricht dem energetischen Verlustfaktor.
„Der Faktor 32 ergibt sich aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben, nämlich dem Nutzenergiebedarf für Warmwasser nach der Energieeinsparverordnung unter Berücksichtigung von empirischen Erkenntnissen der Abrechnungswirtschaft über Verluste für Verteilung und Speicherung sowie einer mittleren Aufwandszahl für den Wärmeerzeuger von 1,15.“ (S. 16, [5])
Werden die beiden Gleichungen des neuen § 9 als Hilfsverfahren eingesetzt, führt dieses zu einer Verfälschung bei den Energieverbrauchswerten und deren Kosten. Durch die Öffnungsklausel im § 9 Abs. 1 Satz 5 letzter Halbsatz HeizkostenV ist die Anwendung anderer Berechnungsmethoden möglich. Ein möglicher Ansatz zur Berechnung des Energieverbrauches Warmwasser wäre:
QWW = q WW x AWoh(6)
AWoh Wohn- oder Nutzfläche,
qWW spezifischer Wärmeenergieverbrauch Warmwasser
Die Ermittlung eines mittleren Wertes hat durch Datenauswertung von vergleichbaren Gebäuden (mit der entsprechenden Anlagentechnik) unter Beachtung deren Bewirtschaftung zu erfolgen.
Heizwerte
Die im § 9 Abs. 3 Punkt 2 HeizkostenV ausgewiesenen Heizwerte sind gerundete Daten, die nicht der Realität entsprechen. Anzusetzen sind Heizwerte des Energielieferanten oder Daten aus der einschlägigen Fachliteratur. Im letzten Absatz des Punktes 2 Abs. 3 des § 9 HeizkostenV ist eine Öffnungsklausel zur Verwendung von realen Heizwerten enthalten.
Eine Ansetzung der Heizwerte nach der HeizkostenV bedeutet eine Benachteiligung der Energieverbraucher (Mieter). Die vom Energielieferanten genannten Daten sind mittlere Werte, weil sich die chemische Zusammensetzung des eingesetzten Brennstoffes von Abbaugebiet zu Abbaugebiet geringfügig unterscheidet.
Heinrich Timm
Ingenieur für Heizungs-,
Lüftungs- und Sanitärtechnik,
19273 Tripkau