Die Zukunft gehört digitalisierter TGA

„Smart Buildings“ treiben Gebäudeautomation voran

Im Gewerbebau setzt sich das smarte Bauen immer mehr durch. „Smart Buildings“, also sich durch digitalisierte Technische Gebäudeausrüstung (TGA) selbst steuernde und verwaltende Gebäude, versprechen einen höheren Nutzen, mehr Energieeffizienz und Wertsteigerung. Planer müssen dafür umdenken und im besten Fall mit Building Information Modelling arbeiten. Bereits realisierte Gebäude bis hin zu ganzen Quartieren können als Vorbild dienen.

„Smart Buildings“ erfordern eine teils deutlich höhere Investition als Standardgebäude. Neben der Wertsteigerung gibt es nur eine einzige Möglichkeit, diese zu kompensieren, und zwar durch eine höhere Energieeffizienz. Zudem gilt, dass die Investitionen in ein smartes Gebäude bei Neubauten in der Regel niedriger sind als im Bestand. Dennoch gibt es auch bei Bestandssanierungen praktische Beispiele, wie diese auf smart und intelligent getrimmt werden können.

Neubau

Bei Neubauten kann die smarte TGA bis hin zur Künstlichen Intelligenz (KI) von Anfang an mitgeplant werden. Die Planungsmethode Building Information Modelling (BIM) kann hier eine gute Unterstützung bieten. Dabei werden im besten Fall alle wesentlichen Gebäudedaten in einem digitalen Zwilling hinterlegt, auf den am Bau Beteiligte  Zugriff haben können. Dieser Zwilling kann später auch der digitalen Steuerung und Verwaltung des Gebäudes dienen. Nachfolgend einige Projektbeispiele.

Future Living:
Wissenschafts- und Technologiepark in Berlin

Der zukünftig größte Wissenschafts- und Technologiepark Deutschlands entsteht gerade in Berlin-Aldershof. Auf dem Future Living Berlin (www.future-living-berlin.com) werden einmal 23.000 Menschen arbeiten, über 6.500 studieren und mehr als 1.200 Unternehmen sowie wissenschaftlichen Einrichtungen in komplett digital gesteuerten und automatisierten Gebäuden angesiedelt sein. Hinzu kommen 90 Wohnungen, die ebenfalls digital ausgestattet sind und über einen Wohnungsmanager gesteuert werden.

Die Energie für den Wohnbereich im smarten Quartier kommt zu 40 % von 600 PV-Panelen auf den Dächern, die insgesamt 195 kWp leisten. Damit werden 17 Luft-Wasser-Wärmepumpen betrieben. Eine Wärmerückgewinnung wird über Luft-Sole-Wärmepumpen gewährleistet. Pufferspeicher gibt es für Wärme, Kälte und Strom, letzterer mit einer Leistung von 156 kW. Alle Komponenten werden vollautomatisiert überwacht und gesteuert.

EUREF-Campus Berlin

Pionier in Sachen Smart Buildings und smarte Quartiere ist jedoch der EUREF-Campus, ebenfalls in Berlin. Seit 2007 wird er auf einem fünf Hektar großen Gelände in Schöneberg entwickelt. Von Anfang an gab es drei Schwerpunkte: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und digitale Steuerung der Gebäude und des gesamten Quartieres. 2019 zogen die letzten Großmieter ein, darunter die Deutsche Bahn mit ihrem Entwicklungszentrum, der Elektronik-Konzern Schneider sowie der Berliner Energieversorger Gasag, aber auch Telekommunikationsgigant Cisco.

Gesteuert wird das ganze Quartier energieoptimiert und smart über ein Microgrid, das wiederum geringe Betriebskosten für alle Mieter gewährleistet. Das gelingt auch durch die hohen Baustandards. Alle Neubauten sind mit den Standards LEED-Gold oder LEED-Platin zertifiziert, die nur an auch im Betrieb nachhaltige Gebäude verliehen werden.

Auf dem Gelände dürfen nur Elektrofahrzeuge verkehren, für die ein eigener Ladepark mit allen gängigen Ladesäulentypen installiert wurde. Auch dessen Strom wird eigens erzeugt und die Ladekapazitäten intelligent verwaltet.

Gesteuert wird die Energiezentrale, die aus insgesamt drei mit Biomethan befeuerten Blockheizkraftwerken sowie mehreren PV-Anlagen besteht, mittels KI und dem „Eco“-Tool. Das verarbeitet rund 1.000 Datenpunkte aus der Energiezentrale und den Gebäuden. Wettervorhersagen und Energiemarktdaten fließen in die Berechnungen ebenfalls mit ein.

EUREF-Campus Düsseldorf

Aufgrund des Erfolges in Berlin entsteht derzeit auch in Düsseldorf ein EUREF-Campus. Hier sollen einmal 3.500 Menschen arbeiten. Der Spatenstich erfolgte im September 2021. Auch dieses Quartier wird energetisch erneuerbar versorgt und smart gesteuert.

Bei der Energieerzeugung geht die Düsseldorfer Variante sogar noch weiter als das Berliner Vorbild. An den Fassaden werden Bioreaktoren angebracht, in denen Algen wachsen. Diese verbrauchen CO2 und produzieren Sauerstoff und Wärme. Als Redundanz dient das Fernwärmenetz Düsseldorfs. Auch hier werden alle Energieerzeuger in ein Microgrid eingebunden und von diesem gesteuert.

Sanierungen

Deutlich aufwendiger ist die Umsetzung smarter Technologien bei Bestandssanierungen. Der „Smart Meter“-Rollout, also der Einbau entweder digitaler Messgeräte bei kleineren oder kompletter intelligenter Messysteme bei größeren Stromverbrauchern, kann dabei unterstützend wirken. Denn man kann eine smarte TGA mit den Smart Metern verbinden. Besonders gut gelingt das, wenn ein Einbau intelligenter Messsysteme vorgeschrieben ist. Dann können alle anderen Medien und Energieträger darüber erfasst und gesteuert werden, also auch Lüftungs- und Klimaanlagen, Wasserverbräuche und Wärmeversorgung. Systeme wie KNX können dies bündeln und visualisieren. Passende Lösungen dazu wären etwa „Elvis“ von der Firma IT und EisBär-SCADA von Alexander Maier.

Installiert werden könnten dafür etwa Energiezähler der „iEM3000“-Serie von Schneider Electric. Diese elektronischen Drehstromzähler ermöglichen Energiemessungen über BACnet MS/TP-Protokolle, die in gewerblichen Gebäuden, Industriebetrieben und Rechenzentren schon heute weit verbreitet sind. Der Gebäudeautomationsklassiker BACnet ist generell in der Lage, Gebäudefunktionen zu vernetzen und zu steuern.

Mit so ausgerüstete Bestandsbauten können große Effizienzpotenziale gehoben werden. Gerade für den Bestand kommen als Energiemanagementsysteme (EMS) Lösungen wie „Wiser Energiemanagement“ von Schneider Electric infrage. Solche Systeme sind auch in der Lage, den Eigenverbrauch von selbst erzeugtem Strom signifikant zu erhöhen und damit Kosten einzusparen. In Zeiten wachsender Elektromobilität und angesichts der Tatsache, dass die Fahrzeuge zum größten Teil entweder zu Hause oder auf Arbeit geladen werden, bekommt dies noch eine besondere Bedeutung. Smart ausgerüstete Gebäude können Hierarchien beim Laden festlegen – je nachdem, wie ein Elektrofahrzeug eingesetzt wird, ob die Batterie leer ist oder nicht. Eine Einbindung ist über WLAN-Systeme, KNX und EEBus möglich.

Damit können die gewerblichen Bauherren die EU-Energieeffizienzrichtline (EED) und das Messstellenbetriebsgesetz erfüllen. Denn seit Herbst 2020 müssen Verbraucher, sofern es technisch möglich ist, unterjährig sowohl über Strom- als auch Wärmeverbräuche informiert werden.

Kommunikation per Funk oder Kabel

Bei Nachrüstungen im Bestand bieten sich vor allem Funkverbindungen zwischen den Messgeräten sowie Sensoren und Aktoren an. Allerdings können hier bei einer Nachrüstung Tücken lauern. Denn die Signale könnten durch starke Stahlbetondecken, wie im mehretagigen Gewerbebau üblich, beeinträchtigt werden. Ebenso könnten Elemente einer Betonkernaktivierung, wie Flächenheizungen oder -kühlungen, den Empfang erschweren. Dabei kann mit entsprechender Expertise zu Reichweitenmessungen und Interpretation der Messwerte auch in diesen Fällen eine stabile funkbasierte Installation gewährleistet werden.

Drahtgebundene Bus-Systeme, wie sie im Gewerbebau bereits weit verbreitet sind, kämen als Alternative infrage, sofern deren Auslegung für die neuen zu erfassenden Datenmengen geeignet ist. Möglich wären auch Funkverstärker auf den entsprechenden Etagen.

Was nach einer etwas besseren WLAN-Lösung klingt, weicht jedoch davon ab. Denn die Messwerte werden entweder direkt, etwa per KNX oder erst über M-Bus und dann auf den entsprechenden Standard, übermittelt und umgesetzt. Hersteller entsprechender Geräte sind z. B. Arcus-Eds, Lingg und Janke sowie ABB. Die Daten werden nicht in der Cloud gelagert, sondern in dem schon erwähnten Visualisierungssystem. Ein solches System wurde etwa von KNX in einem Berliner Bürogebäude mit 600 Arbeitsplätzen installiert.

Die Auswirkung einer smarten Gebäudeautomation auf die Gebäudeeffizienz ist in der Norm EN 15232 dokumentiert und kann mit dieser berechnet werden.

Planung und Installation haben sich dank neuerer Komponenten in den letzten Jahren deutlich verbessert. Sensoren und Aktoren können meist einfach per Plug-and-Play in Funkstandards wie WLAN oder LoWaRan (Long Range Wide Area Network) eingesetzt werden. Letzteres wird zunehmend von Kommunen genutzt, um ganze Quartiere zu vernetzen.

Setzt man auf Funkstandards, sollte mindestens eine Konnektivität von WLAN6 und 5G erreicht werden. Mittels Funkfrequenzkataster kann man ermitteln, ob das zu sanierende Gebäude in einem „Funkloch“ liegt oder funktechnisch gut versorgt ist. Wenn nicht, sollte eine eigene Funklösung installiert werden. Bei Sanierungen haben sich hier sogenannte Retrofit-Systeme durchgesetzt, die offen sind und letztlich alle gängigen Standards einbinden können.

Eine Steigerung wäre die Kombination solcher Installationen mit KI, also selbstlernenden Systemen, die sowohl die Verwaltung eines Gebäudes als auch dessen energieeffiziente Steuerung übernehmen können. In Deutschland sorgen derzeit vier Gebäude für Aufsehen, die KI nutzen: das Startup-Bürogebäude „The Ship“ in Köln, der digitale Zukunftscampus „Hammerbrooklyn“ in Hamburg, die Büroimmobilie „cube Berlin“ (siehe auch tab 4/2020 (www.tab.de/artikel/tab_Smart_Buildings_3516723.html)) und das Quartier Heidestraße, ebenfalls in Berlin. Einige Studien belegen hier 25 bis 30 % Energieeinsparungen bei Zweckbauten. Damit hätten sich die Investitionen für die komplette und smarte Technische Gebäudeausrüstung schätzungsweise nach fünf bis acht Jahren amortisiert.

Interview

tab fragt nach bei Prof. Michael Krödel

Prof. Dr. Michael Krödel, Leiter des IGT und Professor an der TH Rosenheim, ist Experte für Gebäudeautomation und -technologie

tab: Welche aktuellen Trends sollten Planer bei der Gestaltung einer TGA auf jeden Fall beachten?

Prof. Michael Krödel: Die Gebäudeautomation ist stark im Wandel. In der Raumautomation sollten nicht nur einfache Verknüpfungen zwischen Tastern und Leuchten geschaffen werden. Stattdessen sollten auch funktionalere Anforderungen umgesetzt werden können, etwa Lichtszenen, die individuelle Anpassung von Schwellwerten für Heizung oder Verschattung bis hin zur Smartphone-Visualisierung vom tatsächlichen Belegungsstatus von Besprechungsräumen oder Arbeitsplätzen. In der Anlagenautomation nehmen die Anforderungen zu, Sensorinformationen zusätzlich auszuwerten. Dies sind energetische Kennzahlen im Verhältnis zur tatsächlichen Gebäudebelegung oder die Durchführung von prognosegeführten Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten. In Summe werden alle Komponenten eines Smart Building ganzheitlicher miteinander vernetzt, um Sensordaten umfangreicher zu nutzen und Aktoren ganzheitlicher anzusteuern.

tab: Welche smarten Komponenten sollten auf keinen Fall in einem Neubau fehlen?

Prof. Michael Krödel: Ganz wichtig ist es darauf zu achten, dass die Komponenten der Feldebene in leistungsfähige Direct-Digital-Control-Systeme (DDC) integriert werden können. Hier sind Protokolle von Vorteil, die von mehreren DDC-Herstellern unterstützt werden. Dabei zeigt sich, dass viele Daten wie Fensterzustand, Arbeitsplatzbelegung etc. besser von funk- als BUS-basierten Sensoren erfasst werden können. Die DDC-Systeme müssen wiederum untereinander kommunizieren sowie an leistungsfähige IT-Systeme gekoppelt werden, da einige moderne Funktionen eher von einem Building Management System als von einem DDC-System verantwortet werden. Auch hier sollte auf moderne Kommunikationsprotokolle geachtet werden.

tab: Wie kann man den Bestand idealerweise mit einer smarten TGA nachrüsten?

Prof. Michael Krödel: Das schwankt natürlich sehr stark im konkreten Einzelfall. Eventuell wurde bereits ein Raumautomationssystem installiert, das aber nur einfache Funktionen umsetzt und somit keinen Controller umfasst. Diesen an zentraler Stelle nachzurüsten und an ein leistungsfähiges Building Management System anzubinden, ist dann relativ einfach. Sollte das Raumautomationssystem keinem offenen Standard entsprechen, müsste man die Sensoren und Aktoren austauschen, aber kann hoffentlich zumindest existente BUS-Kabel verwenden. Alternativ bietet sich der Einsatz funkbasierter Komponenten an. Parallel zur Raumautomation ist aber auch die Ertüchtigung der Anlagenautomation wichtig. Hier sollte man sinnvollerweise Pumpen, Stellantriebe oder die Steuerungen von Heizungs- oder Lüftungsanlage einbinden. Oft haben diese Komponenten keine passenden Schnittstellen, was einen Austausch nötig macht. Dies wiederum ist oft nicht wirtschaftlich. Daher empfielt sich eine individuelle Integrationsstrategie. Darin wird festgelegt, welche wenigen Komponenten unmittelbar und welche Komponenten erst bei einem zukünftigen Defekt getauscht werden.

tab: Welche Fallstricke sind dabei zu beachten?

Prof. Michael Krödel: Ein ganz wesentlicher Aspekt ist die konkrete Auswahl an Protokollen. Ganz wichtig ist darauf zu achten, dass raumseitige Komponenten über Schnittstellen in das DDC-System integriert werden können. In der Beziehung hat KNX als BUS-basiertes und EnOcean als funkbasiertes Protokoll die besten Voraussetzungen und zudem werden entsprechende Sensoren und Aktoren von vielen unterschiedlichen Herstellern angeboten. So oder so sollte frühzeitig festgelegt werden, welches konkrete Protokoll eingeführt wird, auch in Bezug auf die Kopplung zwischen den Controllern bzw. mit Anlagenkomponenten. Ganz wichtig ist die Festlegung auf BACnet/IP, OPC UA, Modbus TCP, MQTT oder andere. Wer dies nicht frühzeitig und übergreifend für alle Steuerungen im Gebäude festschreibt, wird später keine semantisch sinnvolle Kommunikation zwischen diesen Komponenten umsetzen können.

tab: Wo können sich Planer Hilfe holen, um sich in die Materie einzuarbeiten?

Prof. Michael Krödel: Zunächst ist es empfehlenswert, sich regelmäßig in Gesprächen mit Fachfirmen oder auf Messen auszutauschen. Dazu gehört natürlich auch die regelmäßige Lektüre von Fachartikeln oder Interviews wie diesem. Wichtig ist es zu erkennen, dass sich Anforderungen und Planungsprozesse über die Zeit ändern. Wenn jemand stolz behauptet, er kann auf zehn Jahre Berufserfahrung in der Planung der Gebäudeautomation zurückblicken, kann es sein, dass er es seit fünf Jahren nicht mehr zeitgemäß macht. Da hilft nur regelmäßiges Nachschärfen. Über unser Institut versuchen wir aber auch einen Beitrag zu leisten, etwa mit diversen Hilfsmitteln oder Vorlagen auf unserer Webseite. Für eine umfangreichere Weiterbildung bieten wir einen Vier-Tages-Lehrgang an.

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