Wärme und Strom im lokalen Smartgrid austauschen

Universität München simuliert Kombinationen von Wärme- und Stromerzeugern

Am Forschungszentrum für kombinierte intelligente Energiesysteme, dem Center for Combined Smart Energy Systems (CoSES) an der Technischen Universität München (TUM), werden Strom- und Wärmerzeuger für unterschiedliche Gebäudetypen in einer Praxissimulation zusammengeschaltet. Nahwärmenetze erleichtern es dabei, die jeweils optimale Betriebsweise für jedes Einzelgerät durch Energieaustausch zu erreichen. Dies ermöglicht eine Optimierung des Gesamtsystems aus zwei und mehr Häusern, sowohl nach Kosten als auch nach CO2-Emission.

Rund um die technische Gebäudeausrüstung gibt es diverse Ingenieursstudiengänge und Ausbildungsberufe, die energetische Zusammenhänge von Gebäuden wissenschaftlich erforschen und so Erkenntnisse für zukunftsweisende Gebäudetechniken gewinnen. Eines davon ist das im Munich Institute of Integrated Materials, Energy and Process Engineering (MEP) der Technischen Universität München beheimatete CoSES-Labor, das von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gefördert wurde.

Das Besondere am CoSES-Labor ist ein Microgrid mit einer detaillierten Nachbildung von vier Einfamilienhäusern und einem Mehrfamilienhaus, die mit verschiedenen realen Strom- und Wärmeerzeugern, Strom- und Wärmenetzen und „Power Hardware in the Loop“ (PHIL)-Emulatoren ausgestattet sind. Bei den Microgrids handelt es sich um regionale, in sich geschlossene intelligente Stromversorgungsnetze. Das Labor kann in Wärme-, Strom- und Kommunikationsebenen gegliedert werden. Jedes Haus repräsentiert einen Strom- und Wärme-Prosumer, also einen Konsumenten, der gleichzeitig Energieproduzent ist. Zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge binden auch das Verkehrssystem in die Laborumgebung ein. Teile des Labors wie der Wärmebedarf werden simuliert. Das Simulationsprogramm erhält dabei gemessene Werte, etwa Vorlauftemperatur und Volumenstrom des Heizsystems, und berechnet daraus z. B. die Rücklauftemperatur des Heizsystems. Diese werden dann in reale „Leistungsströme“ umgewandelt, beispielsweise durch Abkühlen der Rücklauftemperatur auf den Sollwert. Der Vorteil dieser Methode gegenüber Ansätzen mit aufgezeichneten Lastprofilen besteht in der direkten Rückmeldung – z. B. Temperatursenkung im Gebäude, sollte die Heizleistung nicht ausreichen – und dadurch in einem realistischeren Verhalten.

Vorzüge des Laborbetriebs gegenüber Feldversuchen

Grundsätzlich kann man Wärme- und Energiesysteme sowie die Auswirkungen veränderter Parameter natürlich auch im Feldversuch an realen Immobilien untersuchen. Da diese allerdings üblicherweise von nichtwissenschaftlich engagierten Bewohnern genutzt werden, lassen sich die gewonnenen Ergebnisse nicht normiert auswerten. Ebenso wenig sind beliebige Änderungen beispielsweise an Temperaturparametern möglich, weil sich diese stets unmittelbar auf das Komfortempfinden der Nutzer auswirken und somit nicht uneingeschränkt akzeptiert werden oder zuzumuten sind. Genau dies lässt sich jedoch in einem Labor wie dem CoSES durch den „Power Hardware in the Loop“ (PHIL)-Ansatz besonders gut untersuchen und problemlos für beliebig lange Zeiträume idealtypisch darstellen. So ermöglicht es in einer realitätsnahen Umgebung vergleichbare Bedingungen und reproduzierbare Ergebnisse.

Idealtypische Lastsimulationen im Labor ermöglichen Systemoptimierung

Alle Gebäude sind durch ein flexibles thermisches Netz verbunden, wodurch innovative Wärme- und Kältenetze untersucht werden können, beispielsweise kombinierte Wärme- und Kältenetze oder Wärmenetze mit mehreren Temperaturniveaus. Verschiedene Leitungslängen und Szenarien können dabei mithilfe eines Netzemulators und den PHIL für die insgesamt fünf Gebäude nachgestellt werden. Mit diesen Optionen hat das CoSES ein Alleinstellungsmerkmal unter den Forschungseinrichtungen zur Gebäudeenergietechnik.

Das Einfamilienhaus 1 ist mit einem 14-kW-Gasbrennwertkessel und mit einem „Neotower-2.0-BHKW“ von RMB/Energie ausgestattet. Das Gerät leistet zwischen 1,1 und 2,0 kWel sowie 3,8 und 5,2 kWth. Die Haustechnik umfasst außerdem einen Heizungspufferspeicher mit 500 l und einen Trinkwarmwasserspeicher mit 800 l. Hinzu kommt ein Lastemulator mit realer bidirektionaler Wärmeübergabestation.

Im Einfamilienhaus 2 wurde eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe mit einem Gasbrennwertkessel mit 14 kW kombiniert. Beide Häuser können gegenseitig in einem Wärmenetz Wärme austauschen. Das bietet diverse Möglichkeiten zum optimierten Einsatz. An kalten Tagen mit wenig PV-Einstrahlung lohnt es sich, das BHKW bei maximaler Leistung zu betreiben und Überschusswärme an Haus 2 zu liefern. An sonnigen Tagen kann es tagsüber hingegen sinnvoll sein, mit dem günstigen PV-Strom die Wärmepumpe zu betreiben und Haus 1 statt mit dem BHKW durch Haus 2 zu versorgen.

Das Mehrfamilienhaus ist mit einem 14-kW-Gasbrennwertkessel und einem „NeoTower-5.0-BHKW“ ausgestattet, die ihre Wärme in einen 2000-l-Pufferspeicher einspeisen. Bei hohen solaren Energieerträgen über die Photovoltaik wird die Leistung des BHKW tagsüber heruntergefahren. Wenn abends der PV-Ertrag abnimmt, wird die Leistung des BHKW wieder hochgefahren. Als Leistungsdaten des „Neotower 5.0“ gibt RMB zwischen 2,9 und 5,0 kWel sowie 9,2 und 12,0 kWth an.

Die BHKW erfüllten die Anforderungen optimal

Die Blockheizkraftwerke wurden wie alle Komponenten über ein Ausschreibungsverfahren ausgewählt. Zu den Anforderungen daraus zählten der Betrieb mit Erdgas, Brennwertnutzung, Leistungsmodulation, externe Steuerung und ein Leistungsbereich von 1,5 bis 2 kWel und 5 bis 6 kWel. Für die Wahl der „Neotower“ Blockheizkraftwerke sprachen am Ende auch noch weitere Gründe, unter anderem die hohe Verbreitung der Geräte im Markt und die einzigartig ausdifferenzierte Leistungspalette von 15 verschiedenen BHKW im Leistungsbereich zwischen 2,0 und 50,0 kWel, wodurch für jeden Einsatzzweck eine maßgeschneiderte Lösung zur Verfügung stand. Außerdem überzeugen die Geräte durch ihre kompakten Abmessungen, ihr geringes Geräuschniveau sowie ihre einfachen Anschlussmöglichkeiten dank der „Plug-and Play-Rückwand“.

Daniel Zinsmeister, M.Sc., wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TUM, lobt auch den erstklassigen Service des norddeutschen Herstellers. Von der Installation bis zur Inbetriebnahme sowie bei technischen Fragen wurde der gesamte Prozess durch den Werksaußendienst von RMB/Energie fachlich kompetent begleitet. Hinzu kommt das perfektionierte Anlagen-Monitoring im Betrieb, das vom Hersteller standardmäßig angeboten wird.

Erfahrungswerte

Im CoSES-Labor werden Regelungsansätze unter realistischen Bedingungen experimentell geprüft. Bei den Untersuchungen traten durchaus aufschlussreiche Erkenntnisse zutage: So muss ein BHKW nicht immer zur Grundlastversorgung eingesetzt werden. Je nach Intelligenz des Energiemanagement-Systems, Tageszeit, Verbraucher und PV-Leistung variiert die Wärmequellen- und Stromerzeugung.

Die gewonnenen Ergebnisse sind nicht nur spannend für Lehrende, Forschung und Industrie, sondern auch für Planer und Handwerk. Sie bringen Erkenntnisse, die auf andere Weise bislang noch nicht gewonnen werden konnten. Damit kann sich das CoSES-Labor sehen lassen, was von den Forschenden, aber auch von außenstehenden Experten bestätigt wird.

Mit dem Zwei-Häuser-Modell kann das grundlegende Prinzip der Simulationsanlage sowie die Anwendung und das komplexe Zusammenspiel aufgezeigt werden. Die Wärme- und Stromerzeuger wurden dabei so auf zwei Häuser aufgeteilt, dass eines vermehrt Stromtechnologien (Geb. 1) und das andere Wärmetechnologien (Geb. 2) besaß. Zunächst wurde für jedes Haus einzeln eine Optimierung auf Gebäudeebene durchgeführt, um zu simulieren, wie jedes Haus seinen eigenen Wärme- und Stromverbrauch am kosteneffizientesten decken könnte.

Gebäude 1 deckt seinen Wärmebedarf vollständig mit der Wärmepumpe, die damit den Stromverbrauch des Gebäudes erhöht. Dieser kann nicht vollständig durch Photovoltaik und Batteriespeicher gedeckt werden, sodass in gewissen Zeiten Strom vom Netz zugekauft werden muss.

Gebäude 2 betreibt sein BHKW (Wärme- und Stromproduktion) um seinen Strombedarf zu decken, da dies trotz des Wirkungsgrads von 25 % günstiger ist, als Strom aus dem Netz zu beziehen (4 kWh Gas ergeben hier 1 kWh Strom, kosten – alte Preise – aber bei 5,9 ct/kWh Gas nur 23,6 ct im vgl. zum Strom mit 30 ct/kWh). Dies führt in diesem Beispiel dazu, dass die Solarthermieanlage abgeregelt werden muss, da die vom BHKW gleichzeitig produzierte Wärme zur Deckung des Bedarfs beiträgt und die Wärmespeicher schon bald voll sind. Dann wird das BHKW unwirtschaftlich im Teillastbetrieb gefahren.

Im Weiteren werden die beiden Gebäude energetisch gekoppelt und kostenoptimiert gesteuert. An einem vergleichbaren Tag schaltet Gebäude 1 seine Wärmepumpenproduktion ab und nutzt stattdessen die BHKW-Wärme von Gebäude 2. Da das BHKW jetzt sein Potenzial besser abrufen und mit der nun voll produzierenden Solarthermie auch Gebäude 1 mit insgesamt 25 kWh Wärme mitversorgen kann, wird der Überschussstrom aus PV und dem BHKW-Betrieb für zusätzliche Erträge (15 ct/kWh) ans Netz verkauft. Somit können die Gesamtkosten im Verbund an diesem Referenz um 29 % reduziert werden – allerdings mit leicht höheren CO2-Emissionen.

Wird die Steuerung jedoch nach CO2-Einsparungen hin optimiert, ändert sich das Bild: Nun wird die Wärmepumpe zu einem hohen Grad mit zusätzlich eingekauftem Netzstrom genutzt und Strom und Wärme werden zur Deckung des Bedarfs von Gebäude 1 an Gebäude 2 geleitet. Auf den ersten Blick ist das verwunderlich, da der Emissionsfaktor für 1 kWh Strom aus dem Netz mit 474 g/kWh höher ist als die 202 g/kWh des BHKW-Primärenergieträgers Gas. Da allerdings mit 1 kWh Strom in der Wärmepumpe 3,8 kWh Wärme produziert werden, ist die Nutzung der Wärmepumpe klimafreundlicher: Beim BHKW würde bei gleicher Wärmeproduktion 5,8 kWh Gas verbraucht und demnach 1.181 g CO2 entstehen.

Das Beispiel verdeutlicht, dass die gewählten Optimierungskriterien einen großen Einfluss auf die Fahrweise haben. Eine kleine Veränderung hinter dem Komma bei Preisen und Effizienzen lassen die Entscheidung womöglich auch anders ausfallen. Genau deshalb bietet ein solches Planungswerkzeug eine wichtige Hilfestellung für die Planung von Multienergie-Quartieren und Gebäudeverbünden.

Den vollständigen Abschussbericht der TU München finden Sie unter: www.bit.ly/3xLk3sk .

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