Projekt zur Transformation der Industrieprozesse

Fraunhofer ISE entwickelt interaktives Tool zur Wärmepumpenwahl

Die Industrie steht vor der Herausforderung, in den kommenden Jahrzehnten ihre Prozesse von fossilen auf erneuerbare Energien umzustellen. Ein wesentlicher Baustein dabei sind Hochtemperatur-Wärmepumpen: Sie können mit hoher Effizienz industrielle Prozesswärme bis ca. 200 °C erzeugen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) untersucht hierfür verschiedene Industrieprozesse und bewertet die Eignung und Auswahl von Hochtemperatur-Wärmepumpen. Das Institut hat nun ein interaktives Onlinetool entwickelt, mit dessen Hilfe Unternehmen eine passende Wärmepumpenlösung für ihre Anwendung finden können. Das Projekt ist Teil des Leitthemas „Klimaneutrale Industrie“, einem Forschungsschwerpunkt des Fraunhofer ISE mit dem Ziel, zugleich zur Transformation der Industrie in Richtung Klimaneutralität die Wettbewerbsfähigkeit zu halten bzw. zu steigern.

Im Rahmen des Projekts »IdWPPro« hat das Fraunhofer ISE ein interaktives Onlinetool entwickelt, das verschiedene Wärmepumpenkonzepte unterschiedlichen Prozessen der Industrie gegenüberstellt.
Bild: Fraunhofer ISE / Michael Spiegelhalter

Im Rahmen des Projekts »IdWPPro« hat das Fraunhofer ISE ein interaktives Onlinetool entwickelt, das verschiedene Wärmepumpenkonzepte unterschiedlichen Prozessen der Industrie gegenüberstellt.
Bild: Fraunhofer ISE / Michael Spiegelhalter
Im Projekt „Identifikation von industriellen Wärmepumpen für die Prozesswärme (IdWPPro)“ haben die Forscher des Fraunhofer ISE im ersten Schritt bewährte Wärmepumpentechnologien kategorisiert. Die wesentlichen Eigenschaften waren der zugrunde liegende thermodynamische Kreisprozess, die verwendeten Verdichtertechnologien und die genutzten Kältemittel. Parallel dazu hat das Projektteam verschiedene Industrien im Hinblick auf ihren Prozesswärmebedarf analysiert. „Gerade bei Prozessen, die Temperaturen zwischen 100 und 200 °C benötigen, können Hochtemperatur-Wärmepumpen sinnvoll zum Einsatz kommen, insbesondere wenn gleichzeitig Kühlbedarf besteht“, sagt Projektleiterin Dr. Ursula Wittstadt.

Geeignete Wärmepumpe identifizieren

Basierend auf dieser Analyse haben die Wissenschaftler ein interaktives Tool entwickelt („Technologie-Landkarte“), das die verfügbaren Wärmepumpentechnologien relevanten Industrieprozessen gegenüberstellt. Die Online-Anwendung bietet zwei Visualisierungen: Die erste Grafik zeigt die verschiedenen Wärmepumpentechnologien abhängig von der Wärmeleistung und dem Temperaturbereich auf Seite der Wärmesenke. Die zweite Grafik bildet wesentliche Wirtschaftsbranchen und deren benötigte Prozesstemperaturen ab. Beide Grafiken sind so angeordnet, dass eine effektive Zuordnung möglich ist. Unternehmen können demnach anhand des Tools die für ihre Prozesse geeignete Wärmepumpe identifizieren.

Die Plattform richtet sich an Akteure aus Industrie und Gewerbe, die den klimaneutralen Umbau der Wärmeversorgung vorantreiben möchten, sowie an Hersteller von Wärmepumpen und Forschende. Sie bietet einen Überblick über unterschiedliche Systeme, eingeteilt nach Funktionsprinzip, Temperatur und Leistungsbereich. Auch können die nötigen Prozesstemperaturen für industrielle Prozesse (Reinigung, Kühlung, etc.) interaktiv abgerufen werden. Außerdem werden weiterführende Informationen über verlinkte Fact Sheets zu Kreislaufprozessen, Verdichtertechnologien und Kältemitteln bereitgestellt. Der zugrundeliegende Datenpool des Onlinetools wird kontinuierlich erweitert. Hersteller von Wärmepumpen und Komponenten sowie Akteure aus der Prozessindustrie können sich mit dem Fraunhofer ISE in Verbindung setzen, um ihre Daten in die Plattform integrieren zu lassen.

Neues Forschungsleitthema „Klimaneutrale Industrie“

Das Projekt ist Teil des Forschungsleitthemas „Klimaneutrale Industrie“, in dessen Rahmen das Fraunhofer ISE Unternehmen bei der Umstellung auf eine CO2-neutrale Energieversorgung unterstützt. Dazu gehört ein breites Portfolio an FuE-Leistungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bzw. steigern sollen. So können etwa Energieeinsparungen und die Nutzung von Abwärme die Betriebskosten nach Angaben des Instituts erheblich reduzieren. Zudem können Unternehmen durch eine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren sowie aktuelle und zukünftige regulatorische Anforderungen erfüllen.

Seinen Kunden bietet das Institut u. a. umfassende Prozessanalysen und -simulationen sowie die Beschreibung von möglichen Transformationspfaden unter Nutzung unterschiedlicher Technologieoptionen. Dazu zählt etwa die Installation einer betriebseigenen Photovoltaikanlage, mit der sich der Strombezug aus dem öffentlichen Netz senken lässt. Zudem kann mithilfe von Wärmepumpen oder Direktheizungen erneuerbare Prozesswärme oder -kälte erzeugt werden. Je nach Anwendung lassen sich Wärme- und Kältespeicher sowie Batteriespeicher vorteilhaft in das betriebseigene Versorgungssystem anbinden.

Um Nachhaltigkeitskonzepte ganzheitlich umzusetzen, nehmen die Forscher auch Wertstoffkreisläufe und die Aufbereitung von Industrieabwässern ins Visier. Abwässer sind oft nicht nur eine Abwärmequelle, sondern können auch wertvolle Reststoffe wie Metalle, Mineralien oder Säuren enthalten, die mit membran-basierten Anlagen zurückgewonnen und wieder genutzt werden können. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Die Projektseite finden Sie auf www.idwppro.ise.fraunhofer.de.

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