Konzepte für hochgradig energieautarke Gebäude
02.10.2024Mit zwei Vortragsabenden am 16. und 17. September 2024 rund um das Thema „Hochgradig energieautarke Gebäude“ hat das Unternehmen Moonich sein neues Kompetenzzentrum „3lectrify“ für die vollelektrische Energieversorgung von Neubauten und Bestandsgebäuden vorgestellt. Damit möchte Moonich zusammen mit einem regionalen Partnernetzwerk Konzepte für hohe Energieunabhängigkeit in Neubauten und Bestandsgebäuden inklusive der Planung, Beratung, Unterstützung bei der Finanzierung sowie Installation anbieten. Die hohe Energieunabhängigkeit in den Bereichen Haushaltsstrom, Komfort (Heizung, Warmwasser und Kühlung im Sommer) sowie Elektromobilität ermöglichen große Photovoltaik-(PV)-Anlagen auf Dächern und an Fassaden, Stromspeicher, Autarkieboiler sowie Infrarotheizungen. Einzugsbereiche von 3lectrify werden zunächst München, der Landkreis München und Oberbayern sein.
Mit zwei Vortragsabenden hat Moonich das neue Kompetenzzentrum 3lectrify vorgestellt.
Bild: Moonich / Johannes Wild
In seinen Vorträgen sagte Lars Keussen, Geschäftsführer von Moonich, u. a., dass die Ökonomie bzw. Wirtschaftlichkeit bei allen von 3lectrify entwickelten Konzepten im Mittelpunkt steht und auf dieser Basis umfangreiche Vorteile für die Umwelt und das Klima erreicht werden können. So sei bspw. Sanieren in vielen Fällen besser als Neubau, u. a. wegen der Kosteneinsparung durch die Weiternutzung von wertvollen Baumaterialien. Keussen sprach von den Vorteilen von Infrarotheizungen, dass diese schnell reagieren und einzelne Bereiche in Räumen effizient beheizen können. „Wir sind überwältigt von dem großartigen Feedback, das wir erhalten haben“, sagt Keussen. „Es ist für viele noch ein neues Konzept, aber es trifft einen Nerv und kann den Wunsch nach weitgehender Energieunabhängigkeit von Unternehmen und Privatleuten erfüllen.“ Keussen plant, weitere Vortragsveranstaltungen rund um hohe Energieautarkie anzubieten.
Enttechnisierung und radikale Vereinfachung
Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld aus Freiberg gilt als der Urheber dieses Bau- und Energiemodellen für hohe Energieautarkie. Er beschäftigt sich mit zukunftsfähigen Konzepten für das Bauen und Wohnen und seit vier Jahren integriert Leukefeld anstelle von Solarthermieanlagen Infrarotheizungen in die Konzepte für hohe Energieautarkie. Die Enttechnisierung und Vereinfachung der Technik sei sein Ziel – er begründete dies u. a. mit dem Handwerkermangel und der sinkenden Kaufkraft von Mietern. „Wir müssen dringend den technischen Aufwand und damit die Kosten auf der Hardware-Seite reduzieren“, sagte Leukefeld. „Damit werden die Systeme auch sicherer, langlebiger und widerstandsfähiger – Stichwort Resilienz.“
Wohnungswirtschaft, Energieversorger und Geldinstitute sind laut Leukefeld auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Den Fokus auf Solarstromanlage als Hauptenergiequelle begründet er mit dem Nahezu-Null-Grenzkosten-Ansatz. Dieser geht davon aus, dass die Produktionskosten vieler Güter und Dienstleistungen durch die Digitalisierung und die „Share Economy“, bei der das Teilen, Tauschen und Teilnehmen im Mittelpunkt steht, immer weiter sinken werden. Die Produktivität werde dermaßen steigen, dass die Grenzkosten gegen Null gehen. „Dadurch macht eine einst auf Knappheit gegründete Ökonomie immer mehr einer Ökonomie des Überflusses Platz“, ergänzt Leukefeld.
Übertragen auf die Energie könne schon aktuell Solarstrom aus großen Solarparks für 3 ct je kWh erzeugt werden. In zehn bis 15 Jahren wird Solarstrom noch günstiger sein, die Kosten auch für Solarstrom vom eigenen Hausdach würden gegen 1 bis 2 ct gehen, prognostiziert Leukefeld. Wenn Immobilienbesitzer einen Großteil der Energie für Wärme, Strom und Mobilität aus eigenen PV-Anlagen auf und an dem Gebäude decken, können sie diesen Preisvorteil Kunden weitergeben.
Beispiele zu Neubau und Bestand
Seitdem er sich auf dieses Konzept spezialisiert hat, hat Leukefeld Energiekonzepte für Gebäude mit rund 1.000 Wohnungen erstellt, berichtete er und stellte Projekte vor. Im Neubau ist das Mehrfamilienhaus in Ehingen bei Augsburg ein passendes Beispiel, welches im Winter 2022 fertiggestellt wurde. Eine erste Jahresenergiebilanz ergab, dass der Vermieter für die fünf Wohnungen in einem Jahr lediglich Energiekosten von rund 50 € für das gesamte Haus bezahlen musste. Den restlichen Energiebedarf für den Haushalts- und Technikstrom, die Infrarotheizungen und Autarkieboiler für das Warmwasser deckten die PV-Anlagen auf dem Dach und an der Fassade.
Im Bestand zeigte er die Sanierung eines Plattenbaus aus der DDR-Zeit in Aschersleben in Sachsen-Anhalt. Hier hat das städtische Wohnungsunternehmen einen Plattenbau mit dem Energiekonzept von Leukefeld saniert. 60 % des Energiebedarfs für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom in den 22 Wohnungen können mit Solarstrom gedeckt werden. Die Mieter zahlen eine auf fünf Jahre garantierte Flatrate-Miete von 11,50 €/m² inklusive Kaltmiete, Energie für Wärme und Strom und Elektromobilität und anderer Nebenkosten. Nach dem ersten erfolgreichen Bauvorhaben hat das Wohnungsunternehmen den zweiten Plattenbau direkt dahinter mit dem gleichen Konzept saniert.