„Anforderungen an das Trinkwasser wurden verändert“

Interview zur neuen Trinkwasserverordnung 2023

Der Rat der EU-Kommission hat in der Begründung zur EU-Trinkwasser Richtlinie unter anderem das Ziel definiert, das Vertrauen in Trinkwasser bei den Verbrauchern zu fördern. Die Trinkwasserverordnung 2023 wurde nun am 31. 03. 2023 vom Bundesrat verabschiedet. Inhaltlich gab es einige Änderungen, aber vieles ist auch altbekannt. Allerdings steht nun alles in anderen Paragraphen als bisher, sodass sich jeder neu orientieren muss. Dr. Peter Arens, Hygienespezialist beim Armaturenhersteller Schell, fasst die wichtigsten Eckpunkte zusammen.

tab: Was beim Blick in die neue Trinkwasserverordnung direkt auffällt, ist, dass sie fast drei Mal so viele Paragraphen hat wie bisher. Wodurch kam das zustande?

Dr. Peter Arens: Zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren wurde die Basisversion Trinkwasserverordnung vom 21. 05. 2001 nicht nur ergänzt, sondern vollständig neu aufgesetzt. Während die Trinkwasserverordnung bisher mit 25 Paragraphen auskam, sind es in der Neufassung 72. Doch keine Sorge, der Inhalt ist im Wesentlichen gleichgeblieben, aber die Lesbarkeit hat sich verbessert und vereinfacht. Hierfür ein Beispiel: Musste man früher immer nachsehen, ob eine Aussage auch für § 3 Absatz 2 e galt, also für die Trinkwasserinstallation, wurde nun unter demselben Paragraphen der Begriff der „Gebäudewasserversorgungsanlage“ bzw. „Trinkwasserinstallation“ eingeführt, der sich jetzt verbal in allen Paragraphen findet, die für die Trinkwasserinstallationen in Gebäuden gelten (§ 2 Begriffsbestimmungen 2. e)).

tab: Darüber hinaus wurden auch einige Begrifflichkeiten angepasst. Welche Wesentlichen sind neu für die TGA-Branche?

Dr. Peter Arens: Wirklich vollkommen neu ist keiner der Begriffe, aber es wurden verbale Vereinfachungen eingeführt, wie beispielsweise bezüglich des UsI (Unternehmer und sonstigen Inhaber einer Wasserversorgungsanlage). Er wird nun als das bezeichnet, was er schon immer war: als Betreiber (§ 2 Begriffsbestimmungen 3.). Dem geneigten Leser wird auch auffallen, dass nun „Trinkwasserinstallation“ nicht mehr mit Bindestrich geschrieben wird, wie in der DIN 1988. Ansonsten blieben die Begriffe weitgehend so, wie wir sie kennen: Trinkwasser ist Wasser für den menschlichen Gebrauch in seinen unterschiedlichen Nutzungsarten (§ 2 Begriffsbestimmungen 1.).

tab: Wurden die Anforderungen an das Trinkwasser verändert?

Dr. Peter Arens: Ja, bei einigen Parametern wie Blei oder dem technischen Maßnahmenwert für Legionellen wurden die Werte herabgesetzt. Darüber hinaus wurden einige neue Parameter wie beispielsweise PFAS aufgenommen, den sogenannten Ewigkeitschemikalien. Aber in den Grundzügen bleibt es dann bei der altbekannten Aufteilung der Anforderungen, jetzt jedoch in den Paragraphen 5 bis 8. Sie werden eingeteilt nach allgemeinen, mikrobiologischen, chemischen und radiologischen Anforderungen inkl. der Anforderungen an Indikatorparameter. Hier findet sich auch bereits der erste Verweis auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) für die Einhaltung der Wassergüte.

tab: Was ändert sich in Bezug auf die Einhaltung der Trinkwassergüte?

Dr. Peter Arens: Neu ist in § 8 „Anforderungen in Bezug auf Indikatorparameter“ der Absatz 3: „Trinkwasser soll nicht korrosiv wirken.“ Diesen Satz gab es bisher lediglich als Bemerkung bei den Parametern. Nun bekommt er eine höhere Bedeutung. Allerdings eröffnet diese Änderung auch einen neuen Interpretationsspielraum für die Umsetzung durch den Wasserversorger oder Betreiber von Trinkwasserinstallationen. Mit einer Einschränkung: Da es sich lediglich um eine Anforderung gemäß Trinkwasserverordnung handelt, sind hierdurch ausschließlich Korrosionsarten z. B. gemäß der Reihe DIN EN 12502 gemeint, die die Wassergüte gefährden, und nicht die, die zu einem Versagen eines Bauteils, zum Beispiel durch Entzinkung oder Lochkorrosion führen.

tab: Wo gelten diese Anforderungen an das Trinkwasser?

Dr. Peter Arens: Gemäß § 10 gelten die Anforderungen wie bisher am „Austritt aus den Entnahmestellen für Trinkwasser“ oder an einer Sicherungseinrichtung, wenn an dieser ein Apparat, wie z. B. eine Außenbewässerungsanlage oder ein Zahnarztstuhl, gemäß DIN EN 1717/DIN1988-100 fachgerecht angeschlossen ist.

tab: Welche Anzeigepflichten müssen Betreiber nun beachten und welche Fristen müssen bei Änderungsmeldungen eingehalten werden?

Dr. Peter Arens: Die Anzeigepflichten sind weitestgehend gleichgeblieben. Sie finden sich nun in § 11 und beziehen sich, wie bisher auch, auf Trinkwasserinstallationen im Rahmen einer öffentlichen Tätigkeit (§ 2) 9.), wenn diese beispielsweise neu errichtet, wieder in Betrieb genommen oder wesentlich umgebaut werden oder bei denen sich das Eigentum oder das Nutzungsrecht ändert. Unter § 11 (1) finden sich auch die Fristen für diese Änderungsmeldungen an das Gesundheitsamt von vier Wochen.

tab: Was hat sich insbesondere für Planer in der neuen Trinkwasserverordnung geändert?

Dr. Peter Arens: Eine Aussage zur Planung von Trinkwasserinstallationen findet sich in Kombination mit der Errichtung von Trinkwasserinstallationen in § 13 der neuen Trinkwasserverordnung. Wie bisher in § 17 beschrieben, dürfen für Trinkwasserinstallationen nur Werkstoffe und Materialien verwendet werden, die für diesen Zweck geeignet sind. Die zugehörigen Anforderungen sind nun in den Paragraphen 14 und 15 näher beschrieben. Dies hört sich für Fachplaner sicherlich sehr theoretisch an, hat aber eine hohe Bedeutung für seine Aufgaben: Denn in Trinkwasserinstallationen dürfen nur Produkte aus trinkwasserhygienisch geeigneten Werkstoffen und Materialien eingesetzt werden. Und die werden in Listen geführt, die sich immer mal wieder ändern. Daher macht es Sinn, im allgemeinen Teil der LVs einen Satz zu ergänzen, dass ausschließlich Produkte eingebaut werden dürfen, die den Bewertungsgrundlagen des Umweltbundesamtes entsprechen. Auf eine Datierung dieser Bewertungsgrundlagen sollte verzichtet werden, da dann immer die tagesaktuelle Version der sogenannten Werkstofflisten gilt. Dies ist umso wichtiger, da diese Listen zukünftig nicht mehr beim Umweltbundesamt erstellt werden, sondern bei einer europäischen Institution, der ECHA (Europäische Chemikalienagentur).

tab: Was ändert sich in Bezug auf Errichtung, Instandhaltung und Betrieb von Trinkwasserinstallationen?

Dr. Peter Arens: Auch diese Themen finden sich in § 13. Erneut wird auf die Pflicht zur Berücksichtigung der a. a. R. d. T. bei diesen Tätigkeiten hingewiesen. In Absatz 1 bekommt der Betrieb erstmalig nach den a. a. R. d. T. einen eigenen Satz, während Planung und Errichtung, wohl auch aufgrund anderer Verantwortlichkeiten, in einem anderen Satz zusammengefasst werden. Weiterhin finden sich in diesem Paragraphen 13 auch Anforderungen an die Kennzeichnung von Nichttrinkwasseranlagen und der Sicherung der zugehörigen Entnahmestellen.

tab: Legionella sind ja ein zentrales Thema, wenn es um Trinkwasserhygiene in Gebäuden geht. Wurden die Anforderungen zum Umgang mit Legionella spec. in der neuen Verordnung erweitert?

Dr. Peter Arens: Ja, Legionella spec. wird in der Trinkwasserverordnung vermehrt beleuchtet und es gibt nun mehrere Paragraphen, die dieses Bakterium bereits im Titel führen. Aber auch in anderen Paragraphen kommt Legionella vor, sie alle zu erläutern, würde an dieser Stelle allerdings zu weit führen. Der erste Paragraph mit „Legionella“ im Titel ist § 31 „Untersuchungspflichten in Bezug auf Legionella spec.“ Hierin finden sich unter anderem die Festlegungen, welche Anlagen unter welchen Bedingungen untersuchungspflichtig sind. Erhalten geblieben ist auch die Untersuchungspflicht bei neu in Betrieb genommenen Trinkwasserinstallationen im Rahmen einer gewerblichen (§ 2, 8.) oder öffentlichen Tätigkeit (§ 2, 9.). In diesem Fall muss der Betreiber ohne Aufforderung durch das Gesundheitsamt, also eigenständig, frühestens nach 3 Monaten und spätestens nach 12 Monaten eine Legionellenuntersuchung veranlassen. In § 51 finden sich dann „Handlungspflichten des Betreibers in Bezug auf Legionella spec.“. Sie umfassen weitgehend die hinlänglich bekannten Pflichten bis hin zur „Risikoabschätzung“, die die bisherige „Gefährdungsanalyse“ zumindest begrifflich ablöst.

tab: Wie würden Sie abschließend die wichtigsten Punkte der neuen Trinkwasserverordnung zusammenfassen? Was ist Ihr Fazit?

Dr. Peter Arens: Die neue Trinkwasserverordnung regelt in nunmehr 72 Paragraphen die Sicherung und Überwachung der Trinkwassergüte vom Erfassungsgebiet des Trinkwassers durch den Wasserversorger bis hin zur Abgabe des Trinkwassers durch den Betreiber an den Verbraucher. Insgesamt soll die neue Verordnung durch geeignete Maßnahmen das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität des Wassers für den menschlichen Gebrauch stärken. Wenn beispielsweise mehr Trinkwasser getrunken wird, sinken die Emissionen durch den verringerten Transport von Flaschen und es gelangt weniger Mikroplastik von Kunststoffflaschen in die Umwelt. Neben den altbekannten reaktiven kommt nun auch den proaktiven Maßnahmen, also ohne Überschreitungen der Anforderungen, eine deutlich höhere Bedeutung zu als bisher. Wir sind also auf einem guten Weg hin zum Wassersicherheitsplan WSP, bei dem auch Trinkwasserinstallationen in Gebäuden und deren fachgerechter Betrieb anlasslos und regelmäßig auf die Einhaltung der a. a. R. d. T. untersucht werden.

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