Das aktuelle Baurechtsurteil
Fehlende Planung „nicht gleich“ fehlerhafte PlanungDas OLG Frankfurt a.M. stellte mit dem Urteil vom 11.04.2022 – 29 U 155/21 fest, dass die Haftung eines Bauunternehmers wegen einer fehlenden Planung nicht durch ein Mitverschulden des Bauherrn gemindert wird, wenn der Unternehmer die Bauleistung von vornherein ohne eine ihm zur Verfügung gestellte Planung übernommen hat.
Zum Sachverhalt
Ein Bauherr ließ auf einem älteren Bestandsgebäude ein Staffelgeschoss mit zwei Penthouse-Wohnungen in Holzbauweise errichten.
Der Bauherr beauftragte den Unternehmer mit der Ausführung der Dachdecker-, Spengler- und Abdichtungsarbeiten.
Der Unternehmer begann mit der Ausführung der Arbeiten, ohne dass ihm zuvor vom Bauherrn eine Ausführungsplanung vorgelegt worden war.
Nach Ausführung der Arbeiten drang Wasser in die Konstruktion ein und führte zu erheblichen Beschädigungen an dem neugebauten Geschoss.
Ein Sachverständiger stellte fest, dass der Unternehmer einen Einschnitt in die Attika vorgenommen hatte, um einen Dachablauf zu erstellen. Auf die Herstellung des in diesem Zusammenhang notwendigen Anschlusses der Folienabdichtung an die Wasserfangkästen hatte der Unternehmer jedoch verzichtet, sodass ein Spalt entstanden war.
Der Bauherr verlangte von dem Unternehmer Schadensersatz.
Der Unternehmer berief sich auf eine mangelfreie Leistung und machte zudem geltend, es habe sich vorliegend um eine Sonderkonstruktion gehandelt, der Bauherr habe es versäumt, die hierzu notwendige Detailplanung der Sonderkonstruktion vorzunehmen. Insoweit stehe
die fehlende Planung einer fehlerhaften Planung gleich, woraus er ein Mitverschulden des Bauherrn ableitete. Das Landgericht
gab in erster Instanz dem Bauherrn Recht und bejahte einen
Schadensersatzanspruch zugunsten des Bauherrn gegen den Unternehmer.
Dagegen richtete sich die Berufung des Unternehmers.
Zur Entscheidung des OLG Frankfurt
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich in seinem Urteil vom 11.04.2022 dem Landgericht angeschlossen und dem Bauherrn Schadensersatz für die Feuchteschäden zuerkannt.
Dazu hat das Oberlandesgericht Frankfurt ausgeführt, der Unternehmer schulde eine funktionierende Abdichtung und Entwässerung der Dachflächen. Diesen werkvertraglichen Erfolg habe er nicht erreicht, weil aufgrund des Spaltes Wasser eintreten konnte.
Es hätte dem Unternehmen oblegen, dazu Sorge zu tragen, dass durch den Einschnitt kein Wasser in die darunterliegende Baukonstruktion eintreten könne. Zumindest hätte der Unternehmer als Abdichtungsexperte den Bauherrn auf das besondere Gefahrenpotential der von ihm erstellten Öffnung hinweisen und auf die Wichtigkeit einer fachgerechten Abdichtung aufmerksam machen müssen.
Der Unternehmer könne sich, so das OLG Frankfurt, nicht darauf berufen, keine Ausführungsplanung vom Bauherrn erhalten zu haben.
Zwar hatte der Sachverständige festgestellt, dass es sich bei der Abdichtung um eine Sonderkonstruktion handele, die einer detaillierten Planung bedurft hätte. Allerdings führe dieser Umstand dazu, dass dem Unternehmer keine Planung zur Verfügung gestanden habe, nicht dazu, dass der Bauherr ein Mitverschulden trage. Denn der Unternehmer habe sich zur Leistung bereit erklärt, ohne dass ihm Planungen zur Verfügung gestanden hätten. Damit habe er die Planungsverantwortung selbst übernommen, sodass eine fehlende Planung nicht mit einer (zum Mitverschulden des Bauherrn führenden) fehlerhaften Planung gleichgestellt werden könne. Dementsprechend hafte der Unternehmer zu 100 % für die entstandenen Feuchtigkeitsschäden.
Praxishinweis
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der ausführende Unternehmer in Ermangelung der Vorlage einer notwendigen Ausführungsplanung die Planungsverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen übernommen hat und er sich dann nicht darauf berufen kann, dass ihm keine entsprechende Planung zur Verfügung gestellt worden ist.
Es ist also genau zu überprüfen, wen die Planungsverantwortung trifft.
Dr. Achim Hering, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Bild: medlay, Jörg Kersten
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Mit 20 Rechtsanwälten, davon sieben Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.