Gebäudemanagementsystem im Fußballstadion

Nachhaltiger und wirtschaftlicher Betrieb

Arminia Bielefeld lässt die in die Jahre gekommene Schüco Arena grundlegend modernisieren. Dafür ist der Fußballzweitligist eine Technologiepartnerschaft mit Phoenix Contact eingegangen. Die Herausforderung des Projekts besteht darin, das Fußballstadion während des Spielbetriebs sukzessive mit moderner Technik auszustatten.

Beim Automatisierungsspezialisten aus Blomberg hat die Modernisierung des Stadions den Stellenwert eines Leuchtturmprojekts. Bis dato wurden die Schaltanlagen im Kabinentrakt saniert sowie eine Gebäudeautomation ebenso in anderen Stadionbereichen realisiert. Damit ist die Grundlage für neue Strukturen und Steuerungsmöglichkeiten geschaffen worden. Es herrscht Aufbruchstimmung bei den Arminen, das traditionsreiche Stadion in Bielefelder Innenstadtlage – das erste Spiel fand hier am 01. Mai 1926 statt – spürbar nachhaltiger zu betreiben. Auch bei der Deutschen Fußballliga DFL gehört Nachhaltigkeit zu den großen Zukunftsthemen und wird daher in die Lizensierung von Vereinen der ersten bis dritten Bundesliga einbezogen (Bild 1).

Exakte Raumtemperaturen

Mehr Komfort, mehr Optionen, mehr Effizienz – das sind die drei wesentlichen Verbesserungen, die sich mit der Digitalisierung bestehender Gebäude erreichen lassen. Ein Fußballstadion wie die Schüco Arena smarter zu machen, stellt alles andere als einen Selbstzweck dar. Vielmehr soll der Weg zum Sammeln möglichst umfassender Betriebsdaten eröffnet werden, um diese schließlich zu nutzbringenden Informationen zu verdichten. Denn mit den Daten lassen sich Betriebsabläufe verbessern und bedarfsgerechter steuern - bis hin zur Anbindung von Buchungssystemen, Spielplänen oder Wetterdaten.

In einem ersten Projekt installierten Projektteam-Mitarbeiter des Unternehmens einen neuen Schaltschrank im Kabinenbereich (Bild 2). Die darin verbaute Gebäudeautomationslösung ermöglicht es zukünftig, Raumtemperaturen exakt zu fahren und energieoptimiert zu halten. „Wir müssen ein gewisses Temperaturniveau sicherstellen – allein schon deshalb, damit sich die Spieler im Winter keinen Schnupfen holen“, erläutert der Projekt- und Lösungsentwickler Daniel Kloster von Phoenix Contact. Die Automatisierung der Heizungs- und Lüftungstechnik ist mit regelbaren Pumpen kombiniert, die die Kabinen aus dem Heizungsbereich mit ausreichend heißem Wasser versorgen. Dabei wird lediglich so viel Warmwasser geliefert wie gerade notwendig. „Auf diese Weise tritt keine Überhitzung der Heizungsversorgung im Vor- und Rücklauf auf. Die bedarfsgerecht gesteuerte Pumpenleistung trägt folglich zur Energieeinsparung bei“, fasst Frederik Busse, Projektleiter bei Phoenix Contact, zusammen. Solche Steuerungsmöglichkeiten gibt es aber nur, weil die Pumpen per Ethernet-Protokoll mit der Gebäudeautomatisierung verknüpft sind. Deren Kernelement bildet das IoT-basierte Gebäudemanagement-system „Emalytics“ des Automatisierungsspezialisten mit der offenen Steuerung „ILC 2050 BI“ (Bild 3).

Datentechnische Harmonisierung sämtlicher
Gebäudefunktionen

Das eingesetzte System bietet deutlich mehr, als unter einer klassischen Gebäudeautomation respektive umfassenden Gebäudeleittechnik (GLT) verstanden wird. Mit dem Managementsystem hat der Anbieter eine Lösung entwickelt, die die Disziplinen Gebäudeautomation, Energieerzeugung, Elektromobilität oder Raumbuchung flexibel miteinander verbindet. Durch deren Nutzung lässt sich der Betrieb der Arena in Zukunft ganzheitlich steuern, Wechselwirkungen werden erkannt und der Betrieb effizienter gestaltet. Die Offenheit des Systems schafft die Grundlage, später weitere Funktionen zu integrieren, bspw. ein Ladesäulenmanagement für Elektrofahrzeuge oder eine automatisierte Zuordnung von Verbrauchsdaten zu den einzelnen Cateringständen.

Eine Aufgabe der Lösung besteht darin, sämtliche Funktionen eines Gebäudes über den HLK-Bereich hinaus datentechnisch zu harmonisieren. Zu diesem Zweck müssen die verfügbaren Daten in ein einheitliches Format gebracht werden. Das Gebäudemanagementsystem reiht dazu keine Hardware-Interfaces aneinander, sondern verwendet softwarebasierte Funktionstreiber. Daher benötigt es weniger Platz im Schaltschrank. Darüber hinaus reduziert sich der Verdrahtungsaufwand, das vereinfacht die Modernisierung des Gebäudebestands. „Angesichts der anspruchsvollen Ziele vieler Betreiber gehört es zu unseren Leistungen, den Kunden bei einem so großen Projekt frühzeitig beratend zur Seite zu stehen“, erklärt Kloster. Die Arbeit innerhalb des sogenannten Smart Building Design stützt sich auf drei Ziele: Komfort steigern, Energieeffizienz verbessern und die Sicherheit in puncto IT-Security zu erhöhen.

Genaue Abrechnung von Nebenkosten

Eine smarte Gebäudeautomation ohne Restriktionen bei der späteren Nutzung: Für Arminia Bielefeld eröffnen sich neue Möglichkeiten, das Stadion auch außerhalb des Sports gewinnbringend zu betreiben. In einem zweiten Teilprojekt hat der Anbieter aus Blomberg in diesem Zusammenhang den sogenannten „16er“ modernisiert. Hierbei handelt es sich um einen multifunktional verwendbaren Raum mit gutem Überblick auf das Spielgeschehen. Außerhalb des Fußballbetriebs kann der „16er“ von Unternehmen oder privaten Gruppen für Veranstaltungen gebucht werden.

Um dort den entsprechenden Komfort in puncto Raumkonditionen zu bieten und vor allem Nebenkosten präzise abrechnen zu können, bedarf es einer Steuerungsintelligenz, die Messdaten sammelt und zu den erforderlichen Informationen verdichtet, z. B. in Form von Wasser- und Stromverbräuchen. Für die Nutzer der Arena sowie die eigenen Gebäudetechniker aus dem Facility-Management bedeutet die Einbindung der einzelnen Bereiche in das Gebäudemanagementsystem eine Entlastung bei der täglichen Arbeit sowie mehr Transparenz im Hinblick auf die Überwachung. So muss bspw. niemand mehr vor Ort nachsehen, ob das Licht in den Kabinen oder im „16er“ tatsächlich ausgeschaltet ist (Bild 4).

Schnelle Reaktion selbst auf kleine Auffälligkeiten

Der zentrale Zugriff auf die Gebäudetechnik mit einer einheitlichen Visualisierung lässt sich innerhalb des aktuellen Projektverlaufs ebenfalls als Basisarbeit bezeichnen. „Jetzt können wir die in das Managementsystem integrierte Klimatisierung und Beleuchtung von überall per Browser über Smart Devices steuern und überwachen“, freut sich Christian Venghaus, Projektverantwortlicher von Arminia Bielefeld. „Während des Spielbetriebs oder anderer Veranstaltungen hat unser Team alles im Blick und kann selbst bei kleinen Auffälligkeiten reagieren, ohne erst durch das gesamte Stadion laufen zu müssen“, führt der Leiter des Stadionbetriebs weiter aus (Bild 5).

Ambitionierte Projekte wie die Modernisierung älterer Fußballstadien lassen sich nur in einer engen Engineering-Zusammenarbeit umsetzen. Die Modernisierungsarbeiten sind auf etwa vier Jahre terminiert. Mit dem ersten Projekt auf der Schaltschrankebene ist der Anfang gemacht. Derzeit wird die Sensorik für die Verbrauchsmessung installiert. „Durch diese Geräte erhalten wir dann die Informationen, um weitere Effizienzverbesserungen realisieren und Nutzer außerhalb des Arminia-Umfelds ebenfalls verbrauchsgerecht abrechnen zu können“, schließt Venghaus ab (Bild 6).

Die tab fragt nach

Zwei Fragen an Bernhard Tillmanns, Director Global Industry Management Building Technology, Phoenix Contact Deutschland GmbH
 
tab: Welche technischen Mindestvoraussetzungen müssen gegeben sein, um das Gebäude- und Energiemanagementsystem „Emalytics“ vorsehen zu können?
Bernhard Tillmanns:
Bei „Emalytics“ handelt es sich um eine IoT-Plattform, die als IoT-Edge-Konzept auf den lokalen IT-Systemen des Anwenders installiert wird. Die Voraussetzungen sind also gleichzusetzen mit klassischen BMS-Systemen – dies allerdings integrierter in die IT-Infrastruktur des Anwenders. Nur so lassen sich die Vorteile des Systems gegenüber einer klassischen Gebäudeautomation (GA) auch ausspielen. Die Lösung fügt sich in die IT-Security-Policy des Betreibers ein, sodass die gesamten GA-Prozesse nach den Regeln der IT zugriffssicher gemanagt werden können. Security-by-Design ist hier die Antwort und gleichzeitig eine wichtige Differenzierung zu einem marktüblichen GA-System.
 
tab: Inwieweit unterstützt Phoenix Contact bei Bedarf die Anlagenplanung?
Bernhard Tillmanns:
Phoenix Contact unterstützt die Anwender ganzheitlich bei der Anlagenplanung – von der ersten Idee über die Entwurfs- und Ausführungsplanung bis zum Betrieb. Dies leisten wir durch unser Solution-Architektenteam, das in Partnerschaft mit im Markt eta-
blierten Planungsunternehmen die für den Anwender beste Lösung erarbeitet.

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