Industrie-Schornsteinkonstruktion im Kontext von Dampferzeugung

Planungsbestandteil einer Prozesswärme-Erneuerung

Das traditionsreiche Textilunternehmen Ettlin AG hat seinen Sitz in Ettlingen, wenige Kilometer südlich von Karlsruhe. Gegründet 1836 ist es nach wie vor in Familienbesitz. Die Gewinnung der Prozesswärme wird gegenwärtig erneuert und das geht auch einher mit einer außergewöhnlichen Schornsteinkonstruktion.

Früher trieb Wasserkraft die Spindeln und Webstühle an – auch heute noch liefert sie Strom für den energieintensiven Betrieb. Neben der Ergänzung mit Photovoltaik waren bis vor Kurzem immer noch zwei Großkessel aus dem Jahr 1995 Teil der Anlage, die für die Dampferzeugung benötigt wird. Ihr hoher Schornstein steht nach wie vor im denkmalgeschützten Gebäudekomplex. Und damit ist auch ein Teil der Anforderung an die Modernisierung genannt – zeitgemäße, sparsame Technik in die altehrwürdigen Gebäude zu bringen. In Zukunft wird für die Produktion kein Dampf mehr benötigt, daher hat man bei Ettlin den Einbau eines Spitzenlastkessels von zukünftig drei neuen vorgezogen. Dampf wird zur Heizung des Komplexes 202 benötigt und dient nach Beendigung der 2. Ausbaustufe zur Redundanz der installierten Flusswasser-Wärmepumpen. Dieser Herausforderung stellten sich die Engie Deutschland GmbH als Anlagenbauer und als Fachplaner Trippe + Partner Ingenieuregesellschaft mbH. In allen Fragen der Abgastechnik kam Schräder Abgastechnologie an Bord.

Energetisches Konzept

Von den beiden Altkesseln, Modell SKG mit einem Weishaupt-Brenner mit bis zu 8,5 MW Leistung, wurde zum Schluss nur noch einer für die Produktion und die Gebäudebeheizung betrieben. Im Zuge der Realisierung des Gesamtenergiekonzeptes sollte aus Effizienzgründen einer von drei Spitzenlastkesseln installiert werden. Dafür planten die Verantwortlichen mit einem Viessmann Vitomax mit 4,5 MW. Der Warmwasserkessel kann mit verschiedenen Brennstoffen betrieben werden. Bei der Ettlin AG kommen primär Gas und als Redundanz Öl zum Einsatz. Für den zukunftsfähigen Betrieb des Warmwasserkessels wurde in der Planung explizit darauf geachtet, dass dieser auch mit 100 % Wasserstoff betrieben werden kann.

Zum neuen Kessel war die passende Abgastechnik zu entwickeln. Laut Planer sollte der Schornstein am Kesselstandort mitten in das Gebäude eingefügt werden, da um das Kesselhaus kein Raum für einen Außenschornstein vorhanden ist. Ein Elementschornstein aus Edelstahl war wegen der Kesselgröße und der erforderlichen Schornsteinhöhe nicht möglich. Stattdessen wurde ein freistehender Betonschornstein vorgesehen, den Schräder Abgastechnologie zusammen mit dem Partner Fuchs Europoles fertigte. Der Auftrag umfasste neben der Planung und Auslegung auch die Anlieferung und Montage.

Planungseckdaten

Zu den Eckdaten der Anlage zählten: raumluftabhängiger Betrieb, Einfachbelegung, offene Mündung (Zeta = 0), Standardwerte für die Umgebungsluft-Temperaturen (zwischen - 24 und + 20 °C) sowie hinsichtlich der Druckbedingung 37 °C Umgebungsluft. Zusätzlich waren die relevanten Werte der Feuerstätte zu beachten, etwa die Abgastemperatur von 178 °C bei Volllast und 140 °C bei Teillast. Der Abgasstutzen wurde mit ca. 490 mm angegeben, der Übergang in konischer Form bei 60 °. Der Zugbedarf des Wärmetauschers für die Feuerstätte – 100 Pa bei Volllast und 72,1 Pa bei Teillast – wird vom Gebläsedruck der Feuerstätte kompensiert. Die Schornsteinhöhe von 16 m, davon ca. 8 m über Dach, ergab sich aus den Vorgaben der TA Luft und war eine Vorgabe des Bezirksschornsteinfegermeisters. Weitere Komponenten wurden integriert: die Verbindungsstücke, ein Abgasschalldämpfer und eine Implosionsklappe zur Verhinderung des Joukowsky-Stoßes, ein Druckanstieg, der bei zu schnellem Schließen einer Absperreinrichtung entsteht.

Details zum Schornstein

Der freistehende Schornstein weist außen einen Durchmesser von DN 1100 und innen von DN 900 auf. Fuchs Europoles setzt bei der Herstellung auf den sogenannten Schleuderbeton, der mit einer Wandung von ca. 80 bis 100 mm Stärke ausgeführt wird. Bei diesem Verfahren wird der vorgespannte Beton mit 20-facher Erdbeschleunigung an die Schalwandung der längs rotierenden Stahlformen gepresst und hochverdichtet. Am Ende des Schleuderprozesses steht ein Bauteil, das sich durch eine extrem robuste Struktur auszeichnet. Durch ihre enorme Tragkraft bis C140 können Schleuderbetonmasten mit sehr schlanken Durchmessern realisiert werden. Die Auslegung der Betonsäule erfolgte nach EN 13084-2. Anschlussöffnungen ließen sich an den definierten Stellen aussparen, etwa für die Revision und den Anschluss des Abgasstutzens.

Üblicherweise verfügt ein Betonschornstein über ein Fundament. Bei der Ettlin AG war jedoch eine besondere bauliche Situation gegeben: Unter dem Standort des Schornsteins befindet sich das Untergeschoss des Kesselhauses. Daher wurde in Absprache mit den Baubeteiligten eine Stahlbau-Sonderkonstruktion errichtet, um die Standfestigkeit und -sicherheit zu gewährleisten. Darauf wurde der Schornstein per Kran gesetzt und der Betonflansch mit 32 Schrauben befestigt.

Details zum eingesetzten Edelstahlrohr

In der Regel setzt Schräder 1,0 mm starken Edelstahl der Werkstoffnummer 1.4571 oder 1.4404 für das Innenrohr ein, kombiniert mit einer Dämmschale von 25 mm. Auf Wunsch oder bei besonderen Anforderungen ist der Werkstoff 1.4539 erhältlich. Das System ist feuchteunempfindlich und auch ohne Dichtungen druckdicht, denn das Rohrende wird konisch ausgeführt. Bei der erforderlichen Dimension des Schornsteins lieferte das Kamener Unternehmen ein Edelstahlinnenrohr in DN 700 an Fuchs Europoles, das in den liegenden Schornstein eingeschoben wurde. Die Abstandshalter stellen die Zentrierung und Hinterlüftung sicher. Alle Öffnungen waren gemäß den Vorgaben erstellt. Bei der Ettlin AG wurde vom Planer eine Höhe von 6,6 m für den Abgasstutzen vorgesehen, um darunter den Freiraum für andere Installationen und den Zugang zu Komponenten zu erhalten. Unterhalb des Stutzens befinden sich die Reinigungsöffnung und der Kondensatablauf für das Innenrohr, das demnach erst ab einer Höhe von 4,7 m beginnt und eine wirksame Höhe von 9,4 m aufweist. Die Kaminabdeckung, der Regenabweiser und Leiter samt klappbarem Podest an der Schornsteinmündung vervollständigen die Anlage. Die vormontierte Einheit wurde mit dem Lkw zur Ettlin AG gebracht und dort per Kran versetzt.

Verbindungsleitung und Komponenten

In die einwandige Verbindungsleitung waren zwei Bauteile einzufügen. Den Abgasschalldämpfer, der im senkrechten Abschnitt auf einem Metallgestell installiert wurde, hatte bereits der Planer vorgesehen. Die Implosionsklappe zum Schutz gegen einen Joukowsky-Stoß war ein Vorschlag von Schräder. Das Unternehmen wies auf die Konsequenzen bei einem Flammenabriss und dem folgenden plötzlichen Unterdruck hin: Ein Edelstahlrohr dieser Größenordnung zieht sich dann zusammen und nimmt irreparabel Schaden. Um dem vorzubeugen, integrierte der Schornsteinbauer, die Müller & Schwarz GmbH aus Riedhausen, die Implosionsklappe kurz vor dem Übergang der Verbindungsleitung in die Senkrechte. Dazu lieferte Schräder ein T-Stück in Sonderanfertigung. Alle Elemente der Verbindungsleitung wurden mit Klemmbändern gesichert.

Fazit

Die normgerecht ausgeführte Abgasanlage wurde von Oktober 2023 bis Februar 2024 installiert und in Betrieb genommen. Sie ist Teil des Gesamtenergiekonzeptes mit einem Großraumwasserkessel für die Umstellung der Wärmeerzeugung von Dampf auf Warmwasser. Mit dem Betonschornstein und den ergänzenden Bauteilen setzte Schräder zusammen mit dem Partner Fuchs Europoles das Projekt passgenau um. Wenn die zwei weiteren Spitzenlastkessel eingebaut werden, liegt die Blaupause für die Umsetzung schon vor.

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