Die Europäisierung der Berufsbildungslandschaft

Chancen nutzen angesichts drohenden Fachkräftemangels

Eine der Maßnahmen, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist bekanntlich die Akquirierung ausländischer Arbeitskräfte [1]. Die Ursachen des Mangels, Alterung der Gesellschaft und der Bevölkerungsrückgang sind jedoch nicht nur ein deutsches Phänomen. Nur für einige Staaten Europas wird noch ein positives Wachstum bis 2050 prognostiziert [2]. Deutschland liegt mit - 4,7 % im Mittelfeld der Verlierer. Die Werbung um ausländische Fachkräfte wird deshalb mittelfristig dem Wettbewerb unterliegen.

Laut Magazin Wirtschaftswoche [3] hatten 43 % aller Zuwanderer in 2010 einen akademischen und nur 11 % gar keinen Abschluss. Diese Zuwanderer stammen jedoch aus Europa und den USA. Asylbewerber hingegen stammen vorwiegend aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten. Hier ist von geringer Qualifikation auszugehen. Diese Menschen dem Arbeitsmarkt zuzuführen, wird die eigentliche Herausforderung sein.

Chancen trotz Fachkräftemangel

Um einen europäischen Arbeitskräftemarkt zu etablieren, sind inzwischen eine Reihe von Maßnahmen wirksam. Die Unterschiede in den Bildungssystemen der Länder werden nicht so schnell verschwinden, jedoch können die Hürden beim grenzüberschreitenden Austausch abgebaut werden.

Mit der Bologna-Erklärung von 1999 wurde der europäische Hochschulraum (EHR) beschlossen. Die Um­setzung ist lange diskutiert worden, die Entscheidung ist zugunsten Europas gefallen, der Dipl.-Ing. wurde geopfert. Seit geraumer Zeit bevölkern die Bachelor of Eng. unsere Unternehmen, wir müssen sie so weiter­entwickeln, wie der Markt sie braucht.

Laut Lissabon-Strategie aus dem Jahre 2000 soll Europa durch Investitionen in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden [4]. 2002 im Kopenhagen-Prozess [5] erklärten die EU-Staaten sodann einen einheitlichen Berufsbildungsraum durch

- Stärkung der europäischen Dimension der beruflichen Bildung,

- Verbesserung der Transparenz in Bezug auf natio­nale Systeme einerseits und berufsqualifizierende Abschlüsse andererseits,

- Erarbeitung gemeinsamer Instrumente zur Qualitätssicherung in der Berufsbildung,

- Entwicklung von Grundsätzen zur Validierung von informell und non-formal erworbener Qualifikationen und Kompetenzen sowie

- eine verstärkte internationale Zusammenarbeit in einzelnen Wirtschaftssektoren

zu schaffen. Die Zielsetzungen bis 2020 wurden im Kommuniqué von Brügge [6] im Dezember 2010 definiert. Schwerpunkt sollen primär nationale Systemreformen sein, die auf das duale betriebsintegrierte Ausbildungsprinzip setzen. Deutschland darf hier mit seinem Erfolgsmodell „Duale Berufsbildung“ eine Vorreiterrolle übernehmen. So geschehen mit dem Berufsbildungs-Kooperationsvertrag des Berliner Memorandums vom Dezember 2012, wonach 6 EU-Staaten das System der beruflichen Bildung nach deutschem Standard einführen wollen [7].

Bisher sind im Ergebnis dieser Bestrebungen mehrere Systeme entstanden, die Vergleichbarkeit schaffen.

Der Europass – einheitliche Darstellung für Qualifikationen und Kompetenzen bestehend aus Lebenslauf, Sprachenpass, etc.

Der Qualifikationsrahmen EQR/DQR der in acht Stufen sowohl Qualifikationen als auch Kompetenzen vergleicht

- Ein gemeinsamer europäischer Bezugsrahmen zur Qualitätssicherung (EQAVET)

- Die europäischen Leis­tungs­punktesysteme ECTS/ECVET, welche die grenzüberschreitende Bildungsmobilität ermöglichen

Das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist seit 2012 in Kraft

Getreu dem Motto „Dem Mutigen gehört die Welt“ sollte unsere Branche, die Technische Gebäudeausrüstung, nicht nur beim Thema Energieeffizienz Vorreiter sein, sondern auch bei der Berufsbildung.

Literatur

[1] BHKS Almanach 2012 Seiten 92-95
[2] http://tudresden.de/die_tu_dresden/zentrale_einrichtungen/zdw/lehrangebote/ringvorlesung/rv0708/Vortrag_Gans.pdf
[3] Wirtschaftswoche Nr. 36 vom 2.9.2013 Seite 6/7
[4] www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/EUGlossar/L/2005-11-21-lissabon-strategie.html
[5] www.bmbf.de/de/3322.php
[6] www.bmbf.de/pubRD/bruges_de.pdf
[7] www.bmbf.de/de/17127.php
[8] www.bmbf.de/pub/BMBF_Flyer_Anerkennungsgesetz.pdf
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