Nachhaltige Großküche in Wien
Küchenabwärme für die TGADie integral geplante Großküche im 23. Wiener Gemeindebezirk von magdas Social Business, einem Tochterunternehmen der Caritas der Erzdiözese Wien, ist der wohl unkonventionellste Gewerbebau von ATP Wien. Von hier aus werden wöchentlich bis zu 12.000 Portionen Essen für pflegebedürftige Menschen und Kindergarten- bzw. Schulkinder bereitet. ATP wurde nach gewonnenem Wettbewerb vom Auftraggeber engagiert, ein Betriebsgebäude mit energiewirtschaftlichem und soziokulturellem Vorbildcharakter zu schaffen.
Zur Stärkung der Eigenmarke und der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsfelder war in Wien die Schaffung eines Betriebsgebäudes für das neue Tätigkeitsfeld Essensproduktion und Catering gefragt. Aufgabe war die Konzeption eines logistisch funktionierenden Gebäudes im Erdgeschoss sowie eines innovativen und lebendigen Arbeitsumfeldes im Obergeschoss (Büro-, Besprechungs- und Aufenthaltsräume). Auch das Management und die Verwaltung von magdas sollten in dem neuen Betriebsgebäude untergebracht werden. Mit dem besten funktionalen Konzept inkl. Optimierung der Funktionsabläufe gewann ATP Wien im Jahr 2016 den geladenen, zweistufigen Wettbewerb für das Betriebskonzept der Zentralküche.
Im Oktober 2017 begannen bereits die Bauarbeiten in Wien-Liesing, im Süden der Stadt. Diese konnten im November 2019 nach einer intensiven Bauphase erfolgreich und ganz im Zeitplan abgeschlossen werden. Nach einer kurzen Test- und Eingewöhnungsphase wurde die Küche im Februar 2019 im Beisein zahlreicher Gäste schließlich offiziell eröffnet.
Seither werden hier wöchentlich bis zu 12.000 Portionen Essen für pflegebedürftige Menschen und Kindergarten- bzw. Schulkinder produziert. Künftig ist eine Verdopplung auf bis zu 25.000 Essen pro Woche geplant. Das Küchenteam besteht derzeit aus 35 Mitarbeitern, davon entsprechend dem sozialen Aspekt des Unternehmens bis zu einem Drittel aus Langzeitarbeitslosen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Sozial engagierte Architektur – eine Herzensangelegenheit
Neben der prämierten baulichen und gewerblichen Nachhaltigkeit diente insbesondere der soziokulturelle Symbolcharakter von magdas als Grundlage für die integrale Planung. magdas‘ neue Großküche ist ein nach modernsten Maßstäben gestalteter Arbeitsplatz und Begegnungsraum mit visuellem, akustischem und thermischem Komfort. E-Ladestationen für die Mitarbeiter sind dafür gleichermaßen beispielhaft wie ein Urban Gardening-Projekt aus recyceltem Altholz auf der Dachterrasse, das Mitarbeitern und Gästen offensteht. Arbeitsplatzkomfort und Barrierefreiheit zeichnen die soziokulturelle Qualität des Projekts zusätzlich aus. Rund um das Haus entstand ein vielfältiger Obstgarten mit Blumen und Sträuchern, die für gutes Absickern des Regenwassers sorgen. Im Sommer können Mitarbeiter und Besucher Obst und Gemüse in den Altholz-Hochbeeten des Gemeinschaftsgartens selbst ernten.
„Alte Pfannen“ in neuem Glanz
Einem ganzheitlichen Re- und Upcycling-Konzept folgend, besteht das Gebäude zu einem Teil aus Abbruch- und Entsorgungsmaterialien sowie aufbereitetem Altholz.
Nirgends ist wohl die Redewendung „Auf alten Pfannen lernt man kochen“ so treffend wie bei diesem Projekt. Nur, dass den „alten Pfannen“ eine ordentliche Portion neuer Glanz verliehen wurde: Upcycling ist das Kernthema der Großküche. Und damit ist weit mehr gemeint, als nur die Pfannen. Der Brandschutz und aufwendige Zertifizierungsprozesse hatten dem ambitionierten ursprünglichen Vorhaben, die Fassade des Obergeschosses zu 100 % aus recycelten Kunststoffpaneelen zu errichten zwar verhindert, doch in der Innenraumgestaltung fanden zahlreiche ausgemusterte und recycelte Bauelemente aus Abbruchprojekten und der Parkettboden eines ehemaligen Seniorenhauses der Caritas eine neue Verwendung.
In enger Zusammenarbeit mit den „materialnomaden“ wurde ein perfekt abgestimmtes Interior-Gestaltungskonzept aus Tischlerarbeiten und rückgeführten und aufgewerteten ReUse-Materialien umgesetzt, ohne dabei „das Auge zu überfordern“. Die auffällig gestaltete Paneelenwand in der Kantine war beispielsweise schon einmal eine Deckenverkleidung in einem ehemaligen Bürogebäude. Aber auch Einrichtungsgegenstände wie Hängeleuchten, Vollholzhandläufe, Türblätter und Türzargen, Postkästen und Natursteinplatten haben ein Vorleben und wurden in den magdas-Räumen mit Liebe zum Detail wiederverwendet und aufgewertet. Die recycelten, voll funktionstüchtigen mobilen Trennwände im Bürogebäude hauchen zusätzlich 1980er-Jahre-Flair ein und schaffen eine angenehme Arbeitsatmosphäre.
Energieeffizienz auf Haubenniveau
„Wir betrachten die Großküche wie ein Industriebauprojekt – ohne Schornstein, aber mit maximal möglicher Energierückgewinnung aus Abwärme“, so Architekt Lindner über die zukunftsweisende Haustechnik des Bauwerks. Besonders hoher Wert wurde daher auf die Energieeffizienz der Großküchentechnik inklusive Lüftung gelegt. Ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit sind „das Salz in der Suppe“ des gesamtheitlichen Energiekonzepts der TGA-Ingenieure von ATP, indem vorhandene Ressourcen und Energiequellen genutzt werden. Nachdem bekanntlich nichts so heiß gegessen wird wie gekocht, kommt ein energieintensives Cook & Chill-Verfahren zur Haltbarmachung der Speisen zum Einsatz. Dazu werden die Speisen vorbereitet und dann innerhalb von 90 Minuten auf 4 °C abgekühlt. Fertiggekocht werden die Speisen dann direkt vor Ort beim Kunden.
Die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) nutzt die anfallende Abwärme weiter. Diese wird zurück ins System gespeist und zur Warmwasserproduktion genutzt. Zudem wird die Abwärme der Großküche und insbesondere der Kühlanlagen für die der Heizung der Büro- und Personalräume im Obergeschoss genutzt. Dazu wird die gesamte Heizenergie für Lüftung, Warmwasser und statische Heizung ganzjährig aus der Abwärme der Kühler gewonnen.
Bei der magdas-Küche wurde also ein besonders hoher Wert auf die Energieeffizienz der modernen Großküchentechnik gelegt – Stichwort Abwärmerückführung. Ausgangspunkt für die besonders effiziente Nutzung der vorhandenen Energiequellen bei der magdas-Küche ist das Chill-Verfahren, das zur Haltbarmachung der Speisen angewandt wird. Nicht der heiße Dampf des normalen Kochvorgangs wird genutzt, sondern jene Abwärme, die durch die Schockkühlung der Speisen entsteht. So erfolgt die Versorgung des Gebäudes mit Heizenergie hauptsächlich über eine Auskopplung der Abwärme aus der Gewerbekälte-Anlage und der Abwärme des Klima-Kaltwassersatzes. Hierbei wird die Abwärmeleistung der Rückkühler in einem System aus Warmwasserspeichern gepuffert. Über die Pufferanlage werden sämtliche Anlagen mit Niedertemperaturheizung – wie z.B. die Heizdecke in der Kantine und in den Büros, die Heizkörper in den Nebenräumen und die Fußbodenheizung im Umkleide- und Duschbereich – mit Wärme gespeist. Für die Beheizung an den Wochenenden oder während Betriebsunterbrechungen – d.h. wenn keine Abwärme in den Pufferspeichern vorhanden ist – sind elektrische Heizregister in den Pufferspeichern vorgesehen. Das Warmwasser wird ebenfalls aus diesem Puffer beheizt. Die Lüftungsanlagen sind mit hocheffizienten Kreuzstromwärmetauschern ausgestattet.
Eine Photovoltaikanlage mit 55 Modulen mit je 270 Wp auf dem Dach sorgt für die zusätzliche Stromversorgung des Produktionsbetriebs. Damit beträgt die Gesamtleistung der 147 m2 großen PV-Anlage 14,85 kWp.
Die unkonventionellen Lösungen im Bereich der TGA entwickelte ATP Wien über den gesamten integralen Planungsverlauf hinweg gemeinsam mit den Nachhaltigkeitsexperten von ATP sustain und den „materialnomaden“.
Integrale Planung mit BIM
„Zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei“ – das gilt nicht nur in der Küche. Damit genau dies bei einem so komplexen Hochbauvorhaben wie magdas nicht passiert, setzte der Bauherr auf eine integrale Planung mit BIM aus einer Hand durch ATP Wien. Die schnittstellenfreie Zusammenarbeit der unterschiedlichen Planungsdisziplinen Architektur, Tragwerksplanung, Technische Gebäudeausrüstung und Objektüberwachung führte zu einer hohen Qualität, zu Kosten- und Terminsicherheit sowie zu einer deutlichen Effizienzsteigerung in der Planung und Ausführung, was mit der Reduktion des bei nicht integraler Planung immanenten Verschwendungspotentials am Bau einhergeht.
„Durch die Kraft der Integralen Planung ist es uns gelungen, unser Architektur- und Ingenieurswissen in nachhaltiger und wirtschaftlicher Verantwortung einzusetzen. Wir konnten das Großküchenprojekt in-time, in-budget und in-quality fertigstellen“, unterstreicht Horst Reiner, Geschäftsführer von ATP Wien, das ideale Zusammenspiel aus sozialem Handeln und wirtschaftlichem Erfolg für alle Beteiligten.
Durch die frühe Einbindung der Nachhaltigkeitsexperten von ATP sustain in den integralen Planungsprozess konnte das Forschungsteam maßgeblich zur Planung der Bauphysik sowie zur Gebäudezertifizierung beitragen und planungsbegleitend in der Beratung zu Energie und Nachhaltigkeit tätig werden. Die Anforderung des Bauherrn, ein Betriebsgebäude mit energiewirtschaftlichem und soziokulturellem Vorbildcharakter zu schaffen, konnte so in bestem Maße realisiert werden.
Nachhaltigkeitszertifizierung in Gold
„Im Vordergrund steht ein logistisch, funktionierendes Gebäude, welches die Bedürfnisse der Menschen achtet“, beschrieb die Jury das Projekt bereits in der Wettbewerbsphase. Mit 961 von 1.000 Punkten wurde die von den Großküchenspezialisten bei ATP Wien geplante Küche magdas durch energieeffiziente Kücheneinrichtungen, den Einsatz von Best Available Technology sowie gute Messergebnisse der Raumluftqualität im Vergleich zum Planungszertifikat (940 Punkte) sogar noch mit einer Punktesteigerung belohnt. magdas ist somit das bis dato mit den meisten Punkten nach Fertigstellung mit ÖGNB-Gold ausgezeichnete Gewerbegebäude in Österreich.
Integrale Planung: ATP architekten ingenieure (Wien)
Wettbewerb: 08/2016
Baubeginn: 10/2017
Fertigstellung: 11/2018
Eröffnung: 02/2019
Auftraggeber: magdas Social Business
der Caritas der Erzdiözese Wien
Ort: Siebenhirten, Wien, AT
Gesamtprojektleitung: Florian Schaller
Wettbewerb: 2016
BGF: 3.200 m2
BRI: 15.800 m3
magdas Social Business wurde 2012 von der Caritas der Erzdiözese Wien gegründet und umfasst magdas Hotel, magdas Reinigung, magdas Essen und magdas Recycling. Das Unternehmen bietet Chancen für Menschen, die geringe, ja manchmal sogar keine, Chancen auf einen Job haben. Derzeit sind rund 200 Mitarbeiter bei magdas Social Business beschäftigt. Die Projekte tragen sich selbst, Gewinne werden wieder reinvestiert. Förderungen werden nur in Anspruch genommen, wenn sie auch anderen privaten Unternehmen offenstehen.