Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 10

Keine Schuld am Mangel – Aufwand wird erstattet?

Ein Fall, wie er jeden Tag vorkommt: Ein Auftraggeber ruft an und rügt einen Mangel, den er auf das Gewerk des Auftragnehmers zurückführt. Der Auftragnehmer schickt einen Monteur. Der überprüft mit beträchtlichem Zeitaufwand die Situation und stellt fest, dass die Ursache ganz woanders liegt oder schon gar kein Mangel vorliegt. Nach meiner Einschätzung geht die knappe Mehrheit der am Bau Tätigen davon aus, dass in einem solchen Fall einer unberechtigten Mangelrüge der Überprüfungsaufwand vom Auftraggeber erstattet werden muss. Ist das richtig oder nicht?

Wie so oft kommt es darauf an. Der Grundsatz ist erst einmal folgender: Wenn der Auftraggeber einen Mangel rügt, erwartet er eine kostenfreie Nachbesserung, die ihm im Falle eines Mangels natürlich auch zusteht. Eine Mangelrüge ist also ganz sicher kein Auftrag und der Aufwand kann auch dann nicht als Auftrag abgerechnet werden, wenn der Kunde sich geirrt hat. Der Auftraggeber muss die Ursache eines Problems nicht selbst aufklären. Umgekehrt „muss“ natürlich der Auftragnehmer auch nicht kommen und die Sache überprüfen, wenn er sich schon aus der Ferne seiner Sache sicher ist. Er riskiert rechtlich nur etwas, wenn sich später herausstellt, dass er falsch lag. Dann trägt er z. B. die Kosten der Ersatzvornahme durch Dritte oder muss für eintretende Folgeschäden aufkommen. Daher ist der Auftragnehmer in einer Zwickmühle, aus der ihn das Gesetz auch nicht befreit.

Es gibt wohl Ausnahmefälle, in denen der Bauherr schon bei geringer Sorgfalt erkennen muss, dass es sich gar nicht um einen Mangel des Auftragnehmers handeln kann. In solchen Fällen hört der Spaß dann schon mal auf und es gibt zumindest einen Schadensersatzanspruch des vergeblich anrückenden Auftragnehmers. Aber das sind, wie gesagt, Ausnahmefälle. Allzu viel Expertise darf man da von seinen Kunden meist nicht verlangen.

Die Rechtslage ist dann anders, wenn vor der Durchführung der Mangeluntersuchung über die Frage der Untersuchungskosten gesprochen wird. Wie immer können die Parteien eine Vereinbarung treffen. Typischerweise sieht diese so aus, dass die Arbeit bezahlt wird, falls sich herausstellt, dass der Auftragnehmer nicht verantwortlich ist. Weil das tatsächlich öfter so verabredet wird und im Zweifelsfall auch vernünftig ist, denken viele, das würde automatisch gelten. Aber das ist falsch. Der Auftragnehmer muss schon unmissverständlich ankündigen, dass er nur unter dieser Voraussetzung tätig werden will, und der Auftraggeber müsste dem zustimmen. Ob auch schon bloßes Schweigen des Auftraggebers auf eine solche Ankündigung reicht, das wird unterschiedlich beurteilt. Ich wäre da sehr vorsichtig, denn Verträge kommen nur selten durch Schweigen zustande.

Sicher ist wiederum eines: Der Auftraggeber muss sich auf so eine Vereinbarung nicht einlassen. Er kann auch ablehnen und auf seiner Mangelrüge beharren. Dann besteht die Zwickmühle weiter. Wenn der Auftragnehmer sichergehen will, dass er nicht verantwortlich ist, muss er eben unentgeltlich die Richtigkeit seiner Leistung überprüfen. Oder er nimmt nach Abwägung das Risiko in Kauf und lehnt die Verantwortlichkeit ohne große Überprüfung ab. Dann kann er später, z. B. im Fall eines späteren Folgeschadens, durch einen doch von ihm verschuldeten Mangel dem Auftraggeber aber auch nicht vorwerfen, dass dieser nicht „mitgewirkt“ hatte. Es bleibt halt schwierig ...

Fassen wir zusammen: Die Erstattung des Aufwands bei unberechtigter Mangelrüge darf man regelmäßig nur dann erwarten, wenn man das vorher so vereinbart hat. Einen Rechtsgrundsatz dieses Inhalts gibt es dagegen nicht.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 16 Rechtsanwälten, davon vier Fachanwälten für
Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Kanzlei Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Kanzlei hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Unternehmen, Bauherren und Handwerksbetriebe in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 11/2015

Das aktuelle Baurechtsurteil: Mangel

Wann ist ein Mangel ein Mangel?

Zum Fall Der Auftragnehmer sollte Parkplatzflächen für einen Supermarkt errichten. Bei den Pflas­ter­ar­bei­ten verwandte der Auftragnehmer anstelle des im Leistungsverzeichnis vorgesehenen und...

mehr
Ausgabe 05/2017

Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 12

Eingriff in das Werk – Gewährleistung erloschen?

Hierzu ein typischer Fall Der Auftragnehmer baut eine Lüftungsanlage mit Steuerung durch die GLT. Die Wartung beauftragt der Bauherr dem Auftragnehmer nicht. Ein anderes Unternehmen führt...

mehr
Ausgabe 06/2012

Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 4

Erkennbare Mängel – verlorene Rechte?

1. Verliert der Auftraggeber Mängelrechte, wenn er bei der Abnahme erkennbare Mängel nicht rügt? Das scheint mir der Kern des oft gehörten Spruchs zu sein: Wer erkennbare Mängel bei der Abnahme...

mehr
Ausgabe 02/2015

Drum prüfe, wer …… !

Michael Frerick, Vorsitzender des Fachausschusses f?r Rechtsfragen (FAR) des BTGA e.V.

Nein, der nachfolgende Beitrag befasst sich nicht mit dem Bund fürs Leben, sondern (nur) mit der Abwicklung von Bauaufträgen, genauer: Bauaufträgen in der technischen Gebäudeausrüstung und im...

mehr
Ausgabe 7-8/2012

Diese Folgen sind zu beachten

Mängel – Welche Erklärungen gebe ich als Auftragnehmer ab?
Rechtsanwalt Johannes Deppenkemper Fachanwalt f?r Bau- und Architektenrecht

Beispiel 1: Zusage Mängelbeseitigung Sachverhalt: Der Unternehmer errichtete über einem uralten Gewölbekeller auf einer wasserundurchlässigen Stahlbetonplatte einen Neubau (Eigentumswohnungen)....

mehr