Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 9
Mit Zins und ZinseszinsHätte Josef zur Geburt von Jesus 1 Cent mit 4 % Zinsen angelegt (der sogenannte Josefspfennig), dann wäre daraus mit Zinsen und Zinseszinsen nach einem bekannten Berechnungsbeispiel bis 2012 ein unglaublicher Gegenwert von 255 Erdkugeln aus purem Gold geworden! So lange will und kann niemand auf die Bezahlung von Forderungen warten, und auch Gerichtsprozesse dauern – entgegen landläufiger Meinung – doch nicht ganz so lange wie der Beispielszeitraum. Trotzdem erreichen mich immer wieder interessante Aufstellungen mit Zinseszinsberechnungen zur Darstellung eingetretener Schäden. Wie sieht es eigentlich damit aus? Muss ein Schuldner die Summe „mit Zins und Zinseszins“ zurückzahlen?
Der gesetzliche Zinssatz beträgt gegenüber einem Verbraucher 5 % über dem sogenannten Basiszinssatz jährlich, bei anderen Schuldnern kann dieser Satz auf 9 % über dem Basiszinssatz jährlich steigen, wenn es sich um eine Entgeltforderung handelt. Das ist aber nicht jede Geldforderung, sondern knapp gesagt nur eine solche, die als Gegenleistung in einem Vertrag vereinbart worden ist, also Kaufpreis, Werklohn, Ingenieurhonorar usw. Der Basiszinssatz schwankt und wird halbjährlich von der Bundesbank nach europäischen Vorgaben neu festgesetzt. Im 1. Halbjahr 2016 ist der Basiszinssatz negativ und beträgt -0,83 %, sodass sich der effektive Zinssatz (s.o.) derzeit auf 4,17 bzw. 8,17 % beläuft. Hat der Gläubiger einen höheren Ausfallschaden, weil er anderswo höhere Zinsen zu zahlen hat, kann er auch diesen Zinssatz verlangen.
Zum Zinseszins gilt die gesetzliche Regel des § 289 Satz 1 BGB, und die lautet: „Von Zinsen sind Verzugszinsen nicht zu entrichten.“ Das ist nichts anderes als ein Zinseszinsverbot für einen, der nicht pünktlich zahlt.
Nun ja, keine Regel ohne Ausnahme. Auf der Bank werden vertragliche Zinsen gezahlt und keine Verzugszinsen. Das gilt bei Guthaben genauso wie bei Krediten. Wer Sparzinsen erhält und diese stehenlässt, erzielt also sehr wohl einen Zinseszinseffekt. Wer seine Überziehungszinsen nicht zahlen kann, sodass diese auf das Konto gebucht werden, muss davon sehr wohl wieder Überziehungszinsen zahlen. Wer in so einer Lage ist, also gegenüber seinem Schuldner nachweisen kann, dass er das fehlende Geld sonst mit Zinseszinseffekt angelegt hätte oder seinen Überziehungskredit zurückgeführt hätte, der kann diesen Schaden auch gegenüber dem Schuldner geltend machen. Denn § 289 Satz 2 BGB sagt gleich im Anschluss an das Zinseszinsverbot: „Das Recht des Gläubigers auf einen durch den Verzug entstandenen Schaden bleibt unberührt“, auf Deutsch: So ein indirekter Zinseszinseffekt soll durch Satz 1 nicht verboten werden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Gerichte in diesem Zusammenhang zu recht längst nicht alles glauben, was man ihnen so vorträgt.
Fassen wir also zusammen: Wer einen Geldbetrag schuldet, zahlt darauf normalerweise zwar Zinsen, aber keine Zinseszinsen – außer wenn dem Gläubiger nachweislich ein Schaden entsteht, der diesen Zinseszinseffekt beinhaltet. An der Drohung „mit Zins und Zinseszins zahlst Du mir das“ ist also ein bisschen was Wahres dran, aber in der Praxis gilt eher „nur mit Zins“. Klingt aber nicht so gut ...
Kanzlei Schlünder Rechtsanwälte
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