Predictive Maintenance, Energie und Cybersecurity
Die Digitalisierung erfasst immer weitere Bereiche und war das große Thema der Industrieschau „Hannover Messe 2018“. Die Vorteile und Chancen, z.B. die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance), wurden ebenso thematisiert wie mögliche Gefahren der Vernetzung. Denn IT und Maschinenbau wachsen immer stärker zusammen. Weitere zentrale Themen der Fachmesse mit ihren 5.800 Ausstellern und rund 210.000 Besucher waren industrielle IT-Plattformen und sich daraus entwickelnde Geschäftsmodelle sowie der durch einen Ausbau der Vernetzung intensivierten Datenaustausch. Hierfür müssen die mobilen Netze – Stichwort 5G – allerdings noch entsprechend flächendeckend ausgebaut werden. Ein weiterhin häufig benutztes Schlagwort war die künstliche Intelligenz (KI).
Brennstoffzellen und Wasserstoff
Der Gemeinschaftsstand „Wasserstoff + Brennstoffzellen + Batterien“ war mit 160 Ausstellern auf 5.000 m2 ausgebucht. Kein Wunder, denn das Thema Brennstoffzellen, und damit die Wasserstofftechnologie, gewinnt weiter an Bedeutung. Das war bei einem Gespräch am Stand der Nationalen Organisation für Wasser- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) zu erfahren. Gerade im Bereich der unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) sowie im Bereich der BOS-Funknetze seien Brennstoffzellen bereits erfolgreich im Einsatz. Der Energieträger Wasserstoff bietet zudem die Möglichkeit einer zeitlichen Entkoppelung von Stromangebot und -nachfrage. Diese Entkopplung wird künftig für die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit der deutschen, aber auch europäischen Energieversorgung zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor werden. Die Wasserstofftechnologie kann somit zur Versorgungssicherheit, zum Klimaschutz, aber auch zur Wirtschaftlichkeit der Energiewirtschaft beitragen. Allerdings fehlt es immer noch an einer klaren, zukunftsorientierten und verlässlichen politischen Strategie für die Markteinführung von Power-to-Hydrogen (PtH2) als Grundlage für die sektorale Integration in Europa.
Bisher deckt erneuerbare Energie mit knapp 6 % den Energiebedarf in der Prozesswärme und Prozesskälte nur zu einem geringen Anteil ab. Es gibt jedoch erhebliche technische Potentiale zur Dekarbonisierung der Industrie. Das ist das Ergebnis eines Kurzgutachtens des Hamburg Instituts für den Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Hannover Messe. Solarthermie, Wärmepumpen, feste, flüssige und gasförmige Biomasse sowie Geothermie können hier aus technischer Sicht bereits heute einen großen Beitrag leisten.
Künstliche Intelligenz und Cybersecurity für Industrie 4.0
Kernaussagen zum Thema Industrie 4.0 sowie die Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz (KI) wurden im Rahmen einer VDI-Pressekonferenz am ersten Messetag vorgetragen. Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen, Vorsitzender des interdisziplinären VDI-Gremiums Digitale Transformation, formulierte dabei drei Kernaussagen:
Gerade bei der Umsetzung von KI-Methoden fehle es, wie eine Befragung des VDI ergab, vielfach an Kompetenzen im eigenen Unternehmen. Über 60 % der Befragten gaben an, dass Fachkräfte, die KI-Methoden auf hohem Niveau beherrschen, nicht zu bekommen sind. Umgesetzt werden derzeit KI-Methoden vorrangig in der Datenanalyse (27 %), bei Assistenzsystemen (16,6 %) und in der Predictive Maintenance (14,7 %).
Joachim Bühler, geschäftsführende Präsidiumsmitglied des TÜV-Verbandes (VdTÜV) kommt zu folgendem Schluss: „Damit die Chancen durch die Digitalisierung genutzt werden können, braucht es Vertrauen in der Gesellschaft und der Wirtschaft. Das gilt vor allem für die KI. Hier fehlen bislang einheitliche Standards, auf denen Algorithmen zusammenarbeiten und Regelungen über die ethischen Grundlagen, auf denen selbstlernende Systeme künftig agieren. Darüber hinaus müssen Verfahren entwickelt werden, mit denen diese Systeme künftig unabhängig geprüft werden können. Wir brauchen einen TÜV für Algorithmen. Hier ist auch die Politik gefragt, denn sie muss dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen.“
Die vor allem mittelständisch geprägte Maschinenbauindustrie in Deutschland ist allerdings noch nicht ausreichend auf die wachsende Cyberkriminalität vorbereitet – weder auf den Angriff noch auf die Folgen. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des VDMA. Knapp die Hälfte der Unternehmen arbeitet laut VDMA mit einem veralteten Schutz vor Angriffen aus dem Netz. In der Praxis sind vor allem Rechner in Produktionsanlagen anfällig, da diese immer noch veraltete Betriebssysteme wie „Windows XP“ verwenden. Den möglichen Schaden durch Cyberattacken schätzen die durch den VDMA befragten Firmen mehrheitlich auf Kosten von 500.000 bis 1 Mio. € ein. Bei mittelständischen Unternehmen kann das durchaus existenbedrohend werden. „Pleite durch Hacker – das darf nicht passieren. Das mangelnde Bewusstsein für Sicherheitslücken werden Hacker ausnutzen. Daher gilt es, Schutzmechanismen zu implementieren. Ansonsten wird die Industrie 4.0 zur größten Gefahr für alle Unternehmen“, erklärte etwa Telonic-Geschäftsführer Andreas Schlechter.
Vom VDE sind ähnliche, ebenfalls auf einer Umfrage basierende Einschätzungen zu hören. In der Industrie 4.0 schaffen vernetzte Sensoren, Aktoren, Maschinen und Anlagen neue Angriffsflächen für Cyberkriminelle. Die größten Gefahren sind Infektionen mit Schadsoftware, Erpressung mittels Trojanern oder Ransomware, Einbrüche über Fernwartungszugänge und – nicht zuletzt – menschliches Fehlverhalten. In der Umfrage geben 68 % der Befragten an, dass die Infektion mit Schadsoftware die größte Bedrohung für Industrie 4.0 sei. Schadsoftware gibt kriminellen Hackern die Möglichkeit, individuelle IP, also die sensiblen Produkt- und Produktionsdaten unbemerkt zu stehlen, die Produktion zu sabotieren oder das Unternehmen zu erpressen. Jedes zweite Unternehmen sagt, dass speziell die Erpressung mithilfe von Trojanern oder Ransomware eine Bedrohung sei. Nach den Ergebnissen der Umfrage waren vier von zehn Unternehmen und Hochschulen bereits von Cyberattacken betroffen. Weitere vier von zehn Befragten wissen nicht, ob sie angegriffen worden sind.
Auch auf der Integrated Energy Plaza in Halle 27 ging es um die Sicherheit der Daten. Prof. Dr. Ulrike Lechner, Bundeswehruniversität München, thematisierte diese für kritische Infrastrukturen und berichtete aus einer Studie: „Das Risiko wird für den eigenen Betrieb geringer wahrgenommen als für die eigene Branche, und dieses wiederum geringer als für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Dabei muss sich jedes Unternehmen und jede Branche in Bezug auf das Thema Cybersecurity einstellen. Dabei gelte es, den unterschiedlichen Formen der Bedrohung zu begegnen: Vom Hacker, der mit seinen digitalen Angriffen Geld verdienen will, bis hin zu großflächigen Angriffen auf eine Infrastruktur durch staatliche (unterstützte) Organisationen.
Generell, so die übereinstimmende Einschätzung, fehlt es an Schulungen zur IT-Sicherheit. Viele Bedrohungen werden gewollt oder fahrlässig in Unternehmen oder Hochschulen hervorgerufen.
Aus Forschung und Entwicklung
Viele Hochschulen und Forschungsinstitute stellten ihren Erfindergeist mit zahlreichen Entwicklungen, von denen auch einige für das Bauwesen und die TGA spannend sein können, in Halle 2 unter Beweis. So befasst sich die Uni Hannover mit der digitalen Fabrikplanung, bei denen von Kameradrohnen zur Grundrisserfassung über einen digitalen Planungstisch bis hin zur automatischen Layoutplanung viele Werkzeuge für rasche Fortschritte sorgen. Die Hochschule Esslingen zeigte mit „CaeLab“ ein adaptives Pflegelabor, bei dem unterschiedliche Techniken genutzt werden, um die Pflegewirtschaft mit digitalen Helfern zu unterstützen. Sonderbaustoffe zur Sanierung von Bestandsbauten, bei denen Instandsetzungsschichten aus polymermodifiziertem, selbstverdichtendem Beton zum Einsatz kommen, thematisierte die Bauhaus-Uni in Weimar. Kurz vor der Marktreife stehende Batterien auf Basis von Natrium-Nickelchlorid, mit günstigeren Systemkosten als Lithium-Ionen-Batterien, zeigte das Fraunhofer IKTS. Diese können als Kleinspeicher mit 20 Ah den Eigenverbrauch von Strom aus der heimischen PV-Anlage sehr günstig gestalten.
Die nächste Hannover Messe findet vom 1. bis 5. April 2019 statt.
Kommentar
Die Künstliche Intelligenz (KI) greift immer weiter um sich. Hochautomatisierte bzw. autonome Systeme werden zunehmend eingesetzt. Dies betrifft die Produktionsprozesse in der Industrie und noch viel stärker, die meist „smart“ genannten digitalen Systeme zur Unterstützung und Entlastung der Menschen.
So hilfreich manche sind, so „neugierig“ sind andere. Bei allen Diskussionen, wie sie auch in einer Pressekonferenz des VDI auf der Hannover Messe zum Thema „Künstliche Intelligenz: Keine Angst vor dem Kontrollverlust?“ geführt wurden, sollte ein wesentlicher Punkt nicht unterschätzt werden: die Akzeptanz durch die Menschen und der verantwortungsvolle Umgang mit den Daten. Die ethische Diskussion sollte nicht zu kurz kommen. Hier hat der Science-Fiction-Autor Isaac Ashimov (1919 bis 1992) mit seinen „Drei Gesetzen der Robotik“ bereits vor Jahrzehnten eine Grundlage geliefert:
1. Ein Roboter darf keinen Menschen verletzen oder durch Untätigkeit zu Schaden kommen lassen.
2. Ein Roboter muss den Befehlen eines Menschen gehorchen, es sei denn, solche Befehle stehen im Widerspruch zum ersten Gesetz.
3. Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, solange dieser Schutz nicht dem ersten oder zweiten Gesetz widerspricht.
Diese Gesetze sollten eine grundlegende Basis der KI und damit nicht nur für Roboter, sondern für alle „smarten“ Systeme und Programme sein.