Solarthermie neu gedacht
Modernisierung der Heinrich-Braun-KlinikenDenkmalgeschützes Bauen birgt Risiken, aber auch ungeahnte Potentiale. Die Ebert Ingenieure GmbH Leipzig hat im Heinrich-Braun-Klinikum in Zwickau in zweijähriger Bauzeit erfolgreich und intelligent einige innovative Möglichkeiten zur Modernisierung umgesetzt.
Das seit den frühen 1920er am Klinikum bestehende Bettenhaus ist vollständig saniert und mit einem Erweiterungsbau vergrößert worden. Besonders interessant war dabei die Kombination von Altem und Neuem in einem Objekt. Um mehr Technikflächen zu schaffen, wurde das Untergeschoss tiefergelegt. Auch unter dem Dach entstanden, neben zusätzlichen Arzträumen, Technikbereiche. Zudem ist nun eine moderne Solarthermieanlage installiert, mit welcher die Wärme zukünftig bivalent für das gesamte Objekt zur Verfügung gestellt wird. Für diese Installation wurde die neu geschaffene Freifläche auf dem Dach des Erweiterungsbaus genutzt.
Am 17. Juli 2020 erfolgte die feierliche Übergabe an das Krankenhauspersonal im Beisein des Ministeriums, des Landrats und der Bürgermeisterin. Zukünftig können durch den Umbau die bisher auf einzelne Häuser im Klinikgelände verteilten Stationen der Kinder-/Jugendmedizin, Psychotherapie und Psychosomatik in einem Haus zentriert werden.
Bauliche Umgestaltung des Bestands
Im Untergeschoß des Bestandsbaus ist die Haustechnik verortet, während im Neubau die Behandlungs- und Schwesternzimmer untergebracht sind. In den oberen Etagen befinden sich, aufgeteilt nach Stationsgröße und Art, die Behandlungs- und Bettenzimmer. Das ehemals offene Dachgeschoss des Bestandsbaus wurde in ein drittes Obergeschoss mit Arzträumen und einem Spitzboden für die Haustechnikinstallation erweitert.
Das Kernstück der Modernisierung ist eine 42 kW starke Solarthermieanlage. Den Anforderungen EnEV und EEWärmeG wird mit dieser Anlage Rechnung getragen. Die Solarthermie wird dabei in den Sommermonaten den vollständigen Warmwasserbedarf abdecken.
Als innovative Idee der Ebert Ingenieure wurde eine Kopplung der Nahwärmestation mit der Solarthermie geplant. Durch diese Kopplung ist es möglich, das vorhandene Heizungsnetz mit der Solarwärme im bivalenten Betrieb zu nutzen.
Solarthermie mehr als nur Warmwasser
Die Halterungen der Anlagen sind auf Betonplatten befestigt. Mittels feuerverzinkten Profilstahlschienen sind diese Fundamente verbunden. Das erhöht einerseits die Standfestigkeit der Konstruktion, andererseits optimiert es die Ausrichtung der Haltekonstruktion. Die Montagewinkel der Solarthermie konnten auf die Profilstahlschienen montiert werden. Mittels Verschiebung der Unterkonstruktion auf den Befestigungsschienen erfolgte die Feinjustierung der Anlage ohne nachträgliche Bohrungen.
Dank der Verlegungsart nach dem System Tichelmann, konnte im Außenbereich auf den Einsatz von Strangregulierventilen verzichtet werden. Das Rohrnetz ist aus Kupferrohr mit für Solarthermie geeigneten Press-Fittings montiert. Zur Vermeidung von Wärmeverlusten erhielten die Rohrleitungen, die Kupplungsstücke und die Entlüftungen eine Dämmung aus Mineralwolle in 200 % Stärke gemäß EnEV. Um die Dämmung vor der Witterung zu schützen, wurde diese zudem mit einem verzinkten Blechmantel eingehaust.
Durch die Dachdecker wurde eine Dacheinführung zwischen den denkmalgeschützten Gaubenfenstern hergestellt, durch welche die Solarleitungen in den neu geschaffenen Spitzboden geführt werden. Um in dem Bestandsgebäude die spätere Technikzentrale im 3. Obergeschoss zu installieren, musste die Bestandsdecke statisch ertüchtig werden. In dieser Zentrale ist die Wärmeübergabestation und Druckhaltung aufgebaut.
Als Betriebsmittel der Solaranlage wurde ein Wasser-Glykolgemisch mit einem Glykolanteil von 34 % und einem Gefrierpunkt von -20 °C ausgewählt. In der Wärmeübergabestation erfolgt der Betriebsmittelwechsel, um die Leitungslänge der Solarzuleitungen und die daraus resultierende Glykol-Menge zu reduzieren. Die Weiterführung des fluiden Mediums erfolgt in einem Rohrnetz, welches gefüllt ist mit Heizungswasser nach VDI 2035. Der Verzug dieser Trasse erfolgt im Innenbereich des Gebäudes. Ausgehend von der Wärmeübergabestation wird die Solarwärme über einen Schacht in die Heizungszentrale im Untergeschoß geführt. Aufgrund des baulichen Bestandes waren umfangreiche statische Ertüchtigungsmaßnahmen erforderlich. Im Untergeschoss sind drei Pufferspeicher mit je 1.000 l Volumina aufgestellt. An diese Pufferspeicher ist das weiterführende Heizungssystem angebunden.
Trennung und Kopplung
Die Trennung der Wärmeübergabe und der Wärmespeicherung bedingt auch eine Trennung der Regelung. Die Komponenten auf dem Dach und im Obergeschoss werden autark über die Wärmeübergabestation in der Technikzentrale im 3. Obergeschoss geregelt. Die zentrale Gebäudeautomation betreibt die weiterführenden Installationen im Untergeschoss. Mögliche Störgrößen der einen Regeleinheit in die andere sind somit ausgeschlossen und Fehlregelungen werden vermieden.Die Anbindung der Pufferspeicher untereinander und mit dem Nahwärmenetz wurden nach energetischen Gesichtspunkten geplant. Das Heizungssystem wird mit den Temperaturen VL= 70 °C und RL = 45 °C betrieben. Die möglichst effiziente und ökologische Bereitstellung der Systemtemperaturen stand bei der Planung der Anlage im Vordergrund. Um die größtmögliche Sonnenenergie zu nutzen wird bereits bei einer festgelegten Temperatur von 55 °C die Solarwärme über den Wärmetauscher in die Pufferspeicher geführt. Zwei der drei Pufferspeicher sind mit dem Wärmetauscher der Solarthermie verbunden und werden dauerhaft mit Wärme beladen. Der dritte Speicher ist als Absicherung einer längeren Sonnendauer in Verbindung mit geringer Wärmeabgabe vorgesehen.
Ab einer Solar-Vorlauftemperatur von 55 °C wird die Solarwärme in den zweiten der drei Wasserspeicher gespeist. Der Rücklauf des Hauptheizungsnetzes wird hier bereits erwärmt. Sobald die Solar-Vorlauftemperatur 65 °C überschreitet, wird der erste Pufferspeicher beladen. Die Umschaltung erfolgt hierbei durch ein Umschaltventil. Die Befüllung des dritten Speichers erfolgt, sobald in den beiden Hauptspeichern eine Temperatur von 70 °C erreicht ist. Ausgehend vom Speicher 1 ist diese Kaskade mit der Zuleitung des Heizungsverteilers verbunden. Sobald im Speicher 1 eine Temperatur von über 70 °C vorliegt, wird das Wasser für die Speisung des Gebäude-Heizungsverteilers genutzt.
In den Übergangsmonaten, in denen sich die Kollektortemperaturen nur zwischen 55 bis 65 °C befinden, erfolgt eine Beimischung des Nahwärmenetzes. Erst ab einer Kollektortemperatur von unter 55 °C erfolgt ein alleiniger Betrieb der Nahwärme.
Das klinikeigene Nahwärmenetz ist über eine separate Wärmestation mit dem Heizungsverteiler verbunden. Ausgehend vom Heizungsverteiler erfolgen die Erschließungen der statischen und dynamischen Heizungsstränge sowie der Warmwasseraufbereitung. Über diesen Weg ist es möglich, die Solarwärme zielgerichtet und bedarfsgerecht an die jeweiligen Verbraucher zu verteilen und den Anteil der Nahwärmeenergie zu senken.
Controlling und Betrieb
Die Umschaltung zwischen der Solar- und Nahwärme vor der Aufteilung, führt zu einer signifikanten Verbesserung im Regelprozess. Mit der Anlagentrennung kann die komplexe Wärmeversorgung in einzelne Cluster geteilt werden. Dies führt zu einem einfachen Betrieb und sicherem Controlling.
Die Wärmeverteilung erfolgt anhand nachfolgender Kriterien:
Primärenergie vor der Nahwärmestation:
Sekundärenergieverteilung mittels Heizungsverteiler:
Fazit
Mit dem technischen Novum der Zusammenschaltung von Solarthermie und Nahwärme im Klinikum sind die Haustechniker am Klinikum nun in der Lage, jeden zuvor beschriebenen Abschnitt genau zu prüfen, ihn zu regeln und zu warten. Dafür werden sie dank sinnvoller Planung über die zentrale Gebäudeautomation und eine digitale Darstellung der Anlagen unterstützt. Durch die Vermeidung der direkten Anbindung der Solarthermie an einen Abnehmer, welcher durch Sekundärenergie gespeist wird, konnten nicht nur Regelungsventile eingespart werden, auch werden potentielle Regelfehler im System vermieden. Darüber hinaus werden dank der innovativen Umsetzung kostenintensive Schulungen und Spezialisierungen der Haustechniker an den neu errichteten Anlagen hinfällig.