Stuttgart 21 und kein Ende

Sind Großprojekte in Deutschland überhaupt noch realisierbar?

Auch nach dem bestandenen Stresstest, den endlosen Diskussionen und dem im Ergebnis wenig hilfreichen Schlichterspruch von Heiner Geißler herrscht noch immer keine abschließende Klarheit über das Ob und Wie der Realisierung des Projekts, welches ehedem als das zentrale Verkehrs- und Städtebauprojekt des 21. Jahrhunderts in Stuttgart gestartet war. Unabhängig davon, ob es sich bei der gewählten Lösung nun um die verkehrspolitisch sinnvollste handelt oder nicht, ob wirtschaftlichere Alternativen existieren oder das geplante Budget eingehalten wird, so muss sich nach über 15jähriger Planung nun doch die Frage stellen, inwieweit Großprojekte und speziell solche der Öffentlichen Hand in Deutschland überhaupt noch realisierbar sind.
Der Großraum Stuttgart braucht einen effektiveren, zukunftsfähigen Bahnhof und eine schnelle Bahnverbindung nach Ulm und München, darüber waren sich alle Beteiligten einig, als das über mehrere Jahre entwickelte Konzept für das spätere Projekt Stuttgart 21 im Jahre 1994 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Es folgten ein mehrjähriger Diskussionsprozess, die erforderlichen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sowie schlussendlich die Klärung der Finanzierungsfrage. Nachdem sämtliche rechtlichen Hürden, die unser Rechtssystem für Großprojekte dieser Art bereithält, genommen waren, sollte Ende 2009 schließlich die Realisierung begonnen werden. Was auf den offiziellen Baubeginn Anfang 2010 folgte wurde von den einen als gelebte Demokratie und „zivilen Widerstand“ gepriesen, von den anderen als Randale und Nötigung verteufelt. Was es aber ungeachtet aller parteipolitischen Spielereien, über die am Ende sogar eine Landesregierung stürzte, mit sich brachte, das ist ein fataler Verlust an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.

Denn obwohl alle rechtsstaatlichen Verfahren eingehalten worden waren, weit überwiegend auch ordnungsgemäß, wie die Gerichte in den vielen gegen das Projekt immer wieder angestrengten Klagen bestätigen, wird mittlerweile sogar mit der Unterstützung der neuen Landesregierung fortlaufend versucht, Stuttgart 21 zu Fall zu bringen, also in rechtskräftige, verbindliche Vertragsverhältnisse einzugreifen und diese aufzulösen. Hierfür soll nunmehr trotz ernst zu nehmender verfassungsrechtlicher Bedenken sogar eine Volksabstimmung abgehalten werden. Parallel hierzu befindet sich bereits ein Gesetz in Vorbereitung, durch welches sich die Regierung vom Landesparlament die Ermächtigung holen möchte, ungeachtet derzeit noch völlig ungewisser Ersatzansprüche der Vertragspartner, die Mitfinanzierung des Projekts durch das Land Baden-Württemberg zu beenden (so genanntes „S 21 - Kündigungsgesetz“).

Vor dem Hintergrund dieser Vorgänge rund um Stuttgart 21 steht die Verlässlichkeit des Staates als seriöser Vertragspartner auf dem Spiel. Die Folgen dieses Vorgehens für das künftige Miteinander von Wirtschaft und Staat in gemeinsamen Projekten ist noch gar nicht absehbar. Speziell ausländische Investoren, in der Vergangenheit bereits durch den überbordenden deutschen Bürokratismus und die unzähligen verwaltungsrechtlichen Vorschriften verschreckt, dürften angesichts eines solchen Umgangs mit verbindlichen Verträgen nun vollends verschreckt werden.

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