Gebäudepolitische Leitlinien

VDMA-Ziele für die Gebäudetechnik

Das VDMA-Forum Gebäudetechnik hat zusammen mit seinem Industrie-Lenkungskreis, dem Geschäftsführungs- und Vorstands­ebene namhafter Hersteller- und Dienstleistungsunternehmen angehören, gebäudepolitische Leitlinien erarbeitet, die auf die Erreichung der Klimaschutzziele, die effektive Planung von Gebäuden und eine wertsteigernde Bestandssanierung abzielen. Die tab-Redaktion sprach mit Dr. Thomas Schräder, Sprecher des VDMA-Forums Gebäudetechnik, über sieben der zentralen Forde­run­gen.

Forderung 1:

Benennung einer zentralen Zuständigkeit: So können auf na­tio­na­ler und europäischer Ebene die verschiedenen Aspekte einer optimalen Gebäudegestaltung – Ressour­cen­effizienz, Sicherheit, Lebensqualität und Werthaltig­keit – sinnvoll aufeinander abgestimmt werden.

tab: Die Kompetenzüberschneidungen zwischen den Ministerien zeigen mitunter durchaus, dass Verbesserungspotentiale vorhanden sind. Wo sollte sich aber die zentrale Zuständigkeit befinden? Sollte es ein neues Ministerium geben?

Herr Dr. Schräder: Ein neues Ministerium birgt das Risiko, weitere Schnittstellen zu schaffen. Die bisher mit Teilaufgaben befassten Ministerien BMVBS, BMWI und BMU müssen sich aber besser austauschen. Es geht in unserer Forderung darum zu verhindern, dass Verordnungen und Gesetze nicht aufeinander abgestimmt sind oder sich sogar widersprechen. Durchaus denkbar wäre es, wenn ein Ministerium, etwa das BMVBS, die Koordinierungsaufgabe übernähme. Wir haben derzeit den Eindruck, dass die Ziele „höhere Energieeinsparung“ und „Steigerung des Einsatzes regenerativer Energien“ häufig gegeneinander ausgespielt werden können. Wir brauchen aber einen vernünftigen Plan der beides verbindet. Eine Gebäudesanierung etwa sollte im Übrigen nicht nur Energie- und Klimaziele im Blick haben, sondern auch auf den Erhalt der Wertigkeit des Gebäudes, die Sicherheit der Personen, aber auch der Pro­duktionen im Blick haben. Eine energetische Sanierung muss immer auch wirtschaftlich tragbar sein.

Forderung 2:

Themen wie Gesundheitsschutz, Betriebssicherheit und Barrierefreiheit müssen gleichberechtigt neben der Energie- und Ressourceneffizienz berücksichtigt werden.

tab: Das klingt gut. Sind Planer, wie Architekten, heutzutage nicht überfordert, wenn sie all diese Aspekte zusätzlich berücksichtigen müssen? Wäre da mehr Teamarbeit nicht ein sinnvoller Ansatz. Wenn ja, wer ist dann zu wie viel Prozent für ein Gebäude verantwortlich.

Herr Dr. Schräder: Das klingt nicht nur gut, sondern es ist essentiell. Der eigentliche Zweck von Gebäuden ist es schließlich, Menschen adäquate Lebens- und Arbeitsqualität zu bieten. Dabei sind alle im Gebäudesektor beteiligten gefordert: Hersteller, Planer, Bauindustrie, Handwerk und sicher besonders die Archi­tekten. Anforderungen an Gebäude wachsen zunehmend. Nicht optimierte Einzelgewerke, sondern Systemlösungen sind gefordert. Da Gebäudetechnik immer mehr zu einem komplexen Technologieverbund zusammenwächst, müssen sich Planer und Architekten über die Möglichkeiten, die geboten werden, verständigen können. Aber auch Hersteller von Komponenten müssen Systemkompetenz entwickeln. Es geht um Quali­fizierung, alle müssen dazulernen. Wir sind diesbezüglich mit Architekten, d.h. dem BDA, der Bauindustrie und auch dem Handwerk im Gespräch. Wir sind dafür, dass die unterschiedlichen Funktio­nen eines Gebäudes stärker in den Blick genommen werden. Wir denken da an einen runden Tisch für Weiterentwicklung von Qualifizierung, damit mehr notwendige Teamarbeit in den anspruchsvollen Projekten möglich ist. Über Verantwortungsanteile in Prozent müssen wir uns nicht unterhalten. Damit verbundene „Zeigefinger“ im Vorfeld auf andere zu richten, hilft uns nicht weiter.

Forderung 3:

Energieverbrauchsrelevante Produktionsprozesse in Industrie und Gewerbe müssen in das Energiemanagement von Ge­bäuden und deren Betrieb eingebunden werden.

tab: Könnten Sie das kon­kre­ti­sie­ren?

Herr Dr. Schräder: Sicher. Mit Initiativen wie „Effizienzfabrik“ verfolgt der VDMA ökonomische und Nachhaltigkeitsziele in der Produktion. Wir reden hier über die gesammte Bandbreite des Maschinen- und Anlagenbaus. Produktion findet in Gebäuden statt. In Nachbargebäuden wird vielleicht konstruiert, verkauft, verwaltet. Da liegt es zunächst nahe, die Zielfelder in Produktion und Gebäuden miteinander zu verknüpfen. Die stärkere Nutzung von Abwärme aus Produktionsprozessen ist nur ein einfaches Beispiel. Die vorhandenen Energieströme müssen kreativ genutzt werden.

tab: Wo zieht man die Bilanzgrenze?

Herr Dr. Schräder: Wir müssen den Begriff „Smart Grid“ über den elektrischen Strom hinausdenken und intelligente Netze für Wärme, Kälte, d.h. Energie an sich, umfassend begreifen. Das muss am Fabrikzaun keine Grenze haben, sondern sollte auch darüber hinaus in lokaler Umgebung möglich sein. Hier sind marktwirtschaftliche Ideen gefordert, die ohne zusätzliches Ordnungsrecht auskommen.

Forderung 4:

Der Nichtwohngebäudesektor muss stärker in den Fokus rücken.

tab: Dieser Forderung schließen wir uns an und stehen, soweit wir wissen, nicht allein, wenn man an Verbände wie den BTGA und den FGK denkt.

Herr Dr. Schräder: Das freut uns sehr, weil der VDMA seit Jahren massiv dafür wirbt, die hier sehr attraktiven Potentiale im Nichtwohngebäudesektor endlich zu heben.

Forderung 5:

Die öffentliche Hand muss ihre Vorbildfunktion, wie von der EU in der Energieeffizienzrichtlinie gefordert, wahrnehmen.

tab: Hat die öffentliche Hand hier ausreichend Fachleute? Zudem fehlt dort wohl auch häufig das notwendige Kapital.

Herr Dr. Schräder: Allein Bundesliegenschaften stehen für mehr als 40 Mio. m2 Flächen in Gebäuden, davon immerhin 8 bis 10 Mio. m2 beheizt. Es stünde dem Bund gut zu Gesicht, Ordnungsrecht, wie etwa die energetische Inspektion in eigenen Gebäuden, umzusetzen, um Sanierungspotentiale mit entsprechenden Einspareffekten zu identifizieren. Die Verantwortlichen in der BImA wissen sehr wohl, wovon sie reden. Wenn dann das Geld fehlt, bieten Contractingmodelle eine probate Absicherung für Einspareffekte, die die Effizienz­investitionen bei akzeptablen Laufzeiten refinanzieren. Dazu gibt es herausragend positive Beispiele zu Projekten der öffentlichen Hand in Frankfurt, die mehr Nachahmung verdient hätten. So ist der Contractingbegriff vielerorts noch nicht richtig gelernt und z.T. leider auch missbraucht. Die reine Wartung und Instandhaltung – ohne vertraglich zugesagte Einspareffekte – wie verschiedentlich angeboten, fällt nicht darunter.

Forderung 6:

Jedwede Förderung muss in allen Bereichen technologieoffen sein.

tab: Ist eine Förderung überhaupt notwendig?

Herr Dr. Schräder: Bei den vielzitierten Amortisationszeiten im Wohnungsbereich wird es nicht ohne Förderung gehen. Eine Förderung muss aber technologieoffen sein, wie im Übrigen allseits gefordert. Spezielle Förderprogramme für Einzelgewerke oder Produktgruppen würden diesen Grundsatz verlassen. Wir stellen uns vor, dass eine Förderung danach bewertet wird, welchen Effizienzgewinn eine Maßnahme bringt. Als Mindeststandards kann man z. B. die neuen Verordnungen nach Ökodesignrichtlinie heranziehen. Alles, was dann besser als dieser Standard ist, wäre förderungswürdig. Damit hätten auch kleinere Maßnahmen eine Chance, realisiert zu werden.

Forderung 7:

Beobachtbare Qualifizierungsdefizite müssen durch neue, gewerkeübergreifende Ausbildungs- und Studien­konzepte abgebaut werden.

tab: Gibt es dazu Ihrerseits konkrete Ansätze?

Herr Dr. Schräder: Hierzu ist in Zusammenhang mit unserer „Forderung 2“ schon einiges gesagt. Der Druck auf gewerkeüber­greifende Systemoptimierung führt zwangsläufig auf zusätzliche Qualifizierungsbedarfe, und zwar auf allen Seiten. Ansonsten bekommt man bei den komplexer werdenden Anforderungen die zwangsläufig bestehenden Schnittstellen zwischen Herstellern, Planern, Architekten und Verarbeitern nicht in den Griff. Am Beispiel Kältetechnik gibt es schon eine sehr gute vom VDMA organisierte Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Kälteanlagenbauer-Handwerk. Nach verschiedenen bilateralen Gesprächen mit anderen vorgenannten, wichtigen Partnern im Gebäude wäre ein runder Tisch mit allen beteiligten Akteuren – ein Qualifizierungsgipfel – ein guter Schritt.

tab: Dieses Thema sollten wir, insbesondere da wir mit der tab den Nachwuchs für die TGA-Branche gewinnen wollen, bei Gelegenheit vertiefen.

Herr Dr. Schräder: Das sollten wir wirklich tun.

Der Flyer mit den gebäudepoliti­schen Leitlinien kann direkt beim Forum Gebäudetechnik unter http://gebaeudetechnik.vdma.org heruntergeladen werden. Zum Thema der Nachwuchsgewinnung wird in einer der kommenden Ausgaben der tab ein Statement von Dr. Thomas Schräder, VDMA-Sprecher des Forums Gebäudetechnik, folgen.

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