Wärmenetze für Neubau und Bestand
Teil 1: Planungsablauf und AuslegungWärmenetze sind im Zuge der Energiewende unverzichtbar. Zur Planung und Auslegung eines Fern- oder (kalten) Nahwärmenetzes sind viele Parameter zu beachten. Zudem ergibt sich bei Verwendung bestehender, aber bis dato nicht genutzte Wärmequellen wie Rechenzentrumsabwärme ein enormes Energieeinsparpotenzial. Hier finden dann insbesondere Wärmepumpen zentral oder dezentral Anwendung. Die vorliegende zweiteilige Artikelserie gibt einen Überblick zu Wärmenetze in Deutschland. Neben Planungsaspekten wird in Teil 1 auf die Auslegung und den Aufbau von Nahwärmenetzen eingegangen. Teil 2 in tab-Ausgabe 7/8 gibt dann Hinweise zu möglichen Wärmequellen.
Nah- und Fernwärmenetze
Eine deutliche Abgrenzung zwischen Nah- und Fernwärmesystemen ist nicht definiert. Typischerweise sind Nahwärmenetze kleinere, lokale Netze, die Versorgung erfolgt aus Heizzentralen vor Ort. Fernwärmenetze sind oftmals große Netze mit einer hohen Anzahl angeschlossenen Abnehmer, welche häufig durch Abwärme aus großen Kraftwerken oder/und mithilfe von Großwärmepumpen gespeist werden.
Wärmenetze der aktuellen Generation sind innovative, zukunftsweisende Systeme zur Versorgung von Gebäuden mit Wärme und Kälte. Im Gegensatz zu herkömmlichen Wärmenetzen, die meist auf fossile Brennstoffe wie Öl oder Gas angewiesen sind, setzen umweltfreundliche Wärmenetze auf erneuerbare Energieträger wie Biomasse, Geothermie, Solarthermie oder Abwärme aus Industrieprozessen. Kommen Wärmepumpen zum Einsatz, empfiehlt sich ein genauer Blick auf die gewünschten Systemtemperaturen. Ist eine große Spreizung zwischen Vor- und Rücklauf und eine Vorlauftemperatur bis 85 °C gewünscht, hat sich der Einsatz von CO2 als Kältemittel bewährt. Warum ist dies so?
CO2 Wärmepumpen in Wärmenetzen
CO2 gilt als natürliches Kältemittel und wird von unterschiedlichen Förderprogrammen stärker gefördert als Hydrofluorolefin-(HFO)-Kältemittel www.t1p.de/tab-6-24-Foerderung. Da es ein natürliches Kältemittel ist, unterliegt es nicht der Regulierung durch die EU VE 2024/573. CO2 unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten von den anderen gebräuchlichen Kältemitteln. R744 (CO2) ist besonders effizient, wenn eine niedrige Rücklauftemperatur erreicht wird. Die hohe Vorlauftemperatur hat hier einen deutlich geringeren Einfluss, da im transkritischen Bereich gearbeitet wird. Diese bedeutet, dass sich das Kältemittelgas nach der Verdichtung über dem kritischen Punkt im transkritischen Bereich befindet. Im kritischen Punkt (31,1 °C und 73,8 bar) sind die Dichte des Dampfes und die von CO2 als Flüssigkeit identisch. Dies ist ein riesiger Unterschied zu den herkömmlichen Kältemitteln welche subkritisch Betrieben werden (z.B. R1234ze). Um dies zu verdeutlichen, wurden in Tabelle 1 die Leistungszahlen einer Luft/Wasser-Wärmepumpe bei -2 °C Umgebungstemperatur gegenübergestellt. Bei 35 °C Rücklauftemperatur und 55 °C Vorlauftemperatur ist der COP 2,8, bei 85 °C Vorlauftemperatur beträgt er 2,74, die Effizienzreduzierung ist minimal.
Aufbau kalter Nahwärmenetze
Kalte Nahwärmenetze werden zunehmend aus einer regenerativen Wärmequelle versorgt. Dies können beispielsweise regional vorhandene Quellen der Erdwärme, Gewässer, Abwärme oder Solarthermie sein. Auf die Auslegung der einzelnen Quellenarten wird in Teil 2 der Artikelserie detaillierter eingegangen.
Während herkömmliche Netze in Form von Fernwärme oder Nahwärme üblicherweise eine Vorlauftemperatur von 70 bis über 100 °C haben, kommen kalte Nahwärmenetze in Siedlungen oder in Quartieren mit geringeren Temperaturen zwischen 0 und 30 °C aus. Durch dieses Temperaturniveau lässt sich das Verteilnetz mit Anbindung der Wärmequellen und die Errichtung der Hausanschlüsse mit ungedämmten Rohrsystemen realisieren. In diesem Bereich, der in der Regel nicht über der Temperatur des Erdreiches liegt, dient das Verteilnetz als zusätzliche Wärmepumpenquelle. Es stellt damit eine weitere Wärmequelle dar und trägt zur Verkleinerung der primären Quellen bei.
Eine Stärke von kalten Nahwärmenetzen ist darin zu sehen, dass sowohl Wärme als auch Kälte mit nur einem thermischen Netz (2 Rohrleitungen) bereitgestellt werden kann. Hier kommt es zu einem Ausgleich von Wärme- und Kältebedarfen zwischen Gebäuden: Abwärme aus Kühlprozessen kann an der Verdampferseite dezentraler Wärmepumpen anderer Gebäude genutzt werden, was die an der Energiezentrale zu erzeugende Kälte- und Wärmelast gleichermaßen reduziert. Kalte Nahwärmenetze können Niedertemperatur- und Umweltwärmequellen erschließen, die durch konventionelle Wärmenetze nicht genutzt werden können. Diese wären beispielsweise Abwärme aus Abwasserkanälen, Fluss- oder Seewasser, oder oberflächennaher Geothermie. Durch den Einsatz von dezentralen Wärmepumpen sind in kalten Nahwärme-Systemen der Strom- und der Wärmesektor eng miteinander gekoppelt (Sektorenkopplung). Sofern Wärmespeicher im Quartier vorgesehen werden, können Quartiere mit kalten Nahwärmenetzen so Flexibilität gegenüber dem Stromnetz zur Verfügung stellen. Als eine Schwäche kann die geringe Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf betrachtet werden, was hohe Volumenströme und entsprechend große Dimensionierung der Rohrleitungen zur Folge hat.
Für den Betrieb der dezentralen Wärmepumpen kann die Nutzung von PV-Strom von den Dächern der Gebäude einen großen Vorteil darstellen. In diesem Fall trägt die elektrisch erzeugte Energie nicht nur zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei, sondern entlastet durch die Erzeugung vor Ort auch elektrische Versorgungsnetze. Bild 2 zeigt den typischen Aufbau.
Nachfolgend eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile gegenüber Fernwärme:
Vorteile:
Möglichkeit des Heizens und Kühlens.
Niedrige Systemtemperaturen, kostengünstige ungedämmte Rohrleitungswerkstoffe.
Zusätzlicher Energiegewinn im Verteilnetz als Erdkollektor.
Durch Kühlung erfolgt im Sommer eine Regeneration und gegebenenfalls eine
kleinere Dimensionierung der Wärmequelle.
Kalkulierbare Energiekosten durch geringe Betriebskosten.
Netzbau und Erweiterungen mit Standardmaterialien der Energieversorgung.
Nachteile:
Die Systemregelung kalter Nahwärmenetze ist anspruchsvoller, da Wärmepumpen (und ggf. Netzpumpen) dezentral in den Gebäuden installiert und betrieben werden.
Die Massen- und damit Volumenströme in kalten Nahwärmenetzen sind höher verglichen mit konventionellen Wärmenetzen. Dies ist Ergebnis der geringen Temperaturdifferenzen über die Verdampfer der dezentralen Wärmepumpen und den damit verbundenen kleineren Temperaturdifferenzen zwischen dem warmen und kalten Leiter des Netzes.
Die Wärmeübergabestationen in den Gebäuden sind oft kostenintensiver, da diese Wärmepumpen umfassen.
Hydraulische Auslegung und Druckverluste
Die hydraulische Auslegung von Wärmesystemen hat entscheidenden Einfluss auf eine effiziente und zuverlässige Wärmeversorgung in Nahwärmenetzen. In diesem Abschnitt sollen vereinfacht die Grundzüge der Querschnittsermittlung der verwendeten Ringleitung verdeutlichen.
Die Bedeutung des optimalen Querschnitts lässt sich in folgendem Beispiel darstellen:
Ein zu kleiner Querschnitt führt zu hohen Rohrreibungsverlusten und damit zu einer erhöhten Pumpenleistung. Der Energieverbrauch der Pumpe steigt, was sich negativ auf die Gesamtbilanz und die Jahresarbeitszahl des Gesamtsystems auswirkt. Ein zu groß dimensionierter Querschnitt der Ringleitung führt hingegen zu einem erhöhten Materialbedarf und somit höheren Investitionskosten.
In einer ersten Annäherung kann der notwendige Rohrquerschnitt zur Beförderung einer bestimmten Durchflussmenge mithilfe der folgenden Formel ermittelt werden:
Formel 1: In einer ersten Annäherung kann der notwendige Rohrquerschnitt zur Beförderung einer bestimmten Durchflussmenge mithilfe der folgenden Formel ermittelt werden.
Formel: BWP
v = Fließgeschwindigkeit in m/s
di = Rohrinnendurchmesser in mm
Q1 = Durchflussmenge in m3/h
Q2 = Durchflussmenge in l/s
18,8 = Umrechnungsfaktor für Einheiten Q1 in m3/h
35,7 = Umrechnungsfaktor für Einheiten Q2 in l/s
Die Fließgeschwindigkeit ist entsprechend dem vorgesehenen Zweck der Rohrleitung zu schätzen. Als Richtwert für die Fließgeschwindigkeit gelten die nachstehenden Angaben:
v = 0,5 bis 1,0 m/s für die Saugseite
v = 1,0 bis 3,0 m/s für die Druckseite
Bei dem auf diese Weise ermittelten Rohrdurchmesser sind die hydraulischen Verluste noch nicht enthalten. Sie müssen gesondert berechnet werden. Kalte Nahwärmenetze weisen aufgrund der geringeren Temperaturspreizung meist größere Rohrdurchmesser auf als herkömmliche Nahwärmenetze.
Planungsschritte für kalte Nahwärmenetze
Bild 3 zeigt die wesentlichen Planungsschritte eines kalten Nahwärmenetzes. Hierbei wird auf detaillierte Berechnungen verzichtet, um einen Überblick – von der Idee bis zur ausführungsreifen Planung – geben zu können.
Ziel ist es, sich den nötigen Überblick zu verschaffen, um ein kaltes Nahwärmenetz zu verstehen und deren Planungsschritte nachvollziehen zu können. Vorausgesetzt wird, dass die kalten Nahwärmenetze in die vorhandene Gebäudetechnik und Infrastruktur integriert werden können. Dies betrifft maßgeblich die Prüfung in Gebieten mit Bestandsgebäuden. Hierzu zählen die Vereinbarkeit vorhandener Regelungs- und Steuerungssysteme sowie die Notwendigkeit der Wärmeenergiebereitstellung über Wärmepumpen. Des Weiteren muss ausreichend Platz für die Verlegung des Leitungsnetzes in der Verlegetrasse vorhanden sein.
Energetische Analyse – Angebot vs. Bedarf
Zu Beginn einer jeden Prüfung auf Realisierbarkeit, steht die Gegenüberstellung des benötigten Wärmebedarfs zu den verfügbaren Niedertemperaturquellen am betrachteten Standort. Nur wenn ausreichende regenerative Quellen erschlossen werden können und standortnah zur Verfügung stehen, lohnt sich eine genauere Betrachtung hinsichtlich Machbarkeit und Rentabilität für den Errichter bzw. Betreiber.
Zu unterscheiden sind Neubau- und Bestandsprojekte. Handelt es sich um ein Neubauprojekt, wird aus der Wärmebedarfsberechnung der Wärmebedarf der anzuschließenden Gebäude (z. B. nach DIN EN 12831) entnommen und aufsummiert. Um Bestandsgebäude zu versorgen, kann der aktuell benötigte Energieverbrauch für erste Machbarkeitsprüfungen herangezogen werden. Ist eine energetische Sanierung geplant, wird der Wärmebedarf nach der Sanierung benötigt. Die Gesamtsumme dieser Bedarfe stellt den Bedarf dar, den es mit dem kalten Nahwärmenetz-System zu decken gilt.
Ausblick
Im zweiten Teil der Artikelserie in der nächsten Ausgabe der tab werden Planungsaspekte zu möglichen Wärmequellen aufgezeigt.