Das aktuelle Baurechtsurteil
Vertragsstrafe in einem konkreten Fall unwirksamDie Vereinbarung von Vertragsstrafen in vom Auftraggeber gestellten Bauverträgen sind gang und gäbe. Damit bezweckt der Auftraggeber, Druck auf den Auftragnehmer auszuüben, die Leistung vertragsgerecht zu erfüllen, insbesondere Fertigstellungstermine einzuhalten. Gelingt dies dem Auftragnehmer nicht, schuldet er die Vertragsstrafe, also die Zahlung einer „Strafsumme“ unabhängig vom Nachweis eines konkret eingetretenen Schadens. Meistens sind die Regelungen über die Vertragsstrafe als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren. Die Rechtsprechung hat dazu Grundsätze entwickelt, unter welchen Voraussetzungen solche Vereinbarungen zulässig sind. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.02.2024, VII ZR 42/22 eine in der Vertragspraxis durchaus verbreitete Vertragsklausel für unwirksam gehalten und damit in dem entschiedenen Fall die gesamte Vereinbarung der Vertragsstrafe gekippt.
Sachverhalt
Dr. Ingo Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Bild: medlay, Jörg Kersten
Die klagende Auftragnehmerin verlangte restlichen Werklohn aus einem Einheitspreisvertrag. Die beklagte Auftraggeberin machte demgegenüber die Vertragsstrafe geltend, weil Termine nicht eingehalten waren. In der maßgeblichen Vertragsklausel war u.a. vereinbart, dass der Auftragnehmer bei Überschreitung konkret genannter Einzelfristen oder der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzugs 0,2 % der im Auftragsschreiben genannten Netto-Auftragssumme zu zahlen hat, höchstens aber 5 % der im Auftragsschreiben genannten Netto-Auftragssumme. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob diese Klausel wirksam war. Von Bedeutung sind hier zwei Umstände: Zum einen der Abschluss eines Einheitspreisvertrages, zum anderen die Bezugsgröße „Auftragssumme im Auftragsschreiben“.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat die Klausel gekippt; sie benachteilige bei einem Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer unangemessen, soweit sie die Vertragsstrafe auf insgesamt 5 % der vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Netto-Auftragssumme begrenze. Im Zeitpunkt der schriftlichen Auftragserteilung stehe – so der Bundesgerichtshof – bei einem Einheitspreisvertrag, bei dem die Mengen und Massen nach dem (späteren) tatsächlichen Verbrauch berechnet werden, nur diese Vergütung fest. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs benachteilige eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel den Auftragnehmer dann unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von mehr als 5 % der Auftragssumme bei Überschreiten des Fertigstellungstermins vorsieht. Und genau diese Gefahr sah der Bundesgerichtshof in diesem Fall, weil nicht auf die Abrechnungssumme, sondern auf die bei Vertragsschluss zugrunde gelegte Auftragssumme abgestellt worden sei. Bei einem Einheitspreisvertrag könne – so der Bundesgerichtshof – die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die vor Auftragsdurchführung vereinbarte Netto-Auftragssumme im Falle einer – aus unterschiedlichen Gründen (etwa durch Verringerung der tatsächlich ausgeführten gegenüber den bei Vertragsschluss zugrunde gelegten Mengen) nicht bloß theoretisch denkbaren – nachträglichen Absenkung des Auftragsvolumens dazu führen, dass die vom Auftragnehmer zu erbringende Strafzahlung die Grenze von 5 % seines Vergütungsanspruchs übersteigt. Das sei unangemessen und führe zur Unwirksamkeit der ganzen Klausel.
Praxishinweis
Auftraggeber sollten bei der Vertragsgestaltung darauf achten, dass die Vertragsstrafe insgesamt nicht höher sein darf als 5% der tatsächlichen Abrechnungssumme. Bei einem Einheitspreisvertrag kann sie geringer sein, als die Vertragsparteien bei Vertragsschluss als Auftragssumme zugrunde gelegt haben. Auch Ingenieure und Architekten sollten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vertragsstrafen kennen; denn nicht selten wirken sie bei der Auftragserteilung mit, stellen gar die Vertragsformulare. Wie schnell Ingenieure und Architekten in den Haftungsfokus geraten können, wenn sie eine unwirksame Klausel empfehlen, zeigt die weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2023, VII ZR 190/22, zu einer Skontoregelung.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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