Effizienzsteigerung durch sanierte Gebäudeleittechnik und RLT-Anlage
Nachhaltigkeit mittels migrierter DatenpunkteUniversitäten und Hochschulen sind für fast die Hälfte der CO2-Emissionen in der hessischen Landesverwaltung verantwortlich und spielen somit eine große Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele. Die energetische Modernisierung des Biozentrums am Campus Riedberg der Goethe-Universität Frankfurt zeigt, wie sich ein Bestandsobjekt durch entsprechende gebäudetechnische Maßnahmen zu einem nachhaltigen Gebäude entwickeln kann.
Die Goethe-Universität Frankfurt zählt zu den größten Universitäten Deutschlands. Und sie möchte sich in den nächsten Jahren konsequent in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln: Schon 2021 hat sie „Entwicklung zu einer nachhaltig agierenden Universität“ zu einem ihrer zwölf strategischen Handlungsbereiche erklärt. Ein ganz wesentlicher Faktor ist in diesem Zusammenhang die Optimierung der Energieeffizienz von Gebäuden und anderen Infrastrukturen. Ansätze finden sich dabei auch an Stellen, an die man zunächst vielleicht gar nicht denken würde. Ein Beispiel ist der Betrieb von Laboren. Sicherheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen verlangen dort besonders leistungsfähige Lüftungskonzepte. Auch Klimakammern, Kälteanlagen oder Isotopenbereiche für radiochemische Analysen gehen mit einem hohen Energieverbrauch einher.
Das gilt umso mehr für eine so große Einrichtung wie das Biozentrum der Goethe-Universität: Das Herzstück des naturwissenschaftlichen Campus im Frankfurter Stadtteil Riedberg umfasst insgesamt sieben Gebäude mit rund 71.000 m2 Grundfläche. Seit den 1990er-Jahren können Studierende dort in Laboren, Messräumen und Büros Praktika absolvieren sowie eigene Versuchsreihen, bspw. auf dem Gebiet der Schmerzverarbeitung oder in der Alzheimer- und Schlaganfall-Erforschung, vorantreiben. Die vorhandene Lüftungstechnik in den sieben Gebäuden war bislang allerdings für mehr als 80 % des Wärmebedarfs sowie für über die Hälfte des Stromverbrauchs des gesamten Biozentrums verantwortlich. Das bedeutet umgerechnet nicht nur einen einstelligen Millionenbetrag an Energiekosten pro Jahr, sondern auch einen hohen CO2-Ausstoß.
Optimierung der Energieeffizienz
Vor diesem Hintergrund entschied sich die Universität im Zuge ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für eine energetische Sanierung des Biozentrums. Besonders im Fokus stand dabei die Optimierung der raumlufttechnischen Anlagen (RLT) als Haupt-Energieverbraucher. Diese arbeiteten noch mit Keilriemenantrieb ohne Wärmerückgewinnung und bedarfsgerechte Steuerung. So liefen die Lüftungsanlagen dementsprechend rund um die Uhr im Volllastbetrieb. Zudem erwiesen sich einzelne Volumenstromregler als defekt.
Durch eine grundlegende Modernisierung der RLT sollten diese einerseits zukunfts- und investitionssicher auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Andererseits ging es darum, Energiekosten zu senken, CO2-Emissionen zu reduzieren und nicht zuletzt einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten. Die hessische Landesregierung unterstützt das Projekt deshalb auch im Rahmen ihres „CO2-Minderungs- und Energieeffizienzprogramms für Hochschulen“ (COME-Programm) und übernimmt die Hälfte der Modernisierungskosten.
Das Konzept zur energetischen Modernisierung der raumlufttechnischen Anlagen im Biozentrum sieht drei Bauabschnitte vor: Zunächst statteten u. a. die Projektpartner Siemens und die Hürner Luft- und Umwelttechnik GmbH (HLU) das Laborgebäude N260 als Pilotprojekt mit neuer Technik aus. Als Referenz half dabei ein Testumbau von fünf Laboren, den Siemens schon vor einigen Jahren realisiert hatte und welcher diverse Erkenntnisse für die Umsetzung des Gesamtprojekts brachte.
Mehr Datenpunkte für bedarfsgerechte Regelung
Die entwickelte Lösung zur ganzheitlichen Modernisierung der raumlufttechnischen Anlagen integriert sich in die bestehende Gebäudeleittechnik: Das Automatisierungssystem „Desigo“ von Siemens. Neu zum Einsatz kommen „Desigo PXC“-Automationsstationen, die sich bereits in anderen Projekten der Goethe-Universität bewährt haben. Die Ein- und Ausgabemodule wurden im Zuge der Modernisierung von der bestehenden PTM-Technologie auf den aktuellen TX-IO-Standard migriert. Ein wesentlicher Vorteil dieser aktuellen und sehr kompakten Gerätegeneration: Sie erlaubt eine höhere Packungsdichte. Es passen also mehr Module – und damit mehr Datenpunkte – auf die gleiche oder sogar weniger Fläche. Das spart Platz im Schaltschrank und erleichtert außerdem die Installation. Im bisher fertiggestellten Gebäude N260 kommt zunächst eine Automationsstation mit 195 Datenpunkten zum Einsatz. Nach Abschluss aller drei Bauabschnitte werden es insgesamt drei neue Informationsschwerpunkte mit ca. 600 Datenpunkten sein. Zudem sollen dann an allen 39 Bestandsanlagen neue TX I/O-Module arbeiten, was rund 3700 migrierten Datenpunkten entspricht.
Auch die neu eingebaute Wärmerückgewinnungsanlage ist per BACnet-Kopplung an das vorhandene „Desigo“-System angebunden. Die Sonderabluftventilatoren der Laborabzüge wurden mit EC- bzw. mit umrichtergesteuerten Motoren ausgestattet, was eine bedarfsgerechte und dementsprechend energieoptimierte Regelung der Abluftleistung ermöglicht. In Kombination mit ebenfalls neuen Präsenztastern in den Laboren lassen sich die Luftwechselraten der Zu- und Abluftanlagen zudem an die tatsächlichen Raumbedürfnisse anpassen. So laufen die Lüftungsanlagen bspw. in nicht genutzten Bereichen bzw. außerhalb definierter Zeit nur im Teillastbetrieb. Darüber hinaus erfolgt über eine Istwert-Rückführung der Volumenstromregler eine kontinuierliche Luftbilanzierung anhand der jeweils eingeschalteten Laborabzüge. Ergänzt wird die energetische Modernisierung um ein individuell abgestimmtes Service- und Wartungspaket sowie ein Energiedatenmanagement, das einen zuverlässigen, effizienten und störungsfreien Betrieb sicherstellen soll.
Fazit
Dank des ganzheitlichen Modernisierungskonzepts und der engen Zusammenarbeit zwischen allen Projektpartnern profitiert die Goethe-Universität Frankfurt von beachtlichen Energieeffizienzsteigerungen: Im Vergleich zu den Vorjahren konnten rund 60 % an Wärmeenergie und 53 % des von den Lüftungsanlagen verbrauchten Stroms eingespart werden. Dies entspricht nach Hochrechnungen der Goethe-Universität allein für das erste umgebaute Gebäude rund 236.000 € weniger Ausgaben für Strom und Fernwärme pro Jahr. „Die Höhe der Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen“, resümiert Gabi Lilienthal, Teamleitung technische Gebäudeausrüstung an der Goethe-Universität Frankfurt, „und sie zeigt, welches Potenzial in der energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden steckt.“ Der zweite Bauabschnitt umfasst drei weitere Gebäude (N210, N230 und N240). N210 und N240 sind bereits abgeschlossen und N230 wird im Laufe des Jahres 2024 abgeschlossen. Die letzten drei der insgesamt sieben Laborgebäude sollen dann bis 2025 im dritten Bauabschnitt folgen.
tab blickt ins Detail: Modernisierte RLT-Anlagen inklusive Wärmerückgewinnung
In dem Sanierungsprojekt des Biozentrums der Goethe-Universität Frankfurt waren neben Siemens und Hürner Luft- und Umwelttechnik (HLU) weitere Gewerke beteiligt, so auch BerlinerLuft. Technik. Bei ihnen lag die Verantwortung für die Planung und Ausführung der neuen RLT-Anlage. Wichtige Elemente des Energiekonzepts sind neue, energieeffiziente Zu- und Abluftanlagen (nach ErP 2018), die in allen sieben Gebäuden des Biozentrums eingesetzt werden sollen.
Herzstück der energetischen Sanierung im Gebäude N260 ist eine energieoptimierte RLT-Anlage aus der Baureihe „HygCond“ von BerlinerLuft. Technik. Die neue Anlage arbeitet mit einem Volumenstrom von 41.000 m3/h (Nacht) bzw. 62.000 m3/h (Tag). Zum Vergleich: Die Bestandsanlage war auf eine Luftmenge von 68.000 m3/h ausgelegt. Wegen defekter Abluftregler wurde mehr Luft benötigt, nämlich 78.000 m3/h. Um Druckverluste zu minimieren, wurde bei der Sanierung auf strömungsgünstige Anschlusspunkte der Lüftungsrohre an die Ventilatoren und einen optimierten Kanalverlauf geachtet. Zusätzlich wurde die Elektroinstallation sowie Mess-, Steuer- und Regeltechnikinstallation (MSR) optimiert. Dadurch hat sich der Stromverbrauch der zentralen RLT-Anlage um 70 % reduziert. In Summe wurden 68 Radialluftventilatoren in den Baugrößen 160 bis 250 in N260 im Biozentrum verbaut. Die neuen Ventilatoreinheiten arbeiten mit über 80 % Motorenwirkungsgrad.
Für eine optimale Wärmerückgewinnung sind die Zu- und Abluftanlage in N260 zusätzlich mit dem System „EcoCond“ in Vollversion ausgeführt. Es handelt sich laut BerlinerLuft. Technik um ein hocheffizientes Wärmerückgewinnungssystem zum Heizen und Kühlen. In der Vollversion schafft es einen Temperaturübertragungsgrad ≤ 80 % und soll aufgrund sparsamer Betriebsweise die Lebenszykluskosten raumlufttechnischer Anlagen senken. Das Kreislaufverbundsystem besteht aus Gegenstrom-Luft-Wasser-Wärmeüberträgern, einer drehzahlgeregelten hundertprozentigen redundanten Hochdruck-Kreisel-Pumpentechnik, hydraulischer Verbindungen und einem Controller für die Wärmerückgewinnung. Diese hat nach EN 308 im Gebäude N260 einen Wirkungsgrad von mindestens 69 % unter Volllastbedingungen – bei reduzierter Betriebsweise steigend. Die Abluftmenge lässt sich gänzlich ohne Volumenstromregler bestimmen. Auch ein Betrieb in Teillast mit reduzierten Luftmengen ist so möglich, was zusätzlich Energie einspart. Im Volllastbetrieb lässt sich eine Stromersparnis für die Sonderablüfter von 71 % realisieren. Im Teillastbetrieb sind es mögliche 89 %.