Pilotprojekt mit H2-Brennwertkesseln

Lokales Netz speist Wärmerzeuger mit 100 % Wasserstoff

In der Wärmeversorgung zählt Wasserstoff zu den Hoffnungsträgern der Energiewende. Unter dem Namen „H2HoWi“ hat der Heiztechnikhersteller Remeha in Kooperation mit dem Verteilnetzbetreiber Westnetz in Holzwickede ein Pilotprojekt mit Wasserstoff-Brennwertkesseln gestartet, die über ein lokales Netz versorgt werden. Das vorhandene Erdgasnetz konnte hierfür genutzt werden. In dieses speist jetzt ein zentraler Druckgasspeicher ein, der regelmäßig von einen LKW aufgefüllt wird.

Seit Mitte 2019 testet die Remeha-Konzernmutter BDR Thermea Group im niederländischen Rozenburg nahe Rotterdam die weltweit ersten wasserstoffbetriebenen Brennwertkessel unter realen Bedingungen. Der Wärmeerzeuger wurde im konzerneigenen Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung in Italien entwickelt. Die Geräte sind in Pilotprojekten in den Niederlanden, England und Frankreich im Einsatz und verfügen über das Prüfzeichen für Feldtestanlagen vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVWG). Die Brennwertkessel haben eine Leistung von 24 kW und sie verbrennen reinen Wasserstoff. Ziel ist, eine breite Basis für Heizungs- und Warmwasserlösungen zu finden, die ohne Kohlendioxid-Emissionen auskommt.

Vier dieser marktreifen Prototypen von Brennwertgeräten auf Basis von 100 % Wasserstoff als Energieträger sind nun seit Oktober 2022 in dem deutschlandweit bislang einmaligen Pilotprojekt „H2HoWi“ (steht für H2 und Holz Wickede) in Holzwickede bei Dortmund im Einsatz. Konkret hat dort der Verteilnetzbetreiber Westnetz GmbH, eine Tochtergesellschaft der Westenergie AG, eine Erdgasleitung auf den Transport von H2 umgestellt. Abnehmer des Wasserstoffs vor Ort sind drei Betriebe: die Seifenspender Manufaktur Fritz Ostermann GmbH (seifomat), der Infrastruktur-Spezialist für Daten und Elektromobilität Gatter 3 Technik GmbH und die technotrans solutions GmbH, die Anlagen für das Thermomanagement in der Industrieproduktion anbietet. Die drei Betriebe decken mit den Wasserstoff-Brennwertgeräten die Grundlast für ihre Gebäude.

Versorgung per Speicher und Leitung

Westnetz hat in dem Projekt eine vorhandene Mitteldruck-Erdgasleitung von ca. 500 m Länge vom Verteilnetz getrennt und an einen Wasserstoffspeicher angeschlossen. Dieser wird mit Wasserstoff (Reinheit 99,9 %) gefüllt, der bei einem Druck von maximal 42 bar gespeichert wird. Daran angeschlossen ist eine Gasdruckregelmessanlage, die den Druck des Wasserstoffs für die weitere Verteilung herunterregelt. Im Speicher befindet sich ein Sensor, der einen Niedrigstand online direkt an den Gaslieferanten meldet.

Wasserstoff ist das kleinste Molekül. Macht es das für den Transport problematisch, weil es durch Metalle entweichen könnte? Jein! In Molekularform kann gasförmiger Wasserstoff bei normalen Umgebungstemperaturen nicht einfach in Metalle eindringen. In Holzwickede wird dennoch eine Erdgasleitung aus Kunststoffrohren als Wasserstoffleitung genutzt. Im Pilotprojekt wird über einen Permeationsschacht überprüft, welche Mengen an Wasserstoff die Leitung durchdringen. Die ersten Ergebnisse haben gezeigt, dass diese in einem unkritischen Bereich liegen.

Allerdings kann Wasserstoff eine Versprödung von Metall verursachen. Doch es gibt hier spezielle Legierungen, die weniger anfällig sind. So hat beispielsweise die Sanha GmbH & Co. KG aus Essen bereits 2020 ihr Rohrleitungssystem „Sanha-Press Gas“ aus Kupfer vom niederländischen Zertifizierungsinstitut KIWA prüfen und zertifizieren lassen. Es ist damit für den Wasserstofftransport innerhalb von Gebäuden zugelassen. Das umfangreiche Produktprogramm beinhaltet die Dimensionen 15 bis 54 mm. Damit lassen sich Projekte in so gut wie jeder gängigen Größenordnung realisieren.

Angepasste Kessel

Wie Erdgas ist Wasserstoff geruchlos. Damit ein Leck in der Leitung schnell bemerkt wird, wird er am Ausgang der Anlage mit einem Geruchsstoff versehen (Odorierung). Durch die umgestellte Erdgasleitung wird der Wasserstoff dann zum Verbraucher transportiert. Es wurde außerdem bewusst versucht, so viel wie möglich der bestehenden Erdgasleitung zu verwenden. Bislang sind hier keine negativen Effekte zu sehen.

Am anderen Ende wurden mehrere spezielle Sensoren in den jeweiligen Heizräumen und den Wasserstoff-Brennwertkesseln verbaut, um das Gefahrenpotenzial auf ein Minimum zu reduzieren. Auch mussten an den Wasserstoff-Brennwertkesseln im Vergleich zum Erdgas-Pendant diverse Veränderungen vorgenommen werden. Das liegt unter anderem an diesen Daten: Wasserstoff hat in der Verbrennung eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit und eine etwa 160 Kelvin höhere Flammentemperatur als Erdgas – ca. 2.130 °C bei H2 und 1.960 °C bei Erdgas. Der Heizwert von Wasserstoff hingegen ist mit ca. 3 kWh/m3 wesentlich geringer als der von Erdgas mit ca. 10 kWh/m3. Da aktuell noch Patent-Anmeldungen laufen, lassen sich zu den Veränderungen an den Kesseln momentan keine detaillierten Aussagen treffen. Über das Pilotprojekt werden die Beteiligten allerdings weitere Erfahrungen diesbezüglich sammeln und prüfen, wie ein Betrieb über einen längeren Zeitraum, beispielsweise über 20 Jahre, gewährleistet werden kann.

Dezentrale Netze

Perspektivisch gesehen wäre die Wärmeversorgung über Wasserstoff z. B. in Form von Quartierslösungen sinnvoll. Hier würden 50 bis 100 Häuser an eine dezentrale Wasserstoffversorgung angeschlossen, die dann mit Wasserstoffheizgeräten beheizt würden. Wasserstoff wird für die Energiewende im Wärmesektor allerdings nur dann eine Rolle spielen können, wenn es sich um „grünen“ Wasserstoff handelt, nämlich solchen, der mithilfe von Wind- oder Solarstrom per Elektrolyse erzeugt wird. Remeha zufolge werden wahrscheinlich zu Beginn einige „Insellösungen“ umgesetzt, also die Umstellung einzelner kleinerer Erdgas-Verteilnetze auf 100 % Wasserstoff. Ebenso können in Zukunft Betreiber ihren Wasserstoff auch selbst über Elektrolyseure herstellen; zum Beispiel mithilfe von Photovoltaik-Anlagen. Es gibt bereits mehrere Hersteller von Elektrolyseuren am Markt und die Entwicklung wird hier in Bezug auf die Effizienz und den Wirkungsgrad stetig besser.

Hochlauf für grünen Wasserstoff

In künftigen Projekten will Remeha auch die Kombination eines 100-%-Wasserstoffkessels mit einer Wärmepumpe testen. Eine solche Hybrid-Konstellation, in der der Wasserstoffkessel als Spitzenlastkessel zum Einsatz kommt, gilt als schneller und reibungsloser Übergang zum Heizen mit erneuerbaren Energien.

Die Verbreitungsmöglichkeiten am Markt werden neben den technischen Fragen am Ende auch von der Wirtschaftlichkeit eines solchen Systems bestimmt. Wenn man sich die Investitionskosten für den Betreiber anschaut, so bewegen sie sich im vergleichbaren Rahmen wie bei der Sanierung mit einem Erdgasbrennwertkessel. Auch die Wartungskosten werden sich auf Augenhöhe bewegen. Aktuell ist die Wärme aus Wasserstoff teurer als Erdgas. Heute lässt sich die Preisentwicklung kaum absehen, da es noch keinen Markt gibt, insbesondere keinen für den Wärmesektor. Mit dem Hochlauf der Wasserstoffproduktion wird sich das nach Experteneinschätzung in Zukunft aber nahezu egalisieren.

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