Aktuelles aus dem Baurecht: Werkvertrag
Zur Unwirksamkeit eines WerkvertragesDieser Beitrag geht der Frage nach: Kann ein Werkvertrag unwirksam sein, wenn der Werklohn den Gegenwert der angebotenen Leistung erheblich übersteigt?
Unwirksames Geschäft
Ein Rechtsgeschäft wie ein Werkvertrag ist unwirksam, wenn er sittenwidrig ist. In der deutschen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine solche Sittenwidrigkeit bei einem sogenannten „wucherähnlichen Rechtsgeschäft“ vorliegt. Zur Annahme eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen muss ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung vorliegen. Zum anderen müssen subjektive Umstände wie die verwerfliche Gesinnung eines Vertragspartners hinzutreten, um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft zu begründen.
Auffälliges Missverhältnis
Ein objektiv auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hat die Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung. Ob die Grenze des groben Missverhältnisses bereits bei 90 % oder erst bei 100 % erreicht ist, ist jedoch nicht objektiv zu bestimmen und daher anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Die bisherige Rechtsprechung hat sich im Kern mit dem groben Missverhältnis im Kaufvertragsrecht beschäftigt. Dort ist einfacher zu beurteilen, ob die Leistung (Kaufgegenstand) und die Gegenleistung (Kaufpreis) in einem groben Missverhältnis stehen als im Werkvertragsrecht, in dem das Leistungsbild regelmäßig vielschichtiger sein kann.
Nichtsdestotrotz hat die Rechtsprechung in jüngster Zeit auch für Werkverträge festgestellt, dass sie sittenwidrig sind, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Das Landgericht Gießen hat diesbezüglich jüngst festgestellt, dass dies selbst dann der Fall ist, wenn sich die Größenordnung des groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in absoluten Zahlen nur im niedrigen vierstelligen Euro-Bereich bewegt (vgl. Urteil vom 23. Juli 2014 – Az.: 1 S 56/14).
Verwerfliche Gesinnung
Zur Annahme der Unwirksamkeit eines Werkvertrags ist neben dem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die verwerfliche Gesinnung eines Vertragspartners erforderlich.
Regelmäßig schließen Gerichte aus dem Umstand, dass das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob erscheint auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands. Mit anderen Worten gehen Gerichte bereits dann von der verwerflichen Gesinnung eines Anbietenden aus, wenn der Werklohn den Wert der angebotenen Leistung knapp um das doppelte übersteigt.
Etwas anderes gilt selbstverständlich dann, wenn es sich bei dem Vertragspartner ebenfalls um einen Fachmann handelt, der den Wert von Leistung und Gegenleistung selbst kennt oder zumindest kennen müsste. In diesem Fall kann nicht von einer verwerflichen Gesinnung des Anbietenden ausgegangen werden.
Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Auftraggeber in Kenntnis der Überteuerung des ihm angebotenen Preises einen Auftrag vergibt. Der Auftraggeber soll gerade nicht in seiner Auswahl eines zu beauftragenden Unternehmens eingeschränkt werden.
Praxishinweis
Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass derjenige, der behauptet, der Werklohn sei mehr als doppelt so hoch wie die erbrachte Gegenleistung und ein Vertrag somit sittenwidrig, diesen Umstand zu beweisen hat. Ein solcher Beweis ist regelmäßig nur durch ein Sachverständigengutachten zu führen.