Gebäudetechnik zieht an Hochbau vorbei
Vor wenigen Tagen hat die Imtech Deutschland GmbH, früher Rudolph Otto Meyer, mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihren 150. Geburtstag gefeiert. Das Unternehmen hat sich in den 110 Jahren des Bestehens des BHKS bzw. seiner Vorgänger stets aktiv nicht nur in die Weiterentwicklung der Branche, sondern auch ihrer ältesten Branchen-Organisation eingebracht. Als Beitrag zum Unternehmensjubiläum, zugleich auch als Dank und Anerkennung, wird ihm die nachfolgende Untersuchung gewidmet.
In der deutschen Bauwirtschaft ist Bedeutendes geschehen, in den letzten wenigen Jahren. Weitgehend unbemerkt in der Beobachtung selbst der Fachöffentlichkeit hat sich der Wirtschaftszweig Gebäudetechnik an dem Jahrzehnte, ja Jahrhunderte lang dominierenden (Roh-)Hochbau langsam, aber unzweifelhaft vorbeigeschoben. Sollte diese Situation anhalten, müssten wichtige Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung künftig anders als bisher ablaufen.
Dass der stets und überall sich vollziehende Strukturwandel in der Bauwirtschaft diese epochale Veränderung genommen hat, ist nicht so leicht zu übersehen, weil es keine Statistik gibt, aus der die wirtschaftliche Bedeutung der beiden Sektoren Hochbau einerseits und Gebäudetechnik andererseits ohne Weiteres ablesbar wäre. Man muss sich vielmehr selbst auf den Weg begeben, um Elemente aus den verschiedensten Statistik-Bereichen zusammenzutragen. Dabei kommt man auch stellenweise nicht an Schätzungen vorbei, die das gesamte Rechenwerk ungenau, und damit angreifbar, machen. Gleichwohl: Alle hier vorgenommenen Rechnungen und Schätzungen sind mit größtmöglicher Leidenschaftslosigkeit vollzogen worden, so, wie es ein fachkundiger Analyst ohne jegliche Interessenbindung vermutlich auch getan hätte.
Die Struktur der Bauwirtschaft
Es ist üblich, und es entspricht den praktischen Gegebenheiten, das gesamte Baugewerbe in zwei große Gruppen einzuteilen: das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe. Zum Bauhauptgewerbe werden alle Wirtschaftssubjekte gezählt, deren Tätigkeit überwiegend darin besteht, Hochbauten im Rohbau zu errichten, Tiefbauvorhaben auszuführen oder bestimmte Spezialbauarbeiten vorzunehmen. Wirtschaftssubjekte des Ausbaugewerbes nehmen Ausbauarbeiten unter Einschluss von Reparatur- und Unterhaltungsarbeiten am Bau vor. Diese eher sachlogisch begründete Einteilung hat in der Klassifikation aller Wirtschaftszweige der deutschen Wirtschaft unter der Bezeichnung WZ 2003 ihren formalen Niederschlag gefunden. Gleiches geschah auf europäischer Ebene im Rahmen des so genannten NACE (nomenclature générale des activités économiques) – Systems. In einer unkomplizierten Durchnummerierung aller Wirtschaftszweige trägt das Baugewerbe sowohl in der WZ 2003 als auch in der NACE (Rev. 1.1) die Nummer 45 [1]. Wie nahezu alle anderen Wirtschaftszweige auch wird das Baugewerbe in den genannten Klassifizierungs-Systemen unterteilt in so genannte „Abteilungen“, deren Struktur aus Tabelle 1: „Struktur des Baugewerbes“ ersichtlich ist.
Die Suche nach den Daten
Das Problem, das Menschen zu lösen haben, die die in Tabelle 1 genannten Wirtschaftsbereiche quantifizieren – und damit ihre jeweilige Bedeutung bewerten – wollen, besteht darin, möglichst konsistente Datensätze für möglichst niedrig aggregierte Gruppen von Wirtschaftssubjekten zu finden. Es ist dies keine einfache Aufgabe, weil gerade für den Bereich des Ausbaugewerbes die verfügbare amtliche Datenmasse alles andere als zufrieden stellend zu bezeichnen ist. Unmittelbar ablesbar ist nur sehr wenig. Man muss daher aus mehreren Quellen die jeweils belastbaren Informationen sammeln, kritisch bewerten und zu einem größeren Puzzle zusammen setzen. (Dipl.-Kffr. Anne Burkard hat sich dieser Aufgabe in einer mühsamen, aber vorbildlichen Weise unterzogen, ohne die diese Untersuchung nicht möglich gewesen wäre. Der Autor und alle, die an dem Artikel Gefallen finden sollten, haben ihr dafür zu danken.)
An statistischen Grundlagen für das Baugewerbe in Deutschland sind im Wesentlichen vorhanden:
1. die Umsatzsteuerstatistik, in der jeweils alle Unternehmen erfasst werden, die im Kalenderjahr Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Lieferungen und Leistungen oberhalb von 17 500 € je Jahr abgegeben haben. Nicht erfasst werden somit Jahreszahler, also Unternehmen, die keine Voranmeldung abgeben müssen, Unternehmen mit jährlichen Umsätzen bis zu 17 500 € und Unternehmen, die keine Umsatzsteuer bezahlen müssen. Abgesehen von den letztgenannten, quantitativ eher untergewichtigen Ausnahmen, haben die Daten aus dieser Statistik eine recht hohe Qualität (Anmerkung: Im Jahr 2006 haben etwas mehr als 3 Mio. Unternehmen in Deutschland Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben. Die Lieferungen und Leistungen aller Unternehmen erreichten 4,93 Bio. €).
2. die Totalerhebung im Bauhauptgewerbe: auf der Grundlage des Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe (ProdGewStatG) vom 21. März 2002 wird in allen Betrieben des Bauhauptgewerbes jährlich einmal eine Reihe von Merkmalen erfragt: u.a. Zahl der Beschäftigten, ihre Stellung im Betrieb, Bruttolohn- und -gehalts-Summe, Umsatz etc. Die Qualität der erfassten Daten wird von der Statistik-Verwaltung des Bundes als „hoch“ eingestuft.
3. Die unter 2. zitierte Totalerhebung ist die Ergänzung zur monatlichen bzw. vierteljährlichen Bauberichterstattung ebenfalls im Bauhauptgewerbe, die allerdings nur in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten sowie bei allen Arbeitsgemeinschaften unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl durchgeführt wird. Auf diese Weise entstehen regelmäßig Baudaten für 5 bis maximal 10 % aller Betriebe.
4. Teil der Bauberichterstattung ist auch eine vierteljährliche Teilerhebung in Betrieben des Ausbaugewerbes, die sich ebenfalls auf die Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten beschränkt.
5. die Zusatzerhebung im Ausbaugewerbe, die jährlich einmal in allen Betrieben des Ausbaugewerbes mit zehnund mehr tätigen Personen durchgeführt wird.
Eine besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang noch die verdienstvollen, langjährigen Bemühungen einer Sondereinheit im DIW – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, die den Begriff des „Bauvolumens“ in die fachliche Diskussion eingeführt hat und mit seiner Hilfe versucht, die unterschiedlich motivierten Lücken, die sich bei der Datenerfassung zwangsläufig ergeben, für eine aktuelle Bewertung des Baugeschehens zu schließen.
Ab 2005 Gebäudetechnik vorne
Wenn man alle die soeben skizzierten Schwierigkeiten bei der Datensammlung in einer fachlich vertretbaren Weise überwindet, entsteht ein Bild, das in Bild 1 „Umsatz Hochbau und Bauinstallation“ wiedergegeben wird. Es zeigt, dass bis zum Jahr 2000 die Umsätze des Hochbaus als Teil des Bauhauptgewerbes („Roh“-Hochbau) z.T. deutlich über denen der Gewerke der Bauinstallation gelegen haben. Die Jahre 2001 bis 2004 waren durch eine Situation „auf Augenhöhe“ zwischen beiden Sektoren gekennzeichnet. Das Jahr 2005 markierte insofern einen Umbruch, als die Umsätze der Gewerke der Bauinstallation erstmals deutlich über denen des Hochbaus lagen. Dies gilt auch für die beiden sich anschließenden Jahre (siehe auch Tabelle 2: „Die Umsätze im Hochbau und in der Bauinstallation“).
Ein kritischer Teil der aus Bild 1 und Tabelle 2 folgenden Darstellung betrifft den Teilsektor „Dämmung gegen Kälte, Wärme, Schall, Erschütterung“. Er wird in allen internationalen und nationalen Systematiken ganz zweifelsfrei dem Bereich „Bauinstallation“ und damit nahezu ohne Einschränkungen dem Ausbaugewerbe zugewiesen. In der WZ 2003 steht er als Nummer 45.32 zwischen „45.31 Elektroinstallation“ und „45.33 Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallationen“ und rubriziert damit unter den gebäudetechnischen Gewerken im engeren Sinn. Gleichwohl werden viele Fachkollegen den Bereich dem „Bauhauptgewerbe – Hochbau“ zuschlagen wollen. Ein näherer Blick in die Abgründe der WZ 2003 zeigt als Aktivitäten, die dem Code „45.32“ zugeordnet sind u.a.: Akustikbau, Akustikinnenbau, Bauinstallation (Dämmung gegen Kälte, Wärme, Schall und Erschütterung), Brandschutzarbeiten, Dämmarbeiten (auch an Kesseln und Rohren), Folienbeschichtung von montierten Fensterscheiben zur Dämmung gegen Kälte und Wärme, Trockenbau, Isolierbau, Lärmdämmung in Bauwerken, Rohrisolierung, Strahlenschutzbau, Tankisolierung und Tankschutz.
Tabelle 3: „Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe“ legt nahe, dass, selbst wenn ein größerer Teil der unter der Nummer „45.32“ rubrizierten Tätigkeiten aus fachlicher Sicht dem Hochbau zugeschlagen würde, immer noch ein Übergewicht der bauinstallierenden Gewerke verbleibt, die wir uns in den letzten Jahren immer mehr angewöhnt haben als „Gebäudetechnik“ zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass auch umgekehrt ein Teil der Aktivitäten, die die Statistik dem Hochbau oder anderen Wirtschaftszweigen zurechnet, offensichtlich installierenden Charakter haben. Zwei Beispiele für andere ist die Ausgliederung der „Installation von kälte- und lufttechnischen Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke“ sowie der „Verlegung von Kabeln, Frei- und Fahrleitungen“ aus den Bereichen der Bauinstallation.
Fazit
Es kann keinen vernünftigen Zweifel geben: die gebäudetechnischen Gewerke haben seit zwei, drei Jahren den Hochbau ein-, ja überholt und stehen ihm nun Aug’ in Auge auf den Märkten der Bauwirtschaft gegenüber.
[1] Ab 1. Januar 2008 müssen alle neuen europäischen Statistiken nach den neuen Systemen WZ 2008 bzw. NACE – Rev. 2 erstellt werden. Das Baugewerbe ist darin etwas anders strukturiert als bisher. Die Umstellung der Daten der bisherigen Kategorien auf die neuen Kategorien wird wohl einige Jahre in Anspruch nehmen.