Aus unerwartetem Grund

Haftung des Architekten für Rechtsrat

Architekten und Ingenieure sollen auch (bau-)rechtlich fit sein, wünschen sich die Bauherren. Mischt sich der Architekt aber zu tief in einen rechtlichen Streitfall, kann er wegen verbotener Rechtsdienstleistungen dem Bauherrn haftbar sein. Wie diese aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz (Az. 3 U 2182/19) zeigt.

Sachverhalt

Der Bauherr eines Einfamilienhauses gerät mit einem Bauunter­nehmer noch vor Ausführung der Arbeiten in einen Streit über Termine und Fristen. Daraufhin rät der Architekt zur Kündigung. Der gekündigte Handwerker macht „entgangenen Gewinn“ in Höhe von rund 12.000 € geltend. Anwaltlich beraten einigt sich der Bauherr schließlich auf einen Betrag von rund 5.000 €. Diesen verlangt er nun von seinem Architekten zurück.

Entscheidung

Dr. Harald Scholz,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hamm
Bild: medlay, Jörg Kersten

Dr. Harald Scholz,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Hamm
Bild: medlay, Jörg Kersten
Mit Erfolg! Das Landgericht gibt dem Bauherrn Recht, das Oberlandesgericht Koblenz führt mit dem Hinweisbeschluss aus, die Berufung im schriftlichen Verfahren zurückweisen zu wollen. Der Architekt verstößt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), wenn er in einer komplexen Vertragssituation Rat zu konkreten Problemen erteilt und an der Umsetzung mitwirkt.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz lässt zwar rechtlich geprägte Nebenleistungen zu, wenn sie zu einem Berufsbild gehören. Dies gilt für Architekten vielleicht in besonderem Maße, da die Bearbeitung bestimmter rechtlicher Aspekte geradezu zu deren Pflichtaufgaben gehören. Hierzu gehört aber nicht die Beratung und Vertretung des Bauherrn in einem konkreten rechtlichen Konflikt mit einem Auftragnehmer. Diese Tätigkeit, die der Architekt auch nach außen hin entfaltet hat, verlässt den Rahmen der erlaubten Nebenleistung nach § 5 RDG. Der Architekt hat die Kündigung veranlasst und dem Handwerker gegenüber deren Wirksamkeit bestätigt. Da diese Rechtsdienstleistung nicht erlaubter Teil des Architektenvertrages sein kann, ergeben sich konsequent keine vertraglichen Ansprüche. Der Verstoß stellt sich aber als fahrlässiger Verstoß gegen ein Schutzgesetz dar (§ 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 2 Abs.1 und 3 RDG). Die rechtliche Beratung war dem Architekten verboten. Dieser Verstoß hat einen zurechenbaren Schaden zur Folge gehabt. Das Gericht lässt sogar offen, ob die Kündigung bei vertiefter Prüfung aus wichtigem Grund gerechtfertigt war oder nicht. Jedenfalls sei eine schwierige rechtliche Konstellation entstanden, die durch die verbotene Tätigkeit des Architekten herausgefordert worden sei und in der es vernünftig war, den Streit mit einem Vergleich zu beenden.

Anmerkung

Zunächst einmal gilt mein Mitgefühl an dieser Stelle allen Architekten (und entsprechend den betroffenen Ingenieuren). Auf der einen Seite verlangen Bauherren als Teil der Planungsleistung selbstverständlich gute rechtliche Kenntnisse und erwarten, dass der Dienstleister baurechtliche Fragen aller Art im Griff hat. Da wird manchmal sogar mit Schadensersatz gedroht, wenn der Architekt bestimmte rechtliche Aufgaben nicht übernehmen will, z.B. die Erarbeitung eines „ausgefuchsten“ Vertrages. Auf der anderen Seite droht jedoch das „Zuviel“. Der Architekt soll sich nicht als Ersatz-Rechtsanwalt in juristischer Auseinandersetzungen einmischen; dies verstößt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Kein Wunder, wenn das Unsicherheiten schafft! Falsch ist die Entscheidung jedoch nicht. Wie stets in solchen Fällen, muss die erlaubte „rechtliche Nebenleistung“ von der nicht mehr erlaubten „rechtlichen Hauptleistung“ abgegrenzt werden. Dies macht das OLG Koblenz plausibel unter Zuhilfenahme des Zwecks des Gesetzes, nämlich den Rechtssuchenden vor nicht ausreichend qualifizierter Rechtsdienstleistung zu schützen. Für Architekten (und Ingenieure) gilt die Faustformel: Was bei der Begleitung eines Bauvorhabens auch bei ordentlichem Verlauf an rechtlicher Tätigkeit wiederkehrend erforderlich wird, darf im Normalfall auch geleistet werden, so etwa

- Diskussion mit der Baubehörde über bauplanungsrechtliche Fragen,
- Beurteilung vergaberechtlicher Fragen bei Vergaben öffentlicher Auftraggeber,
- Verwendung eines Standardvertrages,
- Aufforderung zur Mangelbeseitigung, 
- Gespräche über Mängel, Nachträge oder andere Vertragsfragen, 

wenn das Recht nicht offensichtlich im Vordergrund steht.

Die Warnlampe sollte immer dann angehen, wenn tiefgreifender Streit zwischen Bauvertragsparteien entsteht oder wenn rechtlich geprägte endgültige Entscheidungen von einiger Bedeutung getroffen werden.

Vertrackter Nebeneffekt eines solchen Urteils: Die Haftpflichtversicherung deckt im Normalfall nur, was zum Berufsbild gehört. Und dazu gehört verbotene Rechtsdienstleistung definitionsgemäß nicht. Der Architekt muss den Schaden also hier wohl aus eigener Tasche bezahlen.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 19 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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