Wärmepumpe ungewöhnlich verortet
Kombiniertes Pilotprojekt im GeschosswohnungsbauDass Wärmepumpen sich auch für einen Einsatz im engbebauten Bestand eignen, zeigt ein Musterprojekt im Mönchengladbacher Stadtteil Lürrip. In dem Objekt der Düsseldorfer LEG Immobiliengesellschaft wurden von Juli 2022 bis zum Frühjahr 2023 in Rekordbauzeit 48 Wohneinheiten energetisch auf den neuesten Stand gebracht. Das Pilotprojekt zeigt einen Weg zur beschleunigten Bestandssanierung im Geschosswohnungsbau.
In ganz Deutschland finden sich Tausende von Wohngebäuden, die in den Nachkriegsjahrzehnten errichtet und bis heute nie grundlegend modernisiert wurden. Auch die 50er-Jahre-Wohnanlage im Mönchengladbacher Stadtteil Lürrip, bestehend aus zwei dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern, machte hier keine Ausnahme und musste dringend energetisch saniert werden. Von den 48 Wohneinheiten nutzten bislang 41 eine Gasetagenheizung und sechs noch Speicherheizungen, so genannte „Nachtspeicheröfen“. Insgesamt benötigte das Gebäude bisher ca. 700.000 kWh Wärmeenergie pro Jahr und fiel damit in die schlechte Energieeffizienzklasse H. Ein Ärgernis für den Eigentümer, die Düsseldorfer LEG Immobilien SE, aber auch für die Mieter, die in den vergangenen beiden Jahren teilweise 300 % Steigerung ihrer Energiekosten hinnehmen mussten.
Serielle Sanierung
Die LEG setzte bei dem Objekt in der Zeppelinstraße auf ein neues Konzept, die „serielle Sanierung.“ Einer der Wegbereiter dieses neuen Ansatzes war „Renowate“ – ein Joint Venture, das die LEG Anfang 2022 zusammen mit dem österreichischen Bauunternehmen Rhomberg gründete, um Gebäudesanierungen aus einer Hand anbieten und realisieren zu können. Renowate setzt für den Bauherrn einen End-to-End-Prozess um, von der Bestandsaufnahme bis zur symbolischen Schlüsselübergabe. Das steigert das Sanierungstempo und vermindert Reibungsverluste durch langwierige Abstimmungsprozesse.
Pläne und Ziele
Das Projekt in Mönchengladbach hatte eine Pilotfunktion. Zwölf weitere Sanierungsprojekte sind bereits geplant und werden dazu beitragen, das Verfahren zusätzlich zu optimieren und weitere Erfahrungen zu sammeln, nicht zuletzt in puncto Skalierbarkeit. „Der zügige Austausch alter Gasheizungen in Mehrfamilienhäusern, kombiniert mit der energetischen Sanierung der Gebäude gelingt nur mit digitalen, seriellen Modernisierungsprozessen im industriellen Maßstab, die die Planungs- und Bauprozesse signifikant beschleunigen und die Sanierungskosten reduzieren“, sagt Johannes Brunn, Geschäftsführer von Renowate. Das Konzept der seriellen Sanierung soll künftig in der gesamten DACH-Region angeboten werden. Ziel des Unternehmens ist es, einer der führenden Lösungsanbieter für die effiziente energetische Erneuerung von Geschosswohnungsbauten sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz zu werden.
Industrielle Vorfertigung
Zunächst verwendet Renowate Laserscanning-Technologie, um einen digitalen Zwilling des Bestandsgebäudes zu erstellen. Mit dessen Hilfe kann die neue Gebäudehülle dann ortsunabhängig industriell vorgefertigt werden. Im Fall der Gebäude in Mönchengladbach-Lürrip etwa stammen die Holz-Fassaden aus Estland. Spektakulär sieht es aus, wenn die großflächigen Fassendenteile angeliefert und in einem Schritt in nur kurzer Zeit am zu sanierenden Gebäude angebracht werden.
Auch die Platzierung der rund 290 kg schweren Luft-Wasser-Wärmepumpen im Dachgeschoss war ein spannendes Schauspiel. Die Anlagen wurden mit Schwerlastkränen durch das geöffnete Dach an die vorgesehenen Einbaustellen transportiert und auf den vorbereiteten Unterkonstruktionen platziert. Dieser Vorgang dauerte pro Gebäude nur wenige Stunden.
Überhaupt ist Zeit bei der seriellen Sanierung ein wichtiger Faktor. Gegenüber einer konventionellen Sanierung ist die Bauzeit deutlich verkürzt. Ein weiterer Vorteil: Baustellenlärm und -staub werden durch die Verwendung von vorgefertigten Bauteilen auf ein Mindestmaß reduziert. In Mönchengladbach musste so während der Bauphase kein Mieter die eigene Wohnung verlassen.
Statt Klasse H nun Klasse A
Bislang hatte die Wohnanlage in der Zeppelinstraße den schlechtesten Energieeffizienzgrad H. Künftig wird sie mit der Klasse A Neubauniveau haben – mit der Folge, dass Heizkosten erheblich reduziert werden. „Wir werden 90 % weniger an Energie verbrauchen. Das wirkt sich deutlich auf die Nebenkosten aus, die die Mieter für ihre 55 m2 großen Wohnungen zu zahlen haben“, sagt Laura Wagener, Niederlassungsleiterin Düsseldorf bei der LEG. „Die Sanierungskosten werden zwar auf die Kaltmiete umgelegt. Insgesamt werden unsere Mieter jedoch von dem Projekt profitieren, da sich die Nebenkosten deutlich reduzieren, auch wenn der Strompreis weiter steigen sollte“, so Wagener weiter.
Möglich wird die enorme Verbesserung der Energiebilanz durch drei Sanierungsfaktoren. Erstens werden durch die vorgesetzte, gedämmte Fassade mit integrierten Fenstern Wärmeverluste über die Außenwände minimiert: Insgesamt wurden 180 vorgefertigte Fassaden-Elemente in Mönchengladbach verbaut, inklusive neuer Fenster, Rollläden und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Zweitens wurde das Dach neu eingedeckt und gedämmt. Der Bau einer Photovoltaik-Anlage ist geplant. Dritter Faktor und eigentliches Kernstück der Sanierung sind Luft-Wasser-Wärmepumpen und Wohnungsstationen, die die bisherigen dezentralen Wärmeerzeuger – die Gas-Etagenheizungen und die Speicherheizungen – ersetzen.
Aufbau der Wärmepumpen
Um alle Wohnungen auch bei niedrigen Außentemperaturen ausreichend zu heizen und mit Warmwasser zu versorgen, wurde eine zentrale Wärmepumpen-Anlage von Stiebel Eltron mit drei innenaufgestellten Luft-Wasser-Wärmepumpen vom Typ WPL 24 I (Kaskadenschaltung mit Laufzeitabgleich) und drei 700l-Pufferspeichern realisiert. Eine große Herausforderung bestand angesichts des ungewöhnlichen Aufstellorts im Dachgeschoss darin, jegliche Geräuschbelastung für die Bewohner zu vermeiden. Deshalb wurden zuerst Doppel-T-Stahlträger schallentkoppelt auf die Außenwände aufgelegt. Anschließend wurden die Wärmepumpen ebenfalls mit entsprechenden Schallschutzmaßnahmen auf diesen Doppel-T-Trägern platziert. Dadurch wird einerseits der Dachgeschoss-Boden entlastet, andererseits werden so keine Schwingungen auf den Gebäudekörper übertragen.
Wohnungsstationen in Ergänzung
Das Ansaugen und Ausblasen der Außenluft, aus der die Energie für die Beheizung und die Warmwasserbereitung gewonnen wird, erfolgt über das Gebäudedach: Das Ansaugen vollzieht sich über die Südseite: Hier rechnet man im Durchschnitt mit einem etwas höheren Lufttemperaturniveau. Das Ausblasen findet an der Nordseite statt.
Zusätzlich zu den zentralen Geräten im Dachbereich wurden in allen 48 Wohneinheiten Stiebel Eltron Wohnungsstationen zur Heizwärmeverteilung und für die dezentrale Warmwasserbereitung installiert und über ein 2-Leiter-System mit den Pufferspeichern verbunden. Der Gerätetausch in den Wohnungen war unproblematisch, die neuen Stationen benötigen nicht mehr Platz als die bisher vorhandenen Heizgeräte.
„Der Vorteil dieser Lösung ist ihre beliebige Skalierbarkeit: Je nach Größe und Dämmzustand eines Gebäudes reicht eventuell auch eine einzige Wärmepumpe, oder es kommen Kaskadenanlagen mit mehreren Geräten zum Einsatz. Wohnungsstationen lassen sich in jeder Wohneinheit einfach am Platz der alten Gastherme einbauen. In der Regel kann der bisherige Schornstein gut für die neue Leitungsführung genutzt werden, so sind keine nennenswerten weiteren Umbauten notwendig“, erläutert Stefan Küpper, Key-Account-Manager Objekte bei Stiebel Eltron. Für das Unternehmen ist die Aufstellung von Wärmepumpen im Dachgeschoss eine weitere Alternative für die Heizungssanierung in dichtbesiedelten Gebieten: Lärmproblematik wird vermieden, und die schallentkoppelte Aufstellung verhindert auch im Gebäude selbst jede Lärmbelastung. Aus der Dachmontage resultieren keine besonderen hydraulischen Herausforderungen.
Konzept mit Perspektive
Nach übereinstimmender Einschätzung aller Beteiligten hat sich das Konzept der seriellen Sanierung im Zuge des Pilotprojekts uneingeschränkt bewährt. Auch die Bundespolitik ist bereits auf den neuen Ansatz aufmerksam geworden: Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, besuchte im Rahmen seiner Sommerreise 2023 eines der Mönchengladbacher Folgeprojekte. „Nach den Erfahrungen in Mönchengladbach sind wir überzeugt davon, dass das Konzept der ‚seriellen Sanierung‘ die Dekarbonisierung in der Immobilienwirtschaft erheblich beschleunigen kann. Die Aufstellung von Wärmepumpen im Innenraum, wo möglich und sinnvoll auch unter dem Dach, wird für die Bestandssanierung in dichtbesiedelten Gebieten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, resümiert Stefan Küpper.