Armutsdiskussion

Eine kritische Hinterfragung

Wiederholt wird in der Presse und insbesondere auch im Vor­feld von Wahlen die Diskus­sion über die Armutsfrage in Deutschland angefacht und diskutiert. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen kriti­schen Blick auf diese Situation werfen. Hintergrund für diese kritische Hinterfragung ist die weitergehende Frage, ob die Si­tu­ation in Deutschland ver­schie­dentlich zu dramatisch dar­gestellt wird und die positiven Bewegungen in wirtschaftlichen Entwicklungen auch ausreichend Anklang in der öffentlichen Diskussion finden. Die Armutsfrage ist unter anderem auch im Rahmen des in Kürze eintretenden Mindestlohnes viel diskutiert worden. Den nachfolgenden Überlegungen soll ausdrücklich vorangestellt werden, dass es ein gemeinsames Ziel sein muss, Armut zu vermeiden und auch jeder Erwerbstätige ein Entgelt erzielen muss, das es erlaubt, gerade nicht in Armut, sondern den erbrachten Leistungen entsprechend angemessen zu leben. Dennoch seien die kritischen Fragen erlaubt, die insbesondere auch die Intensität der zum Teil geführten Armutsdiskussion beleuchten.

Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland über 16 % der Erwerbsfähigen von Armut bedroht. Von Armut bedroht ist per Definition, wer weniger als 60 % des mittleren Einkommens des Landes, in welchem er lebt, verdient. Dies sind in Deutschland derzeit 980,00 € pro Monat für eine alleinlebende Person. Die so ermittelte Armutsgrenze bezieht sich allerdings auf die ganze Republik. Es drängt sich somit die Frage auf: „Sind 980,00 € in der ländlichen Provinz nicht mehr wert als beispielsweise in Frankfurt, München oder Hamburg?“

Alleine die Mietpreise können um ein Vielfaches auseinander liegen und somit das zur Verfügung stehende Einkommen unterschiedlich belasten. Auch leben etliche der oben genannten 16 % in den eigenen vier Wänden. Fallen also Miete und Abzahlungen weg, so lässt es sich von 980,00 € anders leben als mit der Mietbelastung.

Bei den gut 16 % der von Armut bedrohten Erwerbsfähigen befindet sich auch die Gruppe der Studenten, Auszubildenden, Praktikanten, usw. Diese Gruppe hat seltenst ein Einkommen, das 980,00 €/Monat übersteigt. Folgerichtig wäre die Großzahl der Auszubildenden und Studenten armutsgefährdet. Ist dem so?

Armut bezeichnet zunächst nicht ausreichende bzw. fehlende Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie Kleidung, Nahrung, Wohnung und Gesundheit. Sind hiervon über 16 % der Erwerbsfähigen in unserem Land wirklich bedroht?

Würde das Durchschnittseinkommen um beispielsweise 100 € sinken, wäre man erst bei einem monatlichen Einkommen von 900,00 € von Armut bedroht (nach der oben aufgeführten Defi­ni­tion). Kann aber diese Schlussfolgerung richtig sein? Oder eher nicht? Muss hier nicht der Blick geändert werden? Bedarf es nicht einer spezifizierten Betrachtung?

Die aufgeworfenen Fragen sollen nicht den Eindruck vermitteln, dass die Armutsproblematik negiert wird. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass bei der Diskussion um Armut ein differenzierter Ansatz notwendig ist, um dieser Thematik mit der notwendigen Sachlichkeit zu begegnen.

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