Auslegung eines Leistungsverzeichnisses
Als eine umfangreiche Maßnahme abgewickelt wurde, war der Auftraggeber der Auffassung, der Auftragnehmer müsse noch bestimmte Arbeiten vornehmen; sie wären im Leistungsverzeichnis vorgesehen. Demgegenüber machte der Auftragnehmer geltend, er habe den Inhalt des Leistungsverzeichnisses nicht dahin verstanden und auch nicht so verstehen müssen, dass die fraglichen Arbeiten in dem Leistungsumfang des ihm erteilten Auftrags enthalten sein sollten.
Mit diesem Sachverhalt hat sich das Oberlandesgericht Koblenz im Urteil vom 12. April 2010 – 12 U 171/09 – befasst, das durch den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 2010 – VII ZR 77/10 – bestätigt wurde. Nach Auffassung des Gerichts musste der Auftragnehmer bei gründlicher Durchsicht des Leistungsverzeichnisses unter Mitberücksichtigung des außerhalb des Ausschreibungstextes liegenden, für dessen Verständnis maßgebenden Umstände zu dem Schluss kommen, dass die verlangten Arbeiten im Auftragsumfang enthalten waren, obgleich das Leistungsverzeichnis sprachlich unklar und unübersichtlich war. Wird ein Leistungsverzeichnis als Instrument verstanden, die jedem fachkundigen Leser eine leicht nachvollziehbare Darstellung der angefragten Leistung zur Verfügung zu stellen, so muss der Ausschreibungstext diesen Anforderungen genügen.
Trotz der vorliegenden Mängel des Leistungsverzeichnisses konnte der Auftragnehmer im Ergebnis nicht mit Erfolg geltend machen, er habe dem Leistungsverzeichnis nicht entnehmen können, dass auch weitere Arbeiten selbst von vornherein Gegenstand des Auftrags sein sollten.
Der Auftragnehmer hatte die Pflicht, jeden Unterpunkt der Leistungsbeschreibung sorgfältig zu lesen und inhaltsmäßig genau zu erfassen.
Der Auftragnehmer war verpflichtet, den Auftrag so umfassend auszuführen, wie er ihm nach dem Leistungsverzeichnis erteilt worden war.
RA Dr. Otto