Haftung für Sicherheitsvorschriften
Als der Ausbilder einem jungen Mann die Weisung erteilte, in einer laufenden Maschine Reinigungsarbeiten auszuführen, entstand ein erheblicher Körperschaden. Dafür musste die Berufsgenossenschaft 98 000 € aufwenden und verlangte dann vom Geschäftsführer des Betriebes und dem Ausbildungsleiter einen Ausgleich für die vorgenommenen Zahlungen.
Bei dem Ausbilder kam es darauf an, ob der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt worden war. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtverstoß rechtfertigt für sich allein allerdings noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt. Vielmehr ist eine Inanspruchnahme des Schadenverursachers nur dann gerechtfertigt, wenn auch eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die weiter reicht als eine einfache Fahrlässigkeit.
In dem konkreten Fall gab es eine Unfallverhütungsvorschrift (UVV), die außer acht gelassen worden war. Jedoch ist nicht jeder Verstoß gegen die UVV für sich als eine schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht anzusehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob es sich um eine UVV handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und somit elementare Sicherheitspflichten zum Inhalt hat. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, ob der Verantwortliche nur unzureichende Schutzmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Schutzanweisungen eindeutig waren. In dem konkreten Fall durften die Reinigungsarbeiten nach der einschlägigen UVV nur dann erfolgen, wenn die Maschine stillstand. Der Ausbilder, der dem jungen Mann gegenüber weisungsbefugt und damit verpflichtet war, die Arbeitsanweisungen unter Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften zu erteilen, wies ihn jedoch an, die Reinigung bei laufendem Betrieb zu erledigen. Die maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften waren dem Ausbilder, als in dem Unternehmen für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zuständiger Person, auch bekannt. Sie dienen dazu, den Arbeiter vor tödlichen Gefahren zu bewahren, denn es kann zu schwersten Verletzungen und auch zum Tode führen, wenn der Mitarbeiter in die laufende Maschine gerät. Der Ausbilder hatte damit sämtliche ihm bekannten Schutzanordnungen außer acht gelassen. Unter den konkreten Umständen hätte sich ihm auch aufdrängen müssen, dass die UVV strikt eingehalten werden mussten.
Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 12. Dezember 2007 – 6 U 200/06 – war der Ausbilder verpflichtet, die der Berufsgenossenschaft entstandenen Aufwendungen zu ersetzen.
Dieselbe Verpflichtung traf den Geschäftsführer. Er hatte den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, weil er nicht ausreichend für die Einhaltung der UVV gesorgt hatte. Der Geschäftsführer wusste, dass der Ausbilder nicht dazu geeignet war, die Arbeiten sicher durchzuführen, denn ihm war bekannt, dass es ständige Übung war, die Maschine bei laufendem Betrieb zu reinigen.
Dr. Otto