Im Gespräch mit Adrian Willig
tab: Herr Willig, Strom ist im Rahmen der Energiewende eine derzeit schwer kalkulierbare Größe geworden. Mal ist er durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Überfluss vorhanden, ein anderes Mal muss er durch das möglichst rasche Hochfahren von Bestandskraftwerken mühsam bereitgestellt werden, um die Netze auszubalancieren. Hier soll Power-to-Heat eine Möglichkeit bieten, Stromüberschuss sinnvoll zu nutzen. Worin sehen Sie den großen Vorteil?
Adrian Willig: Im Rahmen unseres Projektes „Power-to-Heat in Hybridheizungen“ werden Hybridheizungen mit elektrischen Heizeinrichtungen ausgerüstet, vergleichbar mit einem modernen Tauchsieder. Überschüssiger, sogenannter „abgeregelter“ Strom aus erneuerbaren Energien kann von den Anlagen aufgenommen und zur Erwärmung des Wassers genutzt werden. Lange, leitungsbelastende Transportwege entfallen, da gerade in den häufig ländlichen Regionen der Windkraftanlagen auch Öl-Hybridheizungen verbreitet sind. Der vermeintlich überschüssige Strom kann so gezielt genutzt werden, wodurch Brennstoff eingespart wird. Auch Überschüsse aus hauseigenen Photovoltaikanlagen können auf diese Art in das Heizsystem eingebunden werden. Power-to-Heat ist technisch unkompliziert, kostengünstig und kann sich vergleichsweise schnell amortisieren. Im IWO-Feldtest wird die Technologie bereits heute erfolgreich eingesetzt. Ein weiterer Vorteil: Anders als etwa rein strombetriebene Heizungen, wie zum Beispiel monovalente Strom-Wärmepumpen oder Nachtstromspeicherheizungen, benötigen Power-to-Heat-fähige Ölheizungen keine zusätzlichen Reservekraftwerkskapazitäten, die mit großem Kostenaufwand bereitgehalten werden müssten. Heizöl ist als „Backup-Energie“ stets verfügbar. Zudem entstehen keine zusätzlichen Kosten für eine Netzinfrastruktur, da der Energieträger leitungsungebunden ist.
tab: Wie groß schätzen sie das Potential der bestehenden Ölheizungen ein, hier eine Regelfunktion zu übernehmen?
Adrian Willig: Effiziente Ölheizungen werden einen wichtigen Beitrag für das Gelingen der Energiewende leisten. Immerhin versorgen mehr als 5,6 Mio. Ölheizungen bundesweit rund 11 Mio. Haushalte. Den Schwerpunkt bilden dabei Ein- und Zweifamilienhäuser im ländlichen Raum, wo eine leitungsgebundene Energieversorgung oftmals nicht vorhanden ist. Der Einbau von Brennwerttechnik stellt eine sehr kosteneffiziente Sanierungsmaßnahme dar. Das wird auch durch die positive Entwicklung der Absatzzahlen für Öl-Brennwertkessel unterstrichen.
Bereits heute kombinieren Ölheizer diese Kessel überdurchschnittlich oft mit regenerativen Energieträgern. Solche Öl-Hybridheizungen unterstützen das Erreichen der klimapolitischen Ziele. Sie können insbesondere sozialverträglich realisiert werden, da unnötig hohe Kosten für Hauseigentümer und Mieter vermieden werden.
In ölbeheizten Ein- und Zweifamilienhäusern werden sich hybride Heizsysteme in den nächsten Jahren mehr und mehr zur Standardlösung entwickeln. Power-to-Heat ist ideal geeignet, um diese Systeme zukünftig um eine weitere Komponente zu ergänzen – und das bei überschaubaren Investitionsmehrkosten in Höhe von rund 2000 €, die, so das Ergebnis einer von uns beauftragten Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, günstigenfalls bereits nach weniger als zehn Jahren wieder eingespielt sind. Der Heizölvorrat im Tank sichert dabei die Grundversorgung ab. Weil es selbst in kleinen Mengen kostengünstig transportiert und langfristig vor Ort gelagert werden kann, eignet sich Heizöl sehr gut als Komplementärenergie zu den erneuerbaren Energien. Leitungsgebundene Energieträger hingegen dürften bei geringen Abnahmemengen eher an wirtschaftliche Grenzen stoßen, insbesondere in weniger dicht besiedelten Gebieten.
tab: Können Ölheizungen diese Rolle auch in größeren Gebäuden, also im Objektbau und in öffentlichen Gebäuden, übernehmen?
Adrian Willig: Prinzipiell steht dem nichts im Wege: Power-to-Heat in Hybridheizungen funktioniert im Großen wie im Kleinen. Bei unseren bisherigen Untersuchungen haben wir uns jedoch auf den Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser konzentriert, da dort, wie gesagt, der Bestand an Ölheizungen am größten ist und sich daraus auch das größte Marktpotential ergibt.
tab: Öl als gespeicherte Energie könnte also eine Pufferfunktion einnehmen. Wie müssen Hausbesitzer und Betreiber involviert werden, damit diese Lösung eine Zukunft hat? Welche Rahmenbedingungen müssen sich ändern?
Adrian Willig: Laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins „Capital“ haben im Jahr 2014 die Stromverbraucher in Deutschland erstmals mehr als 100 Mio. € an Entschädigung für die Zwangsabregelung von Windrädern zahlen müssen. Für dieses Jahr rechnen die Übertragungsnetzbetreiber demnach mit einer weiteren deutlichen Steigerung der „Ausfallarbeit“ und daraus folgender Entschädigungszahlungen. Dies zeigt, dass eine kostengünstige und technisch einfach umzusetzende Lösung zur Aufnahme ansonsten abgeregelten Stroms im allgemeinen Interesse ist. Power-to-Heat bietet sich hier für eine sinnvolle Nutzung dieses Stroms an.
Zum Einsatz im Massenmarkt muss jedoch das ohnehin im Umbruch befindliche Strommarktdesign eine Anpassung erfahren. Dabei ist es wichtig, dass ansonsten abgeregelter Strom von Abgaben und Umlagen weitgehend befreit wird. Aufgrund der genannten Entschädigungszahlungen, die damit dann ja entfallen könnten, würde sich das auch volkswirtschaftlich rechnen.
tab: Herr Willig, vielen Dank für das Interview.