Kommentar

Hilft uns das Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Seit 1. März 2020 gilt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung. Ziel des Gesetzes ist es, neue Fachkräfte für Deutschland anzuwerben. Das ist auch aus Sicht der TGA-Branche zu begrüßen, denn wir haben es bekanntlich besonders schwer, Fachkräfte und auch Nachwuchs zu rekrutieren. Unsere Branche wird im öffentlichen Bewusstsein immer noch zu wenig wahrgenommen, obwohl wir einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können und die Klimadebatte nach wie vor populär ist.

Zwei Worte sind in den einleitenden Sätzen näher zu betrachten: „Fachkräfte“ und „anzuwerben“. Positiv ist, dass mit vereinfachten Verfahren nur Fachkräfte angeworben werden sollen. Aufgrund der Berufserfahrung entfällt damit der mühsame, manchmal aussichtlose Prozess des Anlernens, des Qualifizierens in Verbindung mit dem Erlernen des deutschen Fachvokabulars und letztlich des Erlernens der Arbeitsmentalität in unserem Land.

Wird die Qualifikation vergleichbar sein?

Entscheidend wird sein, nach welchen Kriterien die staatlichen Stellen die Berufsausbildung der Bewerber bewerten, vergleichen und anerkennen. In der Europäischen Union gibt es den Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR), der in Deutschland als Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR) umgesetzt wurde. Dieser Rahmen ermöglicht es, die verschiedenen Qualifikationsniveaus der Länder der europäischen Gemeinschaft zu vergleichen. Für alle 195 Staaten der Erde gibt es einen solchen Vergleich selbstverständlich nicht. Und unser deutsches Duales System in der Berufsausbildung ist weltweit als eines der führenden und qualitativ hochwertigen Ausbildungssysteme bekannt. Ob wir also Fachkräfte gewinnen können, deren Qualifikation mit dem Niveau der deutschen Ausbildung vergleichbar ist, muss sich zeigen.

Sollten nur eingeschränkt Fähigkeiten anerkannt werden, wird ein Aufenthalt für die weitere Qualifizierung genehmigt. Diese wird wohl von den Unternehmen bezahlt werden müssen.

Sicher gibt es in jedem Land fleißige, lernwillige und auch weniger engagierte Menschen. Der Wegfall der Vorrangprüfung hilft uns, die diesbezüglich richtige Fachkraft auswählen zu können. Der Aufwand, die Qualifikation der potentiellen Bewerber auf das hiesige Niveau zu bringen, wird also auf jeden Fall geringer werden.

Weit schwieriger wird es sein, überhaupt Fachkräfte anzuwerben. Das muss durch die Strukturen der staatlichen Stellen Deutschlands im Ausland geschehen. Allerdings werden die anderen Staaten nicht begeistert sein, wenn ihre Fachkräfte abwandern. Und das in südlichen Ländern oft stark ausgeprägte Gefühl der Familienzusammengehörigkeit wird sein Übriges tun, um die Söhne und Töchter nach einigen Jahren guter Bezahlung in Deutschland wieder nach Hause zu locken.

Als weiteres Problem könnte sich herausstellen, dass die Fachkräfte, die sich zur Jobsuche oder Nachqualifikation in Deutschland aufhalten dürfen, nachweisen müssen, dass sie ihren Aufenthalt allein und ohne staatliche Hilfe finanzieren können. Alles in allem keine geringen Hürden.

Alternative Lösungen

Vielleicht würde die Suche nach Fachkräften in Zukunft erleichtert, wenn die deutsche Politik die Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen verbessern würde: kostenlose Kitaplätze, Ganztagsschulen und Zuschüsse für alleinerziehende Mütter. Es ist beispielsweise unverständlich, warum für Kinder mit 14 und manchmal schon mit 12 Jahren z. B. bei Urlaubsreisen wie für Erwachsene bezahlt werden muss. Kinder sollten bis zum Ende der Erstausbildung kostenlos alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürfen usw. usf. Familien zu gründen und Kinder großzuziehen, darf finanziell nicht bestraft werden – dann würden im eigenen Land vielleicht auch wieder größere Familien entstehen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss viel stärker im Fokus der Politik stehen. Das ist nicht mit Zahlung eines eh zu geringen Kindergeldes getan.

Insofern ist das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein Baustein, aber nicht die Lösung der Probleme des demographischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels. Wir Unternehmer der TGA-Branche sind bereit, uns diesen Herausforderungen zu stellen und Lösungsvorschläge einzubringen.

 

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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